Pension Management
7. November 2012

Wer früher stirbt, gibt länger Hinterbliebenenunterstützung

Amerikanische Konzerne leisten für Angehörige verstorbener Mitarbeiter mitunter großzügige Zahlungen. Unterhalb der Chefetage ist so etwas hierzulande nur über Versorgungswerke und in bescheidenem Rahmen üblich. Die Regeln im Zusammenspiel von gesetzlicher, standesrechtlicher und betrieblicher Hinterbliebenenabsicherung sind streng.

Internetgigant Google sorgt sich um das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter und nach deren Tod auch um das Wohl ihrer Familien. Personal­chef Laszlo Bock verriet kürzlich dem Magazin „Forbes“: Wenn ein Google-Mitarbeiter stirbt, wird dem Ehe- oder Lebenspartner die folgenden zehn Jahre 50 Prozent des Gehalts des Verstorbenen vom Unternehmen weitergezahlt. Dabei hänge die Zahlung nicht von einer bestimmten Länge der Unternehmenszugehörigkeit ab. Fast ­alle Angehörigen der rund 34.000 Google-Mitarbeiter können diese ­Zahlungen weltweit im Fall der Fälle in Anspruch nehmen. Die finanzielle Hilfe sei offiziell 2011 eingeführt worden. Auch die Kinder verstorbener Google-Angestellten werden versorgt – mit rund 1.000 US-Dollar monatlich bis zum Alter von 19 Jahren – falls sie studieren gar bis zum 23. Lebensjahr. Mit solchen Anreizen steht Google keineswegs allein da. Die großen US-Internet-Konkurrenten liefern sich ­einen harten Kampf um Mitarbeiter. Außer mit hohen Gehältern und Betriebsrenten locken sie mit opulenten Aktienoptionen.

Von ähnlichen Leistungen können „normale“ Mitarbeiter in deutschen Unternehmen nur träumen. Im Todesfall fließen eher spärliche Beträge aus der gesetzlichen Rentenkasse und – falls abgeschlossen – aus der privaten und betrieblichen Altersversorgung. Auch die berufsständischen Versorgungswerke als Altersvorsorge-Sonderform für ­bestimmte kammerfähige freie Berufe wie Arzt, Apotheker, Architekt, Notar, Rechtsanwalt, diplomierter Psychotherapeut, Steuerberater, Tierarzt, Wirtschaftsprüfer oder Zahnarzt haben Leistungen im Todesfall parat.

Basis für die meisten Deutschen ist eine bescheidene Grundversorgung der gesetzlichen Rentenkasse. Die durchschnittliche Witwenrente liegt bei rund 440 Euro pro Monat, eine Halbwaise bekommt im Schnitt 158 Euro im Monat. Zunächst bekommen alle Witwen oder Witwer drei volle Renten des Verstorbenen, wenn dieser schon eine ­eigene gesetzliche Rente bekam oder vor dem Rentenalter ­mindestens fünf Jahre gesetzlich rentenversichert war. Nach den drei Monaten gilt: Maßstab für die Höhe der Witwenrente sind die Ansprüche, die der verstorbene Ehepartner zuletzt auf eigene Rente hatte. Entweder werden davon 55 bis 60 Prozent gezahlt („große“ Witwenrente) oder nur 25 Prozent („kleine“ Witwenrente). Hinterbliebene mit eigenem Einkommen erhalten nur anteilig Witwenrente. Ungefähr dürfen sie 741 Euro verdienen (im Osten 658 Euro). Wer mehr verdient, bei dem wird eigenes Einkommen über einen Freibetrag hinaus zu 40 Prozent auf die Witwenrente angerechnet.

_Waisen erhalten befristete Unterstützung

Übrigens: Kinder bekommen von der gesetzlichen Rentenkasse befristet Waisenrente, wenn der verstorbene Elternteil Mitglied war und es auf mindestens 60 Monate Pflichtbeitragszeiten gebracht
hatte. Eine Halbwaise erhält zehn Prozent, Vollwaisen 20 Prozent der Altersrente von Vater oder/und Mutter. Zur Waisenrente wird ­zusätzlich ein Zuschlag gezahlt, der sich nach den zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten des verstorbenen Elternteils richtet. Überwiesen wird bis zum 18. Geburtstag, außer die Waise steckt in einer Ausbildung, einem freiwilligen Jahr oder ist behindert und kann deshalb nicht für sich selbst sorgen. Dann läuft die Zahlung maximal bis zum 25. Geburtstag.

Viele kammerfähige Freiberufler sind nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern im berufsständischen Versorgungwerk. Dabei handelt es sich um Sondersysteme der Pflicht­versorgung, die gleichberechtigt neben der Sozialversicherung stehen. Hier gilt bei Tod des Mitglieds: Ehe- beziehungsweise Lebenspartner und Kinder erhalten Leistungen laut Satzung. Beispiel Bayerische Ärzteversorgung: In Anlehnung an die gesetzliche Rentenkasse erhält die Witwe 60 Prozent der versicherten Altersrente des Arztes, ein Kind 20 ­Prozent als Halbwaise und als Vollwaise ein Drittel. ­Bemerkenswert: Waisenrente endet in den meisten Versorgungs­werken mit dem 18. Geburtstag, bei der Bayerischen Ärzteversorgung aber erst drei Jahre später. Als Dienstleistungszentrum für mehrere ­berufsständische und kommunale Versorgungswerke bietet die in München ansässige ­Bayerische Versorgungs­kammer (BVK) einen guten Marktüberblick (siehe ­Tabelle unten).

In der betrieblichen Altersversorgung (bAV) sind häufig auch Hinterbliebenenleistungen versichert. Im Prinzip ist aber keine Ver­erbung erlaubt; daher profitieren nur engste Angehörige. Unterschieden wird dabei noch zwischen Einzahlungs- und Auszahlungsphase. Bei Tod während der Einzahlungsphase gilt: Ansprüche aus Betriebsrenten können grundsätzlich nicht an Angehörige weitergegeben ­werden. Weder die eingezahlten Beiträge noch Steuervergünstigungen sind vererbbar. Bei Tod in der Auszahlungsphase, also der ­eigentlichen Rentenphase, gilt im Prinzip dasselbe. Rentenansprüche dürfen allerdings in den sehr engen Grenzen des Einkommensteuergesetzes an Ehepartner, Lebenspartner und Kinder ausgezahlt ­werden. Gezahlt wird je nach verwandtschaftlicher Nähe an Partner oder – falls nicht vorhanden – kindergeldberechtigten Nachwuchs. Ansonsten gibt es nur ein Sterbegeld.

_Der Unterschied liegt im Detail

Andere Begünstigte würden als normale Erben behandelt, für die zum Beispiel eine Rentengarantiezeit nicht erlaubt ist, weil es sich nicht mehr um förderfähige bAV handelt (Randziffer 158 des BMF-Schreibens vom 17. November 2004). Dann ist lediglich ein angemessenes Sterbegeld zulässig, das jedoch als Einnahme zu versteuern ist. Es ist kein echtes Sterbegeld aus einer Versicherung, sondern in der bAV quasi „eine Auffanglösung für nicht-versorgungsberechtigte ­Hinterbliebene aus dem zur Verfügung stehenden Kapital für den ­Todesfall“, so die Huk-Coburg.

Dabei gibt es durchaus Unterschiede zwischen Versorgungs­werken auf der einen Seite und Direktversicherungen und Pensions­kassenleistungen der Lebensversicherer auf der anderen. Versorgungswerke sind oft institutionelle Sozialeinrichtungen bestimmter Branchen oder sonstiger Gruppen zur Absicherung elementarer ­Lebensrisiken. Das größte und bekannteste Versorgungswerk dieser Art ist die Metallrente. Hier wird bei Tarifen von Direktversicherung und Pensionskasse der strenge Angehörigenbegriff berücksichtigt. Arbeitnehmer können den Zusatzbaustein „Witwen- und Waisen­renten“ vereinbaren. Wer es tut, stellt der Witwe 60 Prozent der bAV-Altersrente in Aussicht und den Kindern je 20 Prozent. Die ­Aufstockung auf 100 Prozent ist möglich, aber für den Arbeitnehmer kaum sinnvoll, weil er selbst dann gar nichts bekäme.

Ist keine Hinterbliebenenvorsorge vereinbart, gibt es bei Metallrente dennoch Todesfall-Leistungen, die sich leicht unterscheiden bei klassischen und fondsgebundenen Tarifen wegen der unterschied­lichen Form der Zusage. Im Prinzip gilt bei Metallrente: Bei Tod vor Rentenbeginn wird eine lebenslange Rente aus dem Garantiekapital oder den eingezahlten Beiträgen gezahlt. Bei Tod nach Rentenbeginn gibt es für den Partner eine lebenslange Rente, die bis zum 22-Fachen der jährlichen Garantierente vereinbart werden kann, abzüglich ­bereits an den Betriebsrentner gezahlter garantierter Renten.

Ein besonderes Bonbon bietet der BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes, Deutschlands größte Pensionskasse. Bei Tod schon vor 55 gibt es nicht nur 60 Prozent der bisherigen Ansprüche auf ­Altersrente des Arbeitnehmers für seine Witwe, sondern im Tarif „BVV Kompaktvorsorge Plus“ zusätzlich noch ein gewisses Trostpflaster, und zwar in ­Höhe von 100 Prozent der Rente für jedes Jahr bis 55, die sich bei ­Weiterzahlung der Beiträge im Durchschnitt des letzten Jahres ­ergeben hätte. Beispiel: Stirbt der Arbeitnehmer mit 40, erhält seine Witwe zusätzlich 60 Prozent des fiktiv bis zum 55. Lebensjahr des ­Verstorbenen erworbenen Rentenanspruchs.

Gleichwohl sind aus Versorgungswerken auch kritische Stimmen zu hören. „Für ausreichende Hinterbliebenenabsicherung bietet die bAV keinen Platz“, sagt Friedhelm Gieseler. „Todesfall-Leistungen sind zudem anders als bei einer privaten Risikolebensversicherung
der Einkommensteuer unterworfen und kosten am Ende mehr als
die ­vorherige Förderung“, warnt der Geschäftsführer des ­Versorgungswerkes Klinikrente. Daher hat man dort einen ­Kompromiss ­umgesetzt: Bei Tod vor Rentenbeginn gibt es für ­Angehörige nur das eingezahlte Geld zurück. Zum Renteneintritt ­besteht die Wahl zwischen ­einer bis zu 20 Jahre dauernden Garantierente für die Hinterbliebenen in ­Höhe von 100 Prozent der Alters­rente des Mitarbeiters oder dem Einschluss einer Hinterbliebenen­rente (60 Prozent) oder einer Kapitalaus­zahlung. Wieder etwas anders geht die Pensionskasse der Nestlé Deutschland AG vor, die nur ­Mitarbeitern des Unternehmens ­offensteht. Für Neuzusagen ab 2006 erhält die Witwe 60 Prozent der Altersrente des Nestlé-Mitarbeiters, jedoch weniger, „falls der Partner mehr als sieben Jahre jünger ist als der Versicherte“. Das frühere ­Sterbegeld von 1.300 Euro gibt es nur noch für Altzusagen vor 2006.

_Angemessene Rentenhöhe versus adäquater ­Hinterbliebenenschutz

Bei Direktversicherungen und marktoffenen Pensionskassen von Lebensversicherern schaut das Finanzamt genau hin bei Renten­garantie, Beitragsrückgewähr und Kapitalauszahlung für die „Erben“. Erlaubt ist, wenn man von vornherein eine Rentengarantiezeit für ­nahe Angehörige vereinbart, zum Beispiel über zehn Jahre. Dies ­kostet allerdings rund 1,0 Prozentpunkte Rendite für die eigentliche Betriebsrente. Stirbt der Anleger dann beispielsweise nach sechs ­Jahren Rentenauszahlung, bekommen seine Erben noch für weitere vier Jahre die monatlichen Zahlungen. Statt einer Garantiezeit kann man als bAV-Vertragszusatz aber auch lebenslange Hinterbliebenenrente ­vereinbaren. Viel Hinterbliebenenschutz geht allerdings ­zulasten der ­eigentlichen Rentenhöhe. Eine Hinterbliebenenrente macht nur Sinn, wenn der hinterbliebene Partner über keine oder allenfalls ­geringe eigene Renten­ansprüche verfügt, die sich aber effizienter ­privat absichern lassen.

Wie auch immer: Stirbt der Arbeitnehmer vor Betriebs­­­­renten­beginn, wird aus dem vorhandenen Deckungskapital eine ­Hinter­bliebenenrente gebildet. Witwe und Waisen können im ­Einvernehmen mit dem Arbeitgeber auch eine Kapitalzahlung ­verlangen. Stirbt der Betriebsrentner dagegen nach Rentenbeginn und hat einen Tarif mit Restkapitalverrentung gewählt, so wird aus dem zu Rentenbeginn ­vorhandenen Deckungskapital eine ­Hinter­bliebenenrente gebildet, abzüglich bereits gezahlter Renten. Auch hier können Witwe und ­Waisen im Einvernehmen mit dem ­Arbeit­geber eine Kapitalzahlung ­verlangen, heißt es bei der ­S-Pensions­management. Schaut man genauer in die Tarife hinein, so wird im Todesfall vor dem Rentenbeginn „die ­Hinterbliebenenrente als ­Leib­rente mit ­sofortiger Zahlung“ ­ausgewiesen, wie das konkrete Beispiel der Debeka ­Direkt­versicherung zeigt.

Fazit: Die Bäume wachsen bei Hinterbliebenenleistungen von deutschen Firmen im Gegensatz zu den teils generösen Zahlungen bestimmter US-Konzerne nicht in den Himmel. Über die bAV können sie eine attraktive Ergänzung sein, solange die steuerliche Förderung nicht nachträglich zunichte gemacht wird. Die Wohltat der ­Hinter­bliebenenversorgung für nahe Angehörige erwirtschaften Direkt­versicherungen und Pensionskassen nicht über gesonderte ­Kapitalsammelstellen am Kapitalmarkt. Die jeweilige Leistung ist in der ­Kalkulation jedes Vertrages insgesamt eingepreist und muss ­primär am Kapitalmarkt erwirtschaftet werden.

Dadurch kommt es nicht zu luxuriösen Absicherungen, sondern lediglich „über die ­garantierten Leistungen hinaus zu Leistungen aus der Überschuss­beteiligung nach Maßgabe der jeweiligen ­Allgemeinen Versicherungsbedingungen“, unterstreicht man bei der Debeka. ­Hinter­bliebenenleistungen „sind von Beginn an fester ­Bestandteil des Verpflichtungsumfangs und insofern in der ­Deckungsrückstellung enthalten, die regelmäßig mit entsprechenden Vermögenswerten zu bedecken ist“, ergänzt die Nestlé Pensionskasse. Bei der Metallrente ist die Hinterbliebenenversorgung „Bestandteil der jeweiligen ­Deckungsstöcke bei den beteiligten Konsorten“. Bei der Gothaer ­Pensionskasse stehen „die ­Sicherstellung der ­Risikotrag­fähigkeit der Gesellschaft und die Erwirtschaftung einer ­robusten und nach­haltigen Rendite“ im Zentrum der Kapital­anlagestrategie. Was im Klartext auch heißt: Bei niedrigen Zinsen kann die Überschuss­beteiligung und ­damit die Hinterbliebenen­leistung sinken.

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