13. Februar 2017

Zur Rolle des Staates

Der Staat hat verschiedene Rollen. Er muss Investoren Regeln setzen und im Fall der Fälle Retter der Anspruchsberechtigten sein. Vor allem­ muss der Staat aber für Verlässlichkeit sorgen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es auch in Deutschland schon zu nachträglichen Änderungen gekommen ist.

Timing ist nicht nur für Investoren eine schwierige Übung, sondern auch für den Regulierer. Nachdem die Aktienquote von Lebensver­sicherungen im Jahr 2000 auf über 25 (in Worten: fünfundzwanzig) Prozent angestiegen war, gab die Aufsicht dem Drängen ihrer Schutzbefohlenen nach und erhöhte 2002 in der Anlageverordnung die ­Risikokapitalquote von 30 auf 35 Prozent. Damals waren Lebensver­sicherer offensichtlich optimistisch, Nettoverzinsungen von über sieben Prozent ausweisen zu können. Das Ende ist bekannt. Die Mannheimer Leben musste von Protektor aufgefangen werden und einige andere Versicherungen leiden heute noch an ihrem Aktien­abenteuer. Seit damals tut sich die Bafin mit Quotenerhöhungen schwer.

Im Nachhinein wäre eine antizyklische Kürzung der Risikokapitalquote die weisere Entscheidung gewesen. Darum jedoch einer staat­lichen Einrichtung die Existenzberechtigung als Regulator und Aufsicht abzusprechen und zu fordern, besser die freien Marktkräfte walten­ zu lassen, wäre falsch. Schließlich halten laut dem Gesamt­verband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) Lebensver­sicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds Ende 2015 91 Millionen Verträge, in denen die Ersparnisse von Schutz verdienenden Endkunden verwaltet werden. „Lebens­versicherungen brauchen Aufsicht. Schließlich haben wir einen sozialpolitischen Auftrag“, ­sagte auch der Vorstandsvorsitzende des Alte-Leipziger-Hallesche-Konzerns, Dr. Walter Botermann, auf einer Veranstaltung von Faros ­Consulting Ende 2016. Vater Staat hat also das Recht – oder sogar die Pflicht – sich einzumischen.
Man kann bezüglich der staatlichen Fürsorgepflicht aber auch ganz pragmatisch argumentieren: Entweder setzt der Staat heute den richtigen Rahmen für die Altersvorsorge oder er muss sich morgen um die Altersarmut-Problematik kümmern. Bleibt es beim jetzigen Rahmen, wird der Staat in den kommenden Jahren auf einem anderen Weg seiner Fürsorgepflicht nachkommen müssen. „Dann wird dem Staat das Problem auf die Füße fallen, wenn Versorgungsträger Schwierigkeiten mit der Erfüllung der Zinsansprüche bekommen, und die Arbeitgeber, also auch der Staat, speziell bei kommunalen Versorgungsträgern einspringen müssen“, erwartet Marcus Burkert, Geschäftsführer bei Feri.

Zu wenig Risiko ist ein Risiko

Das wird der Staat jedoch auch müssen, wenn er an den bestehenden Quoten festhält. Denn die in der Anlageverordnung aufgeführten Quoten erschweren mehr und mehr das Erreichen der seit der Jahrtausendwende bereits stark geschrumpften Renditeziele. Statt die ­Risiken im Zaum zu halten, wäre heute eine Erhöhung erfolgversprechender – auch weil Aktienbewertungen vergleichsweise gemäßigt ausfallen. „Die Direktbestände sind von einst 50 bis 70 auf heute 30 bis 40 Prozent gesunken. Wie stark kann dieser Bestand abschmelzen, ohne dann gegen die Anlageverordnung zu stoßen?“, formuliert Marcus Burkert eine eher rhetorische Frage. Der Veränderungsdruck steigt mit jedem Monat, in dem der einst risikolose Zins ein zinsloses Risiko darstellt.
Ins Bild passt, dass sich die Überlegungen zur ­Nutzung der Öffnungsklauseln der Anlageverordnung mehren. Grundsätzlich birgt es Risiken, auf renditeträchtigere Zinsträger auszuweichen: Seit „Kärnten“ beziehungsweise der dort erfolgten Abwicklung der Hypo Alpe Adria misstraue man Nachrängen, seit der Finanzkrise Verbriefungen und seit der ein oder anderen Kündigung Bankanleihen mit Callable-Option. Manche Kapitalsammelstellen ­haben ihre Aktienquote erhöht, stoßen aber nun aufgrund der ebenfalls getätigten Investments in High Yields, Schwellenländeranleihen und Private Equity an die Risikokapitalquote von 35 Prozent. Burkert merkt an: „Man versucht auszureizen, was erlaubt ist. Es reicht aber nicht mehr. Der jetzige Rahmen passt nicht mehr zur Zinslandschaft. Darum ist es eine gute Überlegung, die jetzigen Grenzen der Anlageverordnung flexibler zu gestalten.“

Nicht nur für den Feri-Berater stellt sich die große Frage: „Braucht die Kapitalanlage mehr Flexibilität?“ Der entscheidende Antwortgeber ist Vater Staat. Dem muss jedoch unterstellt werden, von möglichst günstigen Finanzierungskonditionen profitieren zu wollen. „Der Staat zwingt, risikolos anzulegen, womit kümmerliche Zinsen erwirtschaftet werden. Versorgungswerke können ihrer Versorgungsleistung nicht mehr uneingeschränkt nachkommen“, so die Sicht von Burkert. Andererseits: Alle Risikoschleusen zu öffnen, kann auch nicht im ­Sinne des Staates sein. „Der Staat hat auch eine Fürsorgepflicht ­gegenüber den Versicherten. Ein bestimmter Rahmen – wenn auch nicht der jetzige – sollte also vorgegeben sein.“

Entweder heute Regulierer oder morgen Retter

Der Aufseher müsste es auch nicht bei einem erweiterten Rahmen ­belassen, sondern könnte diesen mit dem Prudent-Person-Principle-­Element aus Solvency II kombinieren. „Die für die Kapitalanlage ­Verantwortlichen würden mit größeren Freiheitsgraden gewissenhaft umgehen“, erwartet Burkert. Die Eigenkapitalregeln von Solvency II sind jedoch gerade bei Altersvorsorgeeinrichtungen mit umlage­finanzierten Elementen, die über kein bilanzielles Eigenkapital ver­fügen, ungeeignet.

Ihre fürsorgliche Ader zum Vorschein kommen zu lassen, dürfte derzeit zum Beispiel auch bei der Automobilindustrie angebracht sein. Die deutschen Automobilhersteller, die laut dem Bundesministerium für Wirtschaft mit einem Umsatz von über 400 Milliarden Euro und einer Mitarbeiteranzahl von knapp 800.000 Personen die größte Branche des verarbeitenden Gewerbes stellen, zeigten sich in der Vergangenheit in Sachen Elektromotor wenig ambitioniert.
Durch neue Elektrifizierungsvorschriften in China droht aber der wichtigste ­Absatzmarkt verloren zu gehen. Zudem tauchen nun erstmals ­Wett­bewerber mit überaus großer Finanzkraft außerhalb des Automobilsektors auf. Wie bei der damaligen Einführung des Katalysators könnte­ der Staat eine wenig einsichtige Branche nun mit Quotenvorgaben zu Elektromotoren zu ihrem Glück zwingen. Gleichwohl muss der Staat so oder so eingreifen: Entweder jetzt als Regulierer oder später als Retter­ der Autoindustrie, befürchtet „Die Zeit“ – und greift damit­ den Burkertschen Gedanken zur Zukunft von Altersvorsorge­einrichtungen auf.

Die Rettung der Commerzbank oder der …

Retter zu sein, wäre für den Staat auch keine neue Rolle: Am Finanzplatz Frankfurt wundern sich heute noch einige, dass in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde, dass der Staat in den Wirren der Finanzkrise eigentlich nicht die Commerzbank, sondern die deutschen Versicherungskunden retten wollte. Rückblick: Damals stand die zwischen Allianz und Commerzbank vereinbarte Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank auf der Kippe, als die Bank einen Antrag auf Stabilisierungsmaßnahmen stellte. Der Staat half etwas­ nach, so dass die Allianz die Dresdner Bank loswerden konnte. Bezüglich der Anfrage der Grünen im Herbst 2010 an die Bundes­regierung (Drucksache 17/2964) zu „Ursachen und Hintergründe staatlicher Stützungen sowie Perspektiven“ bei der Commerzbank verwies die Bundes­regierung zwar an mehreren Stellen auf die Entscheidungen der Organe der Commerzbank und der Allianz.
Gleichwohl gab die Regierung zu Protokoll, dass eine im Raum stehende Rückabwicklung des Dresdner-Deals rechtlich nicht begründet war und man auch davon ausgehen müsse, „dass ein Scheitern des Prozesses zur Destabilisierung wesentlicher Marktteilnehmer und damit der Finanzmarktstabilität insgesamt mit unabsehbaren Folgen für die Realwirtschaft ­beigetragen hätte“. Außerdem sei es um nichts weniger gegangen, „als den Zusammenbruch des deutschen Finanz­systems abzuwenden. Diese Überlegungen standen auch bei der Gewährung­ der ­Stabilisierungsmaßnahmen zugunsten der Commerzbank AG im Vordergrund“. Also erhöhte der Staat seine Kapitalhilfen für die Commerzbank mit Mitteln aus dem Banken-Rettungsfonds um zehn auf mehr als 18 Milliarden Euro und beteiligte sich dadurch­ mit etwa 25 Prozent an der Bank. Dadurch gelang nicht nur die ­Coba-Rettung, sondern auch die des Dresdner-Deals. Dass die ­Allianz in die Gespräche um die Commerzbank-Stabilisierung eingebunden war, dürfte neben einem finanziellen Beitrag der Versicherung auch dazu beigetragen haben, diesen ­Lösungsweg zu ebnen.

Damit war der Versicherungssektor aus dem Schneider. Der Alteigentümer Allianz hätte eine Rückabwicklung wohl verkraften können, schrieb damals die Wirtschaftswoche. „Doch bestand die Gefahr, dass sich damit die gesamte deutsche Versicherungsbranche mit dem ­Finanzkrisenbazillus infiziert hätte. Das wollte Berlin verhindern“, textete das Magazin. Dass Berlin Versicherungen beziehungsweise die Versicherten am Herzen liegen, zeigte sich auch bei der Stützung der Hypo Real Estate. Die unbesicherten Verbindlichkeiten der Münchner Bank gegenüber Versicherern und Pensionskassen lagen laut der Wochenzeitung „Die Zeit“ bei rund zehn Milliarden Euro. Heftige Abschreiber wären ohne den staatlichen Eingriff bei dem ein oder anderen VAG-Anleger wohl nötig gewesen. Das wäre auch für Berlin schlimm gewesen, konstatiert „Die Zeit“: „Ein deutscher Lebensver­sicherer vor dem Kollaps – das wäre für die Regierung ein echtes ­Horrorszenario.“

Vertrauens- und Bestandsschutz

Zur Vermeidung solcher ordnungspolitisch kritischen Rettungsmaßnahmen hilft es, als Regulierer die richtigen Spielregeln zu setzen. Auf diese müssen sich die Beaufsichtigten aber auch verlassen ­können. Ansonsten drohen Investitionsstopps zulasten der Anspruchsberechtigten, aber auch der Staaten selbst. Der Staat kann ­gegenüber seinen Schutzbefohlenen viele Forderungen erheben, doch die Versicherungen und Altersvorsorgeeinrichtungen haben auch ­eine Forderung an den Staat: Planungssicherheit, aber stärker noch Vertrauensschutz, dass keine nachträglichen Eingriffe erfolgen.

Nachträgliche Eingriffe in den Bestandsschutz kennt man vor allem aus dem Ausland. In einem extremen Fall erklärte vor kurzem die ­indische Regierung alle Geldscheine mit einem Wert größer als 100 Rupien für null und nichtig. Über Nacht schrumpften damit bis zu ­einem kurzfristigen Termin Wertpapiere auf ihren Papierwert. Dass es aber auch in Europa Eingriffe in den Bestandsschutz geben kann, ist vielen deutschen Anlegern aus Investments in Erneuerbare ­Energien leidlich bekannt, seitdem der spanische Gesetzgeber nachträglich seine Vergütungsversprechungen kassierte. Seit damals ­begleitet Misstrauen jede Investmentopportunität in ganz Südeuropa, und damit eine Region, die besonders auf Investorengelder ange­wiesen ist.

Die Schlussfolgerung, dass Mitteleuropa sicher ist, erwies sich aber auch als falsch. Siehe Hypo Alpe Adria/Heta: Hier sind Rückzahlungsversprechen gegenüber den Gläubigern von der Republik Österreich und dem Bundesland Kärnten gebrochen worden. Obwohl sich die Heta nach jahrelangem Streit bereit erklärte, ihren Gläubigern 90 Prozent der ausstehenden Milliardenschulden zurückzuzahlen, sei es „unverändert frustrierend, wenn aus einem mitteleuropäischen Land die Schulden nicht zur Gänze beglichen werden“, so Andreas Arndt, Vorstandsvorsitzender der Pfandbriefbank. Friedrich Munsberg, Vorstandsvorsitzender der deutschen Dexia Kommunalbank, die 400 Millionen Euro in Heta-Anleihen investiert hat, sagte im Februar 2016 der in Österreich erscheinenden „Die Presse“, dass man die Heta-­Papiere niemals gekauft hätte, wenn es nicht die Haftung Kärntens dafür gegeben hätte.
Und er bemühte gleich höhere Mächte: „Wir wollen­ nicht einem Unrecht die Hand reichen. Wenn es Schule macht, dass ein Staat einfach ein Gesetz macht, durch das langjährige, treue ­Investoren geschnitten werden, dann gnade uns Gott.“ Als vertrauens­bildende Maßnahme kann Heta nicht deklariert ­werden. Wie in der vergangenen Ausgabe bereits berichtet, sieht Dr. Walter Botermann, Vorstandsvorsitzender des Alte-Leipziger-Hallesche-Konzerns, das „Länderrisiko Österreich“ kritisch: „Nach dem Bruch der Länder­garantie im Fall Heta sehe ich keine weitere Investitions­möglichkeit in diesem Land. Vielmehr wundere ich mich über das unveränderte Länder-Rating.“

Im Vereinigten Königreich investierten Renewables-Anleger auch im Vertrauen auf die weitere Ausstellung sogenannter Climate Change Levy Exemption Certificates für Produzenten Erneuerbarer Energie. Bei der Regierung ihrer Majestät sind die Zertifikate, deren Weiterverkauf an Kohlendioxyd-Emittenten den Produzenten Erneuerbarer Energien zusätzliche Erträge bescherten, seit August 2015 im Budgetplan nicht mehr vorgesehen. Garantiert oder versprochen war die weitere­ Ausstellung der Zertifikate an Renewables-Produzenten allerdings nicht.

Vertrauensbrüche in Deutschland

Deutschlands Beliebtheit bei ausländischen (Immobilien-)Investoren und der schnelle Ausbau der Erzeugungskapazitäten von Erneuer­baren Energien verdankt Deutschland nicht zuletzt dem Vertrauen, das Investoren bezüglich der Rechtssicherheit hierzulande hegen. Mit dem Investmentsteuerreformgesetz wird dieses Vertrauen nun aber missbraucht. Gemäß dem Gesetz unterliegen ab dem 1. Januar 2018 Publikumsfonds mit ihren inländischen Dividendenerträgen, inländischen Immobilienerträgen sowie bestimmten sonstigen inländischen Einkünften einer Besteuerung von 15 Prozent auf Fondsebene. Damit ist der Bestandsschutz für vor dem 1. Januar 2009 erworbenen Fonds nicht mehr gegeben. Mit der eingeführten Abgeltungsteuer versprach der damalige Finanzminister Peer Steinbrück, dass Wertzuwächse von vor 2009 erworbenen Fonds und Aktien – analog zur bis 2008 bestehenden Ein-Jahres-Regelung – steuerfrei bleiben. Der damals versprochene Bestandsschutz war für viele Anleger ein Grund, sich noch vor der Jahreswende 2008/2009 mit Fonds und Aktien einzudecken. Ab 2018 wird der Fiskus aber auf alle Fondsgewinne zugreifen – und zwar unabhängig vom Erwerbszeitpunkt. An dem Vertrauensbruch ändert sich auch nichts durch eine steuerliche Freigrenze von 100.000 Euro. Achtung: Nur konsequent wäre es von staatlicher ­Seite, künftig auch Wertzuwächse von seit 2008 im Depot gehaltenen ­Aktien zu besteuern.

Leider handelt es sich auch nicht um einen einmaligen Sündenfall seit Bestehen der Bundesrepublik. Dem Archiv der Wirtschaftswoche ist beispielsweise zu entnehmen, dass sich Immobilienverkäufer im Jahr 1999 über die rot-grüne Bundesregierung ärgerten, da deren Verkaufsgewinn wieder steuerpflichtig wurde, obwohl man sich längst schon auf der sicheren (steuerfreien) Seite wähnte. Damals verlängerte­ Rot-Grün die Spekulationsfrist, innerhalb derer Verkaufsgewinne steuerpflichtig sind, kurzerhand von zwei auf zehn Jahre. Die neue Frist traf auch Eigentümer, die ihre Häuser bereits länger als zwei, aber noch keine zehn Jahre besaßen. Gegenüber Klägern haben die Verfassungshüter in Karlsruhe die nachträglichen Steuererhöhungen nur teilweise für verfassungswidrig erklärt.
Wie aus den Urteils­begründungen hervorgeht, hält Karlsruhe ausdrücklich daran fest, dass rückwirkende Änderungen in begrenztem Umfang zulässig sind. Zwar könne, so die Richter, „die Entscheidung für den Erwerb eines Grundstücks […] maßgeblich von der Erwartung bestimmt sein“, nach Ablauf von zwei Jahren einen steuerfreien Verkaufsgewinn zu erzielen. Die „bloße Möglichkeit“ eines solchen Gewinns begründe aber „keine (vertrauens-)rechtlich geschützte Position“. Die Tageszeitung „Die Welt“ berichtete im Juni 2005, dass der Bund überraschend 25 seiner Anleihen formal aufgestockt habe, damit auch im EU-Ausland ansässige Investoren ihre Zinserträge daraus ver­steuern müssen. Die für das Schuldenmanagement des Bundes verantwortliche Finanzagentur erhöhte das Volumen der betroffenen Wertpapiere durch eine technische Umbuchung um 4,45 Milliarden auf rund 320 Milliarden Euro, berichtete die Tageszeitung. Hintergrund sei eine voraussichtlich in Kraft tretende EU-Richtlinie zur Besteuerung von Zins­erträgen, von der die jetzt aufgestockten Papiere bislang ausgenommen waren.
Der Hypo-Vereinsbank-Rentenexperte Kornelius­ Purps zeigte sich gegenüber der „Welt“ von der Ankündigung überrascht: „Durch diese Aufstockung wird der Bestandsschutz nachträglich widerrufen. Für einige Investoren war die Steuerfreiheit ein wichtiges Kriterium.“ Noch im Februar gab es in der Eurozone der Hypo-Vereinsbank zufolge­ Anleihen über gut 850 Milliarden Euro,­ die von der EU-Richt­linie ausgenommen waren. Einige andere EU-Länder hätten ebenfalls durch formale Aufstockungen die Steuerfreiheit einiger Anleihen aufgehoben, andere könnten nach Einschätzung der Hypo-Vereinsbank folgen: „Wir raten dazu, sich nicht auf den angenommenen ‚Grand­father-Status‘ einer Staatsanleihe aus der EU zu verlassen.“

Wie die Beispiele zeigen, sollten Investments nicht allein wegen ­Steuervorteilen getätigt werden. Je langfristiger Vereinbarungen getroffen werden, desto geringer könnte das Gewicht des enttäuschten Vertrauens eingeschätzt werden. Vor allem sollten Investments aber nicht zu stark auf staatliche Versprechen gebaut werden. Dem Staat sollte aber auch klar sein, dass er Investoren nicht vergraulen darf. Gerade in Südeuropa, wo die rechtliche Unsicherheit am größten ist, werden Investorengelder am stärksten benötigt. Die Investoren benötigen aber für ihre Kapitalanlage auch das staatliche Verständnis und den passenden Regulierungsrahmen.

Von Patrick Eisele

portfolio institutionell, Ausgabe 01/2017

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