Banken
28. November 2011

Wider das Niedrigzinsniveau

Das Stigma einer langweiligen Asset-Klasse haben Anleihen längst verloren. Längst ist das Management von Bondportfolios zu einer anspruchsvollen Aufgabe geworden. Welche Strategien in Niedrigzinsphasen dennoch erfolgreich sind, zeigten Zinsexperten auf dem portfolio Masters in Düsseldorf.

Der Italiener Mario Draghi hat für seinen Einstand als neuer Chef der Europäischen Zentralbank keine leise Gangart gewählt. Seine ­erste Amtshandlung sorgte Anfang November gleich für Aufregung. Nach gut zweieinhalb Jahren wurde der Leitzins gesenkt, und zwar auf 1,25 Prozent. Ein Ende der Niedrigzinsphase ist nicht in Sicht. ­Ohne Zweifel, das Bondportfolio war schon einmal leichter zu managen. Doch welche Strategien führen in diesen Zeiten zum Erfolg? Antworten darauf gaben Zinsexperten anlässlich des portfolio Masters in Düsseldorf.

Ein robustes Portfolio zeichnet sich durch eine breite Diversifikation aus. Getreu diesem Motto hat die Bayerische Versorgungskammer (BVK) ihren Rentendirektbestand diversifiziert. Wie bei den meisten institutionellen Investoren besteht dieser zwar nach wie vor zum Großteil – nämlich rund 85 Prozent – aus Namenspapieren; immerhin 8,7 Prozent sind inzwischen allerdings in einfach strukturierte Produkte investiert. „Wie die Namenspapiere­ sind die Zinsstrukturen ein Buy-and-Hold-Instrument und werden zu 100 Prozent bilanziert“, erklärte Dr. Constantin Echter, Leiter des Referats für strukturierte Zinsprodukte und Spread-Investments bei der BVK. Das Kapitalanlage­volumen beläuft sich auf rund 53,3 Milliarden Euro.

_Vier Kernprodukte, ein Zinsstrukturportfolio

Um als Baustein für das Portfolio des Versorgungswerks infrage zu kommen, müssen die strukturierten Produkte bestimmte Kriterien erfüllen. Beispielsweise darf es während der Laufzeit keine Negativverzinsung und keine Liefer- oder Abnahmeverpflichtungen geben. Darüber hinaus müssen die Derivate, die verwendet werden, die ­gleiche Kategorie wie der Bond haben. Zudem muss die Bilanzierung als einheitlicher Vermögensgegenstand gegeben sein. Letztendlich bleiben vier Kernprodukte, in die Echter und sein Team investieren können: Steepener, Kapitalmarkt- und Reverse-Floater sowie Volatility Bonds. Im Moment finden sich im Direktbestand der BVK allerdings nur drei dieser Produkte. Die Quote der Volatilitätsanleihen beträgt null Prozent. Als Grund nennt Echter: „Nach Lehman sind die Kurven relativ schnell steil geworden und die Volatilität ist durch die Decke geschossen. Damit waren Volatility Bonds unattraktiv. Das ist auch heute noch so. Denn die Zinsvolatilität hat sich im Vergleich zur Aktien­volatilität nicht auf ein Mean-Reversion-Niveau ermäßigt, sondern ist hoch geblieben.“   

Mit 58 Prozent machen die Steepener, die im Prinzip nichts anderes als ein Bond und eine Call-Option auf die Steilheit sind, den größten Teil des Zinsstrukturportfolios der BVK aus. Doch was macht ­diese Vehikel attraktiv? Die Kuponzahlungen sind an die Veränderung der Steilheit – die absolute Differenz zwischen zwei Zinssätzen – gekoppelt und unabhängig von der absoluten Höhe des aktuellen Zinsumfeldes. Wie Echter in seinem Workshop erklärte, besteht zwischen der Steilheit und dem Zinsniveau eine negative Korrelation. Zwischen dem Dreimonats-Euribor und der Steilheit aus zehn- und zweijährigen Swap-Sätzen, die typischerweise für Steepener verwendet werden, liege die Korrelation bei -0,77. „Das ist doch ein ideales Diversifika­tionselement“, so Echter. Eine Investition in Steilheitsanleihen lohnt sich allerdings nicht zu jedem Zeitpunkt. Die Forward-Kurve muss flach oder invers sein und die Spread-Volatilität niedrig. Gleichzeitig sollten der Emittenten-Spread und das allgemeine Zinsniveau hoch sein. Wichtig sei zudem, dass Banken überhaupt bereit sind, neue ­Positionen auf ihre Bücher zu nehmen. Angesichts dieser Voraussetzungen­ erscheint es nur logisch, wenn Echter feststellt: „Das momentane Niveau für Steepener sieht überhaupt nicht gut aus. Es ist absolut nicht daran zu denken, so etwas zu kaufen.“

_Perfekte Kaufbedingungen

Vor gut vier Jahren, als die BVK ihren ersten Steepener vom Land Sachsen-Anhalt mit einer Laufzeit von 20 Jahren ohne Cap kaufte, ­waren die Bedingungen deutlich besser. Die Kurve war flach und die Volatilität niedrig. „Die Steepener sind in einem perfekten Umfeld ­ab­geschlossen worden“, so Echter. In den ersten drei Jahren sollte die BVK für diese Steilheitsanleihe eine feste Verzinsung von 4,5 Prozent bekommen, danach einen variablen Kupon, der sich aus dem Leverage-Faktor und dem Spread des zehn- und zweijährigen Swaps ­ergibt. Der Leverage-Faktor des BVK-Steepeners beträgt 12,2, so dass der durchschnittliche Kupon bei 12,69 Prozent liegt. In diesem Jahr wird die Versorgungskammer für diese Steilheitsanleihe jedoch nur 8,2 Prozent bekommen. Und das hat seinen Grund: Im August 2009 entschied sich die BVK für eine Umstrukturierung des Steepeners. „Die Papiere hatten deutlich an Wert gewonnen, so dass es interessant war, sie zu restrukturieren, sprich, Gewinne mitzunehmen“, erklärte Echter. Die Phase der Kuponzahlungen, die bislang variabel waren, wurde teilweise in eine fixe Phase geswitcht. Im Detail heißt das: In den Jahren drei bis 13 erhält die BVK eine feste Verzinsung von 8,2 Prozent. Erst ab dem 14. Jahr wird der Kupon variabel. 

Neben den Steepenern besitzt die BVK auch Kapitalmarkt-Floater, die aktuell 34 Prozent des Zinsstrukturportfolios ausmachen. Diese Produkte sollen dem Versorgungswerk einen gewissen Schutz vor ­Inflation geben. „Das ist sicher nicht der Königsweg, aber die Lösung für uns inhouse“, so Echter. Staatsanleihen, die an die Inflation gekoppelt sind, kommen für die BVK indes nicht infrage. „Die Inflationsausgleichszahlung findet insbesondere am Laufzeitende über den ­Indexierungsfaktor statt. Wir brauchen aber hohe laufende Kupons“, erklärte Echter. Zudem hätten Kapitalmarkt-Floater eine höhere ­Verzinsung als Inflation Linker. Der jährliche Kupon ergibt sich aus dem jeweiligen zehn- oder 20-jährigen Swap-Satz mit entsprechendem Floor. Erst im Frühjahr 2011 war die BVK als Käufer solcher Produkte aktiv. Im Februar wurde von der spanischen Staatsbank ICO ein Kapitalmarkt-Floater gekauft, der mit einem Spread von 195 Basispunkten über dem Dreimonats-Euribor aufwartet. Bewusst nimmt die BVK das Spanien-Risiko in Kauf. „Wir wissen, dass der Euroraum in der Krise steckt. Aber wir glauben auch, dass dies in gewisser Weise ­eine Opportunität ist“, sagte Echter. Und weiter: „Wie glauben nicht an einen Haircut in Spanien.“ Im März kaufte die BVK schließlich einen Covered Bond von ABN Amro, der mit plus 60 Basispunkten über dem Dreimonats-Euribor liegt.   

Die maximal mögliche Quote an Zinsstrukturen hat die BVK mit ihren 8,7 Prozent noch lange nicht ausgeschöpft. Bis zu 30 Prozent des Rentendirektbestandes darf in einfach strukturierte Produkte investiert werden. „Es gibt keinerlei Zeitdruck, den Anteil innerhalb von sechs oder zwölf Monaten auf dieses Maximalniveau anzuheben. Wir sind ein langfristiger und konservativer Investor. Es gibt Phasen wie 2009, da haben wir keine einzige Zinsstruktur gemacht“, so Echter.  

_Kürzere Duration lässt die Volatilität sinken 

Den Diversifikationsgedanken hat die BVK aber nicht nur in ihren Rentendirektbestand getragen, sondern im gesamten Portfolio umgesetzt. Fester Bestandteil der Asset Allocation sind alternative Anlagen, wie Private Equity, Hedgefonds, Rohstoffe, Timber und Infrastruktur. Im Portfolio finden sich außerdem 1,5 Prozent High Yields. Die ­Quote soll noch weiter aufgestockt werden. Wie hilfreich Hochzinsanleihen in Phasen niedriger Zinsen sein können, zeigte Omar Saeed in seinem Workshop auf den portfolio Masters. Der Leiter der High-Yield-Sparte bei Swisscanto hält Hochzinsanleihen für attraktiv, weil sie beispielsweise nur gering mit US-Staatsanleihen korreliert sind. Der JPM Global HY Index weise gegenüber fünf- und zehnjährigen US-Treasuries eine negative Korrelation von 0,24 beziehungsweise 0,18 auf. „High Yield dient als Hedge gegen steigende Renditen bei US-Treasuries“, erklärte Saeed. Darüber hinaus spreche die Performance für Hochzinsanleihen. Laut Saeed haben High Yield Bonds während der vergangenen 25 Jahre gegenüber Investment-Grade-Anleihen eine Outperformance erzielt. Im Schnitt seien es 630 Basispunkte gewesen. Swisscanto managt im Bereich Hochzinsanleihen derzeit Assets von etwa 1,2 Milliarden Dollar. Davon entfallen 305 Millionen Dollar auf High-Yield-Fonds mit einer Duration von unter 2,5 Jahren. Für Saeed sind solche kurzlaufenden Hochzinsanleihen besonders interessant. Seines Erachtens bieten sie ein attraktives Rendite-Risiko-Profil. Auf der einen Seite falle die Rendite im Vergleich zu normalen High Yields zwar um 20 Prozent niedriger aus, gleichzeitig reduziere sich jedoch die Volatilität um 40 Prozent. Darüber hinaus sinke aufgrund der kürzeren Duration das Kreditrisiko und es reduziere sich der Einfluss von Zinsänderungen auf die Wertentwicklung. Vor dem Hintergrund von Solvency II, das Anlagen mit langen Laufzeiten ­bestraft, erscheinen Investments in Hochzinsanleihen mit kurzer ­Duration für Versicherungen durchaus als eine Alternative.  

_Der Ertrag bleibt auf der Strecke

Nicht nur Versicherungen sehen sich dank Solvency II mit neuen regulatorischen Herausforderungen konfrontiert. Gleiches gilt für die Bankenwelt. Angesichts zunehmender aufsichtsrechtlicher Limitierungen müssen  Banken ihre Steuerungssysteme optimieren und die strategische Ausrichtung überdenken. Diese Einschätzung vertrat Thomas Dinkela,  Leiter Controlling der Sparkasse Münsterland Ost, in einem Workshop. Mit einer Bilanzsumme von rund 8,2 Milliarden Euro und einem Depot A von 2,3 Milliarden Euro zählt das öffentlich-rechtliche Institut zu den größeren Adressen im Sparkassenlager. Zu Beginn seines Vortrags machte Dinkela deutlich, dass der Finanzsektor und mit ihm das öffentlich-rechtliche Lager mit einschneidenden Veränderungen konfrontiert ist: „Der Horizont für die Sparkasse wird enger.“ Er verwies auf die wachsenden regulatorischen Anforderungen, die sich aus den Mindestanforderungen an das Risikomanagement, den MaRisk, ergeben. Diese führten zu einer deutlichen Erhöhung der Anforderungen an die Systeme zur Risiko- und Ertragssteuerung. Wie Dinkela erläuterte, sind „die Risikosteuerungs- und Controllingprozesse in eine gemeinsame Ertrags- und Risikosteuerung einzubinden“. Vor diesem Hintergrund sprach sich der Sparkassen­experte dafür aus, bei der Ausgestaltung zeitgemäßer Risikosteuerungssysteme die wachsenden regulatorischen Anforderungen zu ­berücksichtigen. „Wir müssen ein entsprechendes Berichtssystem und eine Steuerung aufbauen und wir müssen uns überlegen, wie wir mit den Einschränkungen umgehen.“ Denn eins sei sicher, „wir werden eingeschränkt seitens der Aufsicht und seitens der Kennzahlen“. Er spielte dabei auf ein weiteres Regelwerk an, das die Bankenwelt und damit auch die Sparkasse Münsterland Ost vor große Heraus­forderungen stellt: Basel III.

Neben der geforderten Stärkung des Eigenkapitals sieht Dinkela  die Liquiditäts- und Verschuldungskennziffern, Liquidity Coverage Ratio (LCR) beziehungsweise Net Stable Funding Ratio (NSFR), als Belastung für sein Haus. Dinkela stellte die Frage in den Raum: Bleibt der Ertrag der Sparkasse auf der Strecke? Für ihn sei es ein Widerspruch, dass einerseits die Notwendigkeit zur Generierung adäquater Gewinne steigt, um Eigenkapital in ausreichendem Maße für Stabilität und Risikopuffer bereitzustellen, während die Institute auf der anderen Seite deutlichen Einschränkungen auf der Aktivseite unterworfen würden. So monierte Dinkela die zunehmende Einschränkung der Möglichkeiten, Zinsüberschüsse durch Ausnutzen der Chancen zur Fristentransformation zu generieren. Vergleiche mehrerer Institute im Sparkassenverband Westfalen-Lippe hätten gezeigt, dass die Sparkassen je nach Ausnutzung der Fristentransformation bis zu zehn Prozent des Zinsüberschusses einbüßen würden.

Wie Dinkela weiter erläuterte, verlangt die Aufsicht eine deutlich steigende Qualität des Eigenkapitals. Gleichzeitig würden jedoch die Anrechnungsmöglichkeiten eingeschränkt. Die Institute seien daher „verdammt zum Geldverdienen“. „Deshalb müssen wir“, fuhr Dinkela fort, „unsere Strategie überdenken und uns fragen, wie wir uns aufstellen. Wollen wir etwa im Kundengeschäft eine veränderte Produktstrategie fahren? Wollen wir unsere Zinsänderungsrisiko-Steuerung über Kassageschäfte ausbauen? Und wie gehen wir mit Pfandbriefen um?“ Auch müsse sich die Sparkasse die Frage stellen, welches Kreditgeschäft in Zukunft überhaupt noch infrage komme, um die Ertragsziele zu erreichen. Ebenso müsse die Positionierung im Eigen­geschäft hinterfragt werden. „Die Anforderungen an die Kreativität und die Ausrichtung einer Sparkasse im Eigengeschäft nehmen zu“, konstatierte Dinkela und sprach sich dafür aus, die aufsichtsrecht­lichen Limitierungen, die sich insbesondere aus Solvency II für Versicherer ergeben, umfassend zu bewerten. „Möglicherweise ergeben sich Ansatzpunkte für Neugeschäft“, hofft Dinkela, der sich und sein Haus vor der Aufgabe sieht, neue Produktstrategien zu initiieren.

Festzuhalten bleibt, dass Banken und Sparkassen auf die Limitierungen, die sich durch regulatorische Eingriffe ergeben, Antworten finden müssen. Das betrifft neben der Eigenanlage- auch die Refinanzierungs- und die Kundenkreditstrategie.

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