Alternative Anlagen
5. Januar 2016

Wettlauf gegen Chinas Kapital

Großbritanniens Pensionsfonds bündeln ihre Kräfte. Sie wollen ein Stück vom Infrastrukturkuchen, den die britische Regierung groß­zügig an Chinas Investoren verteilt. Doch der Weg ist steinig.

Chinesisches Geld bahnt sich seinen Weg. Bevorzugtes Ziel: Großbritanniens Infrastruktur. Ein paar Beispiele gefällig? Die Erneuerung der Abwasserversorgung in der Grafschaft Kent hängt wie der Ausbau des Flughafens Heathrow am Tropf chinesischen Kapitals. Im Oktober­ dieses Jahres reisten der britische Finanzminister George Osborne­ und Chinas Präsident Xi Jinpin bei dessen Staatsbesuch gemeinsam nach Manchester, um mehrere Investitionsprojekte zu begutachten.­ Dabei sei auch über Chinas Investition in das Programm „Northern Powerhouse“ diskutiert worden, das unter anderem den Bau einer Eis­enbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen London und mehreren Städten im Norden des Landes umfasst.

Das Hofieren Chinas verwundert. In Osbornes „major plan“ zur Verbesserung der britischen Infrastruktur, den er im Oktober vor­stellte, wird China mit keinem Wort erwähnt. Die britischen Pen­sionsfonds hingegen schon. Sein Plan: Die derzeit 89 Pensionsfonds öffentlicher Behörden sollen zu einem halben Dutzend British Wealth Funds gebündelt werden, so dass jede Einheit über mehr als 25 Milliarden Pfund an Assets verfügt. Davon verspricht sich Osborne jähr­liche Einsparungen in Millionenhöhe und eine veränderte Investmentstrategie. „Die neuen Fonds werden internationalen Normen des Investierens folgen, was bedeutet, dass größere Summen in Infrastruktur investiert werden“, heißt es in der Erklärung des Finanzministers. Derzeit fehle den kleinen lokalen Pensionsfonds die Expertise,­ um in Infrastruktur zu investieren. Bislang seien nur 0,5 Prozent in ­entsprechende Projekte geflossen. In Großbritanniens Pensionsbranche sorgt Osbornes Vorstoß für große Verwunderung.

Denn viele der besagten Pensionsfonds sind bereits dabei, ihre ­Assets zu bündeln. Ende November­ hat das London Collective Investment Vehicle (CIV) von der britischen Aufsichtsbehörde FCA die ­volle Genehmigung erhalten. In diesem Vehikel haben sich 29 Londoner Bezirke und die City of London zusammengeschlossen. Das gemeinsame Vermögen von rund 25 Milliarden Pfund soll über eine Reihe von Subfonds in das komplette Asset-Klassen-Spektrum investiert werden. Die ersten neun Subfonds sollen noch 2015 aufgelegt werden. Ein ähnliches Vorhaben verfolgen auch die London Pensions Fund Authority (LPFA) und der Pensionsfonds von Lancashire. Sie wollen ihre Assets­ – immerhin zehn Milliarden Pfund – bündeln und damit „economies of scale“ erreichen, verriet Chris Rule, Chief Investment Officer bei LPFA, im Interview mit unserem Schwestermagazin „portfolio institutional“. Er geht davon aus, dass sich durch den Zusammenschluss zehn bis 20 Prozent der Kosten für Manager einsparen lassen. Noch fehlt die Genehmigung der Aufsicht. Rule hofft, dass ­diese bis April vorliegt. Die strategische Asset Allocation soll bei den Pensionsfonds verbleiben, nur die Assets werden gebündelt.

Gemeinsam ist man stark
Für die LPFA ist eine solche Partnerschaft kein Neuland. Im ­Bereich Infrastruktur gibt es bereits ein Joint Venture mit dem ­Greater Manchester Pension Fund (GMPF). „Durch die Zusammenarbeit ­haben wir jetzt sechs Investmentprofis in London und Manchester, die als ein Team arbeiten, um individuelle Assets zu beurteilen und ­eine gemeinsame Entscheidung darüber zu treffen, ob gekauft wird oder nicht“, erläutert Rule. Dieser direkte Ansatz soll auch auf andere Asset-Klassen, wie Private Equity und Real Estate, übertragen werden. ­Einen direkten Zugang zu britischen Infrastrukturinvestments ­schrieben sich auch die National Association of Pension Funds (Napf) und der Pension Protection Fund (PPF) auf die Fahnen, als sie vor ­etwa drei Jahren die Pension Infrastructure Platform (PIP) gründeten. Das Motto:­ By pensions schemes, for pension schemes. Die Investoren der PIP sollen bessere Konditionen als bei traditionellen Fondsmanagern bekommen. Ein Dorn im Auge war den PIP-Initiatoren die Private-Equity-artigen Gebühren, die für Infrastrukturinvestments als unpassend gelten. Diese Botschaft ist bei Anbietern von ­Infrastrukturfonds inzwischen angekommen. Durch den Druck der Investoren sind die Management Fees von Infrastrukturfonds deutlich gesunken. Laut dem „Infrastructure Spotlight“ von Preqin lagen diese im November 2015 im Schnitt bei 1,5 Prozent, nachdem es 2013 noch zwei Prozent waren. Allerdings ist das immer noch deutlich mehr, als die britischen Pensionsfonds in der PIP für Managementdienstleistungen ursprünglich zahlen sollten: 50 Basispunkte.

Ein steiniger Weg
Das Wort „ursprünglich“ ist an dieser Stelle entscheidend. Denn von ihrer anfangs geplanten Konzeption und Struktur ist die Pension Infrastructure Platform bislang noch ein Stück weit entfernt. Der Weg erwies sich als steiniger als gedacht. Seed-Investoren zu gewinnen, die das nötige Startkapital zur Abdeckung der Entwicklungskosten bereitstellen, war nicht das Problem. Bereits im Sommer 2012 waren zehn Kapitalsammelstellen, darunter der Railways Pension Scheme, der BAE System Pension Funds und Lloyds TSB, zusammengetrommelt. Das Schlüsselerlebnis,­ das bei vielen den Ausschlag für ein ­Engagement in der PIP gegeben hat, dürfte das Drama um den Henderson-Infrastrukturfonds gewesen sein, der sich am Kauf von John Laing Construction verhob. Die LPFA gehört nicht zu den Gründungsmitgliedern der PIP. Im Interview ließ Rule durchblicken, dass man zwar zunächst mitmachen wollte, aber bereits in einem sehr frühen Stadium wieder davon zurücktrat, weil die Vorstellungen über die „direction of the travel“ auseinanderklafften. Das heiße aber nicht, dass es in Zukunft nicht doch eine Zusammenarbeit geben könnte.

Rules Worte lassen erahnen, dass es nicht so einfach war, der Idee einer Infrastruktur-Co-Investment-Plattform Leben­ einzuhauchen. Auch die Wissenschaftler der Stanford University zeigen in ihrem 2015 veröffentlichten Paper „Capitalising on institutional Co-Investment Platforms“, mit welchen Herausforderungen die Akteure zu kämpfen hatten. Anstatt des ursprünglich geplanten Inhouse-­Managements musste auf externe Hilfe zurückgegriffen werden. „Die richtigen Leute für die Führung des Fonds zu finden und ein Managementteam aufzubauen, scheint besonders schwer gewesen zu sein. Bis September 2014 wurde kein CEO berufen“, heißt es in dem Paper. Aus der Not heraus – sicherlich auch, um endlich loszulegen – wurde deshalb im Januar 2014 ein externer Manager, namentlich Dalmore Capital, mandatiert. Welche Gebühren vereinbart wurden, bleibt geheim. Die Stanford-Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Verhandlungen im Sinne der ursprünglichen Prinzipien, nämlich „good value for money“ anzubieten, geführt wurden. Trotz holprigen Starts verkündet die Plattform in ihren jüngsten Pressemitteilungen mit stolzgeschwellter Brust, über eine Milliarde Pfund an Commitments von Pensionseinrichtungen für Investments in britische Infrastruktur sichergestellt zu haben. Neben Dalmore, deren PPP Equity PIP Fund die Zielgröße von 500 Millionen Pfund inzwischen überschritten hat, wurde Aviva Investors als externer ­Manager mandatiert. In dem auf Photovoltaik fokussierten Fonds stecken Commitments in Höhe von 130 Millionen Pfund. Über die Performance der Fonds sind keine Details bekannt. Als Ziel hatte sich die Plattform bei ihrer Gründung zwei bis fünf Prozent per annum gesteckt.

Die Beziehung zu externen Managern hat sich zumindest auf eine andere Art bezahlt gemacht. Die Pensionsfonds der PIP kamen über Dalmore Capital an ein Infrastrukturprojekt heran, an das sie allein wohl nicht gekommen wären. Mit 370 Millionen Pfund ist die PIP an dem Konsortium „Balzagette“ – zu dem auch die Allianz gehört – beteiligt. Das Konsortium erhielt im August dieses Jahres den Zuschlag für den Bau des Thames Tideway Tunnel. Der CEO der PIP, Mike Weston, bezeichnete die Beteiligung als fantastische Nachricht: „Traditionell sind die Konstruktionsrisiken von Greenfield-Infrastrukturprojekten zu groß für Pensionseinrichtungen, die typischerweise nach geringen Risiken und langfristigen, inflationsgeschützten Renditen suchen. Der Thames Tideway Tunnel ist jedoch ein großartiges Beispiel dafür, wie auch Greenfield-Projekte das Risiko auf ein für Pensionsfonds akzeptables Niveau abmildern können.“

Weston wünscht sich noch mehr solcher Projekte. Außerdem fordert er die Ernennung eines speziellen Ministers für Infrastruktur, der die großen Projekte überblickt. Bekommen hat er zumindest eine National­ Infrastructure Commission. Diese wurde im Oktober ins ­Leben gerufen und soll unvoreingenommene Analysen zum langfristigen Infrastrukturbedarf Großbritanniens erstellen. Ob die bis 2020 vom britischen Parlament in Aussicht gestellten 100 Milliarden Pfund  reichen, um die marode Infrastruktur Großbritanniens auf Vordermann zu bringen, werden die­ Analysen offenbaren. Beim nächsten Projekt beteiligt sich der PIP dann womöglich direkt.­ Die Einführung des ersten intern gemanagten Multi-Strategie-Infrastrukturfonds ist für dieses Jahr geplant. Es fehlt noch die Genehmigung der Aufsicht, die jeden Moment erwartet wird. Personell sieht man sich dafür ­inzwischen gut gerüstet. Im August schlossen sich Paula Burgess als Chief Operating Officer und Ed Wilson als Investment Director der PIP an. Wilson kommt von Lloyds, wo er in verschiedenen führenden Positionen reichlich Erfahrung im Infrastruktur- und Energiesektor sammelte. Nun muss nur die Regierung mitspielen und ihren Pen­sionseinrichtungen weitere Opportunitäten bieten, statt die Sahne­stücke der britischen Infrastruktur chinesischen Investoren zu offerieren. Westons Botschaft an die Regierung: „Wenn es der Regierung ernst damit ist, institutionelle Investments in Infrastruktur zu verstärken, muss sie sicherstellen, dass eine langfristige Pipeline an Möglichkeiten besteht, um den Pensionsfonds das Vertrauen zu geben, ihr internes Investmentsystem und Kapazitäten aufzubauen.“

Von Kerstin Bendix

portfolio institutionell, Ausgabe 12/2015

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