Schwarzer Schwan
18. Februar 2016

Wie gewonnen, so zerronnen

Geld stinkt nicht, oder doch? Eine kleine Gemeinde in Sachsen-Anhalt wehrt sich gegen die Überweisung einer dreistelligen Millionensumme der Deutschen Bank.

Was haben der US-Rapper Kanye West und Sachsen-Anhalt gemeinsam? Sie sitzen allesamt auf Schuldenbergen. Bei dem luxusverliebten Rapper sollen es angeblich 47 Millionen Euro sein. Und in Sachsen-Anhalt sind es über 20 Milliarden Euro. Nächste Frage: Was haben Eichhörnchen mit dem Finanzminister von Sachsen-Anhalt gemeinsam? Nun, sie ernähren sich mühsam. Jens Bullerjahn versucht, den Schuldenberg sukzessive zu schrumpfen. Was bleibt ihm auch anderes übrig. Sachsen-Anhalt ist schließlich nicht gerade dafür bekannt, Hort dynamisch wachsender Unternehmen zu sein, die das Staatssäckel füllen. Im vergangenen Jahr tilgte er erstmals eine Summe im dreistelligen Millionenbereich. Immerhin etwas! In Sachsen-Anhalts Kommunen sieht es – wenn wundert’s – kaum besser aus. Jede zweite Gemeinde hat keinen ausgeglichenen Haushalt. Eine von ihnen könnte sich nun aber auf einen Schlag schuldenfrei machen, schreckt davor jedoch zurück. Denn der herannahende Geldregen könnte, so paradox es klingt, die Stadtkasse aushöhlen.
Es geht um die Gemeinde Lützen – eine kleine Stadt mit 9.000 Einwohnern im Burgenlandkreis –, der 129 Millionen Euro von der Deutschen Bank zustehen. Wobei: „Zustehen“ und „behalten dürfen“ sind zwei verschiedene Paar Schuhe, vor allem dann wenn eine Großbank und komplizierte Umlageverfahren für Gemeinden ins Spiel kommen. Wie die Mitteldeutsche Zeitung kürzlich berichtete, hat das zuständige Finanzamt Naumburg entschieden, dass ein Tochterunternehmen der Großbank Gewerbesteuer in dieser Höhe aus den Jahren 2011 bis 2013 nachzahlen muss. Zu jener Zeit führte noch Josef Ackermann das Ruder bei den „Blauen“ in Frankfurt. Bei dem Tochterunternehmen im fernen Sachsen-Anhalt wiederum handelt es sich um die Benefit Trust GmbH, die vor Ort einen Teil der Altersvorsorgeverpflichtungen der Bank verwaltet.
Timeo Deutsche et dona ferentes
Der Bürgermeister der Gemeinde, Dirk Könnecke, sollte angesichts dieses Geldregens eigentlich Luftsprünge machen, schließlich würde dies Lützen und den gesamten Burgenlandkreis auf einen Schlag entschulden. Doch das tut er nicht. Geht es Könnecke wie den in der „Heute Show“ interviewten Amigos eines kolumbianischen Drogenkartells, die bei der Frage nach Geschäftsbeziehungen mit der Deutschen Bank panikartig wegen der unseriösen Geschäftspraktiken des Finanzinstituts die Flucht ergreifen? Nein, aber Könnecke hegt bei der Deutschen Bank – natürlich – juristische Vorbehalte, wie er im N-TV-Interview erläutert: „Weil die Deutsche Bank der Meinung ist, das Geld nicht zahlen zu müssen. Wenn sie sich in einem Rechtsstreit durchsetzt, müssen wir die 129 Millionen Euro plus Zinsen zurückzahlen. (…) Dann ist die Gemeinde am Ende. Das wäre der wirtschaftliche Bankrott.“ Das Problem: Sollte Lützen die Steuernachzahlung der Deutschbanker erhalten, müsste sie einerseits eine Kreisumlage von rund 78 Millionen Euro und andererseits eine Gewerbesteuerumlage von etwa 20 Millionen Euro an den Bund zahlen. Um in der Sprache der Buchhalter zu sprechen: Der Großteil der Steuereinnahmen würde sich als durchlaufender Posten entpuppen. „Die Kreisumlage würden wir zwar wiederbekommen, sollte die Deutsche Bank den Rechtsstreit gewinnen. Die Gewerbesteuerumlage an den Bund aber nicht“, erläutert Könnecke das Danaergeschenk.
Wir haben mal nachgerechnet: Kassieren die Lützener die Kohle, bleiben nach Abzug aller Umlagen runde 31 Millionen Euro hängen. Sollte das Bankhaus dagegen am Ende Recht bekommen, gehen der Ortschaft satte 20 Millionen Euro plus Zinsen flöten. Da leuchtet es ein, dass die Gemeinde vorerst auf die Überweisung der 129 Millionen Euro lieber verzichten will. „Wir suchen einen Weg, damit das Geld zunächst nicht in Lützen ankommt“, erklärt Könnecke im N-TV-Interview, die verzwickte Situation. Er will den Ausgang des Rechtsstreits abwarten. Mut machen sollte ihm an dieser Stelle: Die Deutsche Bank hat zwar viel Erfahrung mit Rechtsstreitigkeiten. Doch der Ärger mit der Justiz kostete die Großbank vor allem Geld. Allein im Jahr 2015 wurden dafür rund 5,2 Milliarden Euro zurückgestellt.
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein Wochenende, bei dem die Sonne vom Deutsche-Bank-blauen Himmel lacht.

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