Traditionelle Anlagen
12. Mai 2014

Wider die Flaute am deutschen IPO-Markt

Mehr als zehn Jahre nach dem Niedergang des Neuen Marktes erwägt die Bundesregierung, ein neues Börsensegment für junge Firmen einzuführen. Kapitalmarktexperte und Dozent Peter Thilo Hasler zeigt sich den Plänen gegenüber skeptisch.

In Deutschland zieht es immer weniger Unternehmen auf das Börsenparkett. Die Deutschen Börse zählt im laufenden Turnus lediglich vier Börsengänge im regulierten Markt. Im vergangenen Jahr, man erinnere sich an die gute Performance der Standardwerte, kamen insgesamt lediglich neun Unternehmen in den für seine hohen Anforderungen bekannten Prime-Standard. Darunter der Siemens-Ableger Osram und der Spezialchemiekonzern Evonik Industries. Besonders schwer bei der Aufnahme von Eigenkapital tun sich hierzulande aber Start-up-Unternehmen. 
Schon der frühere Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler wollte ein Börsensegment schaffen, das diesen Missstand beseitigt. Ende April erklärte nun die Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke, dass ein neues attraktives Börsensegment („Markt 2.0“) für junge und innovative Wachstumsfirmen die Rahmenbedingungen für Wagniskapital verbessern und Deutschland für Investoren attraktiver machen solle. Mit dieser Maßnahme will die Bundesregierung verhindern, dass erfolgreiche deutsche Unternehmen den Gang an eine US-amerikanische Börse vorziehen. In den Vereinigten Staaten wurden mit dem „Jumpstart Our Business Startup Act 2012“ die Voraussetzungen dafür geschaffen, schnell wachsenden Unternehmen einen erleichterten Zugang zum Kapitalmarkt zu verschaffen. 
Peter Thilo Hasler, Gründer und Analyst von Sphene Capital und stellvertretender Vorsitzender des DVFA-Arbeitskreises Small Caps, hinterfragt in einem Beitrag für den Blog der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA), ob der geplante Markt 2.0 eine Lösung ist. „Es ist eine Tatsache, dass die Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen seit Jahren rückläufig ist“, erläutert Hasler und betont, dass die „IPO-Maschine“ in Deutschland stottert, während in anderen Ländern bereits wieder eine steigende Anzahl von Börsengängen zu verzeichnen ist. „Hierzulande gelingt ein Börsengang – wenn überhaupt – allenfalls Large Caps“, so Hasler mit Blick auf Abspaltungen wie bei Osram oder über Privatplatzierungen wie bei Evonik. Daher stelle sich die Frage, ob der Kapitalmarkt Börsengänge kleinerer Technologieunternehmen überhaupt absorbieren könne. „Derzeit ist dies definitiv nicht der Fall“, lautet das Zwischenfazit des Kapitalmarktexperten, der sich nach seiner überraschenden Abberufung als Vorstand bei der Münchner Corporate-Finance-Beratung Blättchen & Partner im Dezember 2013 nun auf seine eigene, 2010 gegründete Investor-Relations-Dienstleistungs-Firma konzentriert. 
Hasler zufolge stehen kleine und innovative Wachstumsunternehmen bei den führenden deutschen Kreditinstituten nicht mehr im Fokus des Interesses. „Geschäftsbanken mögen Mittelstandsoffensiven predigen, doch die Realität zeigt ein differenzierteres Bild“, umschreibt der Analyst seine Beobachtungen. Die Schwelle, ab der sich Equity-Capital-Markets-Abteilungen mit Börsenkandidaten beschäftigten, sei in den vergangenen Jahren so weit angehoben worden, dass Unternehmen, die nicht mindestens für das Nebenwertesegment S-Dax infrage kämen, in der Regel als „nicht kapitalmarktfähig“ abgewiesen würden. Infolgedessen würden Small Caps weder vom Equity Research noch vom Institutional Sales professionell betreut, moniert Hasler. 
Gleiches gelte auch für den stark wachsenden Markt für Mittelstandsanleihen, den die großen Geschäftsbanken bislang vollständig den kleineren Wertpapierhandelsbanken überlassen hätten. „Wenn aber aus geschäftspolitischem Interesse keine Beziehungen zu den Emittenten gewünscht sind, können auch keine zu den typischen Small-Cap-Investoren aufgebaut werden, so Hasler mit Blick auf Vermögensverwalter, Family Offices und vermögende Privatkunden. Daher müsse es nicht verwundern, wenn Börsengänge dieser Asset-Klasse Mangelware sind. Hasler kommt zu der Erkenntnis, dass ein Börsengang schon allein unter Losgrößenaspekten für kleinere Unternehmen wesentlich teurer sei als für große Gesellschaften. Daran werde auch ein „Markt 2.0“ nichts ändern, so das Fazit Haslers, der seinerseits jedoch keinen Vorschlag unterbreitet, wie die verfahrene Situation gelöst werden kann. 
portfolio institutionell newsflash 12.05.2014/Tobias Bürger
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