Pension Management
20. Dezember 2017

Mit Muscheln zu mehr Rendite

Unkonventionelle Assets im Portfolio, Jahrzehnte an Erfahrung, weltweites Ansehen. Und dennoch können und wollen die kapitalstarken Pensionseinrichtungen Kanadas den Herausforderungen ihrer Zunft nur gemeinsam begegnen.

Die Komplexität, mit der institutionelle Investoren heute konfrontiert werden, nimmt fasst schon grenzwertige Züge an. Und der Spaß kommt viel zu kurz. Denken Sie doch nur an die Suche nach auskömmlichen Renditen in Zeiten von Nullzinsen. Dort, wo noch vor einer Dekade Bundeswertpapiere gut genug waren, um den Rechnungszins spielend zu übertreffen, hat in der Zwischenzeit ein wahrer Run auf eine zunehmend diffuse Kapitalanlagestruktur eingesetzt. Die Entwicklung wird von einer Flut an Fragen begleitet: Was passt in mein Portfolio? Wie gehe ich mit der steigenden Lebenserwartung meiner Schützlinge um? Und: Sollte ich in Muscheln investieren?
In Kanada haben sich nun mehrere der ganz großen Kapitalsammelstellen des Landes zusammengefunden, um kritische Fragen wie diese in einer Art Denkfabrik zu erörtern. Eigens dafür haben sie das sogenannte National Pension Hub (NPH) ins Leben gerufen, wie der Branchendienst „Top1000Funds.com“ berichtet. Mit Hilfe der darin gebündelten Forschungsanstrengungen wollen Großanleger wie der Ontario Teachers’ Pension Plan, das Ontario Municipal Employees Retirement System und der Canada Pension Plan Investment Board (CPPIB) innovative Lösungen für Probleme von Pensionseinrichtungen finden. Und um nicht im eigenen Saft zu schmoren oder im Elfenbeinturm zu darben, haben sich die über Landesgrenzen hinaus bekannten Kapitalsammelstellen professionelle Unterstützer an Bord geholt.
Mit von der Partie beim National Pension Hub sind insgesamt 15 Akteure, darunter die Berater McKinsey & Co, Mercer sowie KPMG. Abgerundet wird das ambitionierte Forscherteam von Dienstleistern wie der Alberta Investment Management Corporation, kurz: Aimco oder der British Columbia Investment Management Corpo­ration – allesamt erfahrene und viele Milliarden Dollar verwaltende Marktteilnehmer, die nun gemeinsam nach innovativen Lösungen für die Probleme der Anlegerschaft suchen. Der Ausgangspunkt sieht so aus: Die Mitglieder des NPH können sich im gesamten Forschungsprozess einbringen und nun beispielsweise Themen in den Ring werfen, die sie brennend interessieren und ebenso akademisch wie praxisnah ergründet werden sollen. Die Mitgliedschaft in dem Forschungsvorhaben schließt aber auch den Zugang zu den Research-Ergebnissen bis hin zu deren praktischer Anwendung ein.
Gebündeltes Wissen soll Mehrwert schaffen
Wollte man nach Parallelen in Deutschland suchen, könnte man hierzulande beispielsweise das Center for Financial Research an der Universität zu Köln nennen. Dort betreibt man unabhängige, anwendungsorientierte Spitzenforschung im Finanzbereich. Talentierte ­Studierende und Nachwuchswissenschaftler werden in die Forschung eingebunden, um ihnen so bei Eignung und Interesse den Einstieg in die internationale Forschung zu erleichtern, heißt es beim CFR. Auch wenn der Vergleich mit dem Forschungs-Hub der kanadischen Pensionsfondsgiganten ein wenig hinken mag: Beim CFR in Köln tummeln sich namhafte Fördermitglieder. Allen voran die deutsche Bundesbank, die Talanx und die zweitgrößte deutsche – in Köln ansässige – Sparkasse. Der Anspruch des geschäftsführenden Direktors des CFR, Professor Dr. Alexander Kempf, besteht darin „Spitzenforschung zur Lösung praktisch relevanter Fragestellungen“ zu betreiben. Der Wissenschaftler konzentriert sich bei der Forschung übrigens auf Investment- und Hedgefonds sowie auf Liquiditäts- und Schätzrisiken. Mit diesem Themenmix würde er in Kanada sicher auf offene Ohren stoßen.
Fördern und Wissen schaffen, das hat sich auch der Club of Finance auf die Fahnen geschrieben: Der eingetragene Verein (e.V.) bietet Experten der Finanzdienstleitungsindustrie eine vertrauensvolle Gesprächs- und Diskussionsplattform, in der der Wissensaustausch aus unterschiedlichen Segmenten der Finanzdienstleistungsindustrie im Vordergrund stehen soll. Die Mitglieder des Club of Finance einigt der Wille, „durch gezielte ­Fördermaßnahmen von Organisationen und Individuen die Leistungsfähigkeit der Finanzmarktforschung zu stärken und auf diese Weise allgemein zugängliches Finanzmarktwissen zu schaffen.“
Vorstandsvorsitzender des Club of Finance ist Dr. Hans Wilhelm Korfmacher, Geschäftsführer des Versorgungswerks der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer in Nordrhein-Westfalen (WPV). Die Kapitalanlagen des WPV mit Sitz in Düsseldorf summierten sich per Ende September 2017 auf einen Buchwert von 3,172 Milliarden Euro. Die Kennziffer hat sich seit 2006 fast vervierfacht. Aber auch wenn große Versicherungskonzerne im Club of Finance Anlagethemen diskutieren: Jenseits des Atlantiks hat man es mit ganz anderen Summen zu tun. Aber das wäre ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen.
Herausforderungen erörtern, Lösungen finden
Zurück nach Nordamerika: Das Netzwerk der kanadischen Investoren unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von den Kooperationen seiner deutschen Kollegen. Ein Aspekt ist die schiere monetäre Größe: Der Ontario Teachers‘ Pension Plan mit Sitz in Toronto bringt es jüngsten Zahlen zufolge auf Assets von rund 180 Milliarden Kanadischen Dollar, das sind rund 118 Milliarden Euro. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal der Player jenseits des Atlantischen Ozeans ist deren Freigeist in der Kapitalanlage, der über Jahrzehnte gewachsen ist und intern mit der erforderlichen Kompetenz unterfüttert wird. Das Portfolio des Ontario Teachers‘ Pension Plan ist breit diversifiziert, runde 80 Prozent der Assets werden unter Ausschluss ­externer Manager verwaltet. Neuerdings investiert man sogar in Aquakulturen, genauer gesagt in die Firma Atlantic Aqua Farms, den größten ­Züchter lebender Muscheln in Nordamerika.
Fragen, bitte!
Mit diesem ambitionierten Ansatz fahren sie in Toronto in der Erfolgsspur: Die auf das Jahr hochgerechnete Rendite beträgt seit der Gründung des Pensionsplans 1990 sage und schreibe 10,1 Prozent. Und dennoch sucht man unter seinesgleichen nach Rat und Unterstützung, wie das Forschungsvorhaben des NPH belegt. Unterstützung erfahren die Netzwerker durch das Global Risk Institute (GRI). Ihm kommt unter anderem die Aufgabe zu, Akademiker und Praktiker zu vernetzen, Meilensteine für die Forschungsarbeit zu setzen und aus dem Research Wert zu ziehen. Der Startschuss ist gefallen. Im November 2017 fand das erste Treffen der Mitglieder statt. Nach einer ersten Konsultation werden die gesammelten Aufgaben nun sortiert und nach Wichtigkeit eingestuft. Erste Projekte sollen im ersten Quartal 2018 initiiert werden.
Nach Angaben von Barbara Zvan, sie leitet den NPH und ist im Hauptberuf Risikochefin bei den „Lehrern Ontarios“, sollen Fragen erörtert werden, die unmittelbar mit dem Investieren institutioneller Gelder im Zusammenhang stehen. Aber auch Fragen guter Unternehmensführung, Facetten der Gestaltung von Pensionsplänen und der allgegenwärtigen Regulierung will man sich widmen. Auf den Punkt gebracht geht es um Aspekte der Portfoliokonstruktion, Risiken in Privatmarktanlagen, Liquiditätsrisiken und Leverage. Nach Angaben Zvans will man beispielsweise auch das Ausgabenverhalten von Ruheständlern besser verstehen. „Wir streben Research an, das uns zu Lösungen führen kann“, sagte Zvan.
Kinder wachsen schnell
Noch steckt das Vorhaben in den Kinderschuhen. Gut möglich, dass daraus bald aufstrebende Vorhaben sprudeln. Man kann wohl davon ­ausgehen, dass es einerseits eine Vielzahl von Untersuchungen geben wird, Papier ist bekanntlich geduldig. Und dennoch ist mit interessanten Forschungsergebnissen zu rechnen. „Wenn man sich vor Augen führt, wie man Kapitalanlagen in einem Pensionsfonds mit einem sehr langen Anlagehorizont strukturieren kann, ist mit mehr als einem Research-Papier zu rechnen“, mutmaßt Barbara Zvan, die bereits angekündigt hat, einen Teil der Ergebnisse auf für Nicht-Mitglieder zugänglich zu machen. Die deutschen Kollegen und alle anderen im Rest der Welt dürfen gespannt sein.
portfolio institutionell, Ausgabe 12/2017 
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