Schwarzer Schwan
24. November 2017

Finanzbranche nutzt allen

Der gesellschaftliche Nutzen der Finanzbranche wird geringgeschätzt – zu Unrecht. Von der Finanzbranche lernen heißt siegen lernen.

Investmentbanking war auch schon einmal einfacher. Um fette Provisionen einzustreichen reichte es früher noch, First Class um die Welt zu jetten, ein paar betuchten Kunden hübsche Powerpoint-Präsentationen vorzuführen, Deals einzufädeln und etwas später als Sanierungsberater aufzupoppen. Den Deal kannte man ja noch gut von früher.
Heute ist die Welt auch für die einstigen Masters of the Universe komplexer geworden. Mehr und mehr ist Flexibilität gefragt – und wird „delivered“. Gekonnt präsentierten im September 2008 Lehman-Brothers-Mitarbeiter beladen mit Kartons und Büropflanzen in den Straßen New Yorks ihr Geschick als Umzugshelfer. Mindestens ebenso gekonnt präsentierte Lenny Fischer, Deutschlands ehemals jüngster Bankvorstand, nun als frischgebackener Buchautor sein Werk „Es waren einmal Banker“ der Weltöffentlichkeit in Frankfurt. Zudem lässt er sich nun auch auf die Kapitalanlage von – „iiih“ – Retail-Kunden herab.
In der Schweiz erfreut ein Job Enrichment der besonderen Art derzeit 17.000 Banker der Credit Suisse: Einer Reportage von Inside Paradeplatz zufolge beschäftigen sich diese mit Virtueller Realität. Diesmal prognostizieren und berechnen aber nicht Analysten zur Geschäftsanbahnung in ellenlangen Broschüren milliardenschwere Gewinne im Jahr 2030. Nein, die Division Schweiz der CS bastelt aus Karton Halter für Handys, die zuvor mit einer speziellen App aufgerüstet wurden. Der Karton kann dann als VR-Brille auf die Nase gesetzt werden. Der Nutzer soll dann in die Zukunft des Banking blicken können. Die Bastel-Übung hält die Banker auf Trab. „Alle sind seit Tagen mit der Brille beschäftigt“, sagte ein Gesprächspartner Inside Paradeplatz. Leider nur berichtet das Portal: „Die Brille mit dem eingesteckten Handy sei aber ‚unbrauchbar‘. Die Hoffnung, dass man damit magisch in eine dreidimensionale virtuelle Welt eintauchen könne, würde enttäuscht.“ Na, ja. Hauptsache, die Jungs sind von der Straße weg.
Hoher gesellschaftlicher Nutzen
Die im Raum schwebende Frage ist die nach dem gesellschaftlichen Nutzen. Den hat die Finanzbranche aber durchaus. Für die obersten Zehntausend wurden viele Modelle zur Steueroptimierung entwickelt. High-Frequency-Trading, bei dem Börsenhändler mit großen Auftragspaketen Käufe oder Verkäufe vortäuschen, um die Gegenseite auf den falschen Fuß zu stellen, macht nun auch die Werbeindustrie für sich nützlich. Wie die FAZ berichtet, zahlten Werbekunden bis zu 1,3 Millionen Euro pro Tag umsonst für digitale Werbung, da ihre Banner lediglich von tausenden gefälschten Internetadressen angeklickt wurden.
Quantitatives Management, Künstliche Intelligenz, Big Data und Impact Investments in einem nutzt nun beispielsweise auch die chinesische Regierung. Generalsekretär Xi Jinping plant laut FAZ mit einem „Sozialkreditpunktesystem“ die Einwohner seiner Volksrepublik zu überwachen und ihr Bürger-Portfolio über entsprechende Impacts und Gewichtungen zu optimieren. Bürger, die allein in großen Wohnungen leben, ein dickes Auto fahren oder nicht „freiwillig“ beim Baumpflanzen helfen, bekommen Minuspunkte, ihre Wünsche werden also bei der Vergabe von Schul- und Arbeitsplätzen entsprechend untergewichtet. Parteikonformes Verhalten wird mit Pluspunkten belohnt. Die Daten sollen unter anderem von Alibaba stammen. Wie die Zeitung schreibt, wollen Partei und Regierung mit dem „Sozialen Bonitätssystem“ eine zentrale Datenbank errichten, in der mithilfe von Big Data und Künstlicher Intelligenz sämtliches Verhalten von Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen erfasst und bewertet werden soll. Dabei pflegt die Partei Transparenz: In einer Provinz ist der Punktestand jedes Bürgers für jeden Internetnutzer auf einer Regierungswebsite einsehbar.    
Die Redaktion von portfolio institutionell wünscht Ihnen ein schönes Wochenende.
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