Pensionsfonds
4. März 2015

bAV-Reformvorschläge stoßen auf fundierte Kritik

Arbeitgeber und Gewerkschaften sollen künftig gemeinsame Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge in Form von Pensionskassen oder Pensionsfonds gründen dürfen. Akzeptanzprobleme der bAV sollen entschärft werden.

Die Bundesrepublik muss nach Einschätzung von Bert Rürup die Alternativen zum umlagefinanzierten Rentensystem ausbauen. „Wir erleben aufgrund des Rückgangs der Lohnquote eine Erosion der Finanzierungsbasis in der gesetzlichen Rentenversicherung“, sagte der Präsident des Handelsblatt Research Institute in der vergangenen Woche auf dem Kongress Zukunftsmarkt Altersvorsorge in Berlin. Das geht aus einer Zusammenfassung der Veranstaltung hervor, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) veröffentlicht hat. Dem Politikberater und früheren „Wirtschaftsweisen“ zufolge müsse es um die Frage gehen, wie die private Altersvorsorge gestärkt werden könne. Eine Mischfinanzierung aus kapitalgedecktem und umlagefinanzierten System hält Rürup aus Risikogesichtspunkten für das bessere System. 
Potenzial sieht Rürup vor allem bei der betrieblichen Altersversorgung (bAV): „Die Dynamik ist trotz des Rechtsanspruchs der Arbeitnehmer auf Entgeltumwandlung nicht so toll.“ Bislang haben laut Rürup rund 60 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland Anspruch auf Sozialleistungen ihres Arbeitgebers. Am größten sei die Verbreitung der bAV unter Großunternehmen und den tarifgebundenen Firmen. Kleinere und mittelständische Firmen täten sich dagegen noch schwer. So liegt die bAV-Verbreitung in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten lediglich bei rund 30 Prozent. 
Akzeptanzprobleme in der bAV 
Jörg Asmussen, Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium und SPD-Politiker, stand ebenfalls beim jüngsten Kongress Zukunftsmarkt Altersvorsorge auf dem Podium. In seiner Rede räumte er laut der Nachberichterstattung des GDV Akzeptanzprobleme in der bAV ein. Das große Wachstum habe es bis 2005 gegeben, seitdem stagniere die Verbreitung. Für die Zukunft sei die betriebliche Altersvorsorge jedoch unverzichtbar. „Wir brauchen einen gesunden Mix aller drei Säulen der Alterssicherung“, sagte Asmussen. Aus Gründen der Generationengerechtigkeit werde das Absicherungsniveau in der gesetzlichen Rente weiter sinken. „Das bedeutet, dass die gesetzliche Rente zur Absicherung nicht mehr ausreichen wird“, so der Experte. 
Um die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung auszubauen, plant das Bundesministerium offenbar einschneidende Veränderungen. Arbeitgeber und Gewerkschaften sollen künftig gemeinsame bAV-Einrichtungen in Form von Pensionskassen oder Pensionsfonds gründen dürfen. Zugleich sollen die Tarifpartner reine Beitragszusagen vereinbaren können. Unternehmen würden bei dem sogenannten De-Risking-Modell nur noch  Beiträge zusagen, aber keine festen Leistungen. Die Kapitalmarktrisiken trügen die Arbeitnehmer. „Es gibt kein einfacheres Modell für Arbeitgeber, die neu in das Geschäft einsteigen wollen“, sagte Asmussen. Er schränkte jedoch ein, dass die gemeinsamen Einrichtungen sehr wohl eine Mindestleistung garantieren sollen. 
Um eine möglichst flächendeckende Verbreitung der bAV zu erreichen, strebt das Arbeitsministerium eine verpflichtende Teilnahme an. „Dazu könnte man die Tarifverträge allgemeinverbindlich erklären“, so der Politiker. Asmussen betonte jedoch, dass bislang noch keine Entscheidungen gefallen seien. „Wir haben Zeit für Diskussionen.“ 
Auf der nächsten Seite erfahren Sie, wie der GDV, Sozialpartner und Berater die Reformvorschläge beurteilen. 
Der GDV sieht die Pläne des Arbeitsministeriums kritisch. Neben das „bewährte bAV-System“ würde ein zweites mit gänzlich anderen und immer wieder neu zu definierenden Regeln durch Tarifverträge gesetzt. „Ein solcher Systembruch würde zahlreiche rechtliche und praktische Unklarheiten schaffen und so die bisherigen bAV-Aktivitäten der Betriebe lähmen“, meint Peter Schwark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim GDV. Seiner Einschätzung nach würde die betriebliche Altersvorsorge keineswegs einfacher, sondern komplizierter. Schwark hält auch gesetzliche Zwangsmaßnahmen für den falschen Weg. Stattdessen sollten Modelle auf freiwilliger Basis entwickelt werden, etwa eine automatische Entgeltumwandlung. 
Auch bei den Sozialpartnern und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) stoßen die Pläne nicht auf ungeteilte Zustimmung. Der DGB sieht die grundsätzlichen Schwächen in der bAV durch die neuen Pläne nicht gelöst. Er kritisiert vor allem die Anrechnung der Rentenleistungen auf die Grundsicherung. „Warum sollte ich jemand zur Entgeltumwandlung ermuntern, wenn er feststellen muss, dass er am Ende nur die Gemeinschaft entlastete?“, sagte Jean Baptiste Abel, Referatsleiter beim DGB. Er forderte Freibeträge für alle drei Säulen der Alterssicherung. 
Aus den Reihen bestehender bAV-Einrichtungen sind ebenfalls Bedenken über das Vorhaben der Regierung zu hören. Die Grundintension sei richtig, aber das neue Modell sollte nicht zu Divergenzen zwischen den Einrichtungen der Sozialpartner und Einrichtungen von Unternehmen führen. Für alle Pensionsfonds und Pensionskassen sollten dieselben Regeln gelten. Auch Uwe Buchem, Leiter des Bereichs Retirement bei Mercer in Zentraleuropa, sieht in dem Vorschlag des Bundesarbeitsministeriums einen Schritt in die richtige Richtung. „Eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien sorgt für Vertrauen bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern und kann sehr effizient arbeiten. Bei entsprechender Ausgestaltung kann eine hohe Beteiligung sowohl der (auch nicht tarifgebundenen) Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer in den Unternehmen erreicht werden. Dabei wird es jedoch wichtig sein, den einzelnen Unternehmen ein Wahlrecht einzuräumen. Sie sollten die Möglichkeit haben, anstelle einer vereinbarten „Standardlösung" eine mindestens ebenso gute, unternehmensindividuelle bAV-Lösung anzubieten“, so Buchem in einem kürzlich veröffentlichten Kommentar. Damit bliebe der Wettbewerb und die unternehmerische Handlungsfreiheit zumindest optional erhalten. Er begrüßt darüber hinaus, dass die Insolvenzsicherung nun durch den Pensionssicherungsverein (PSV) und nicht wie im ersten Entwurf vorgesehen durch den Sicherungsfonds für Lebensversicherungen durchgeführt werden soll. Er warnt jedoch zugleich vor einer „kuriosen Situation“, die sich ergibt, sollte bei einer gemeinsamen Einrichtung ein Sicherungsfall eintreten. Hierfür würden vor allen Dingen die Unternehmen zur Kasse gebeten, die diesen neuen Weg gar nicht nutzen. „Dies ist umso bedeutsamer, als bei einem Erfolg der neuen Einrichtungen diese in kurzer Zeit sehr hohe Vermögenswerte und Verpflichtungen anhäufen würden. Die Subsidiärhaftung des einzelnen Arbeitgebers würde ersetzt werden durch die kollektive Haftung der Arbeitgeber mit (in erster Linie) Direktzusagen“, so Buchem. 
portfolio institutionell newsflash 04.03.2015/Tobias Bürger/Kerstin Bendix
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