25. November 2013

Gewappnet gegen Schwarze Schwäne

In extremen Märkten ist der traditionelle Markowitz-Ansatz nicht robust. Besser geeignet sind Szenarioanalysen, wie eine neue Studie zeigt. Kein Wunder also, dass immer mehr Investoren Szenariotechniken eine hohe Bedeutung beimessen. Die Linde AG ist hier besonders weit.

Institutionelle Investoren wollen ein robustes Portfolio, das auch extremen Marktereignissen gewachsen ist. Ein reiner Markowitz-Ansatz kann das nicht leisten. Zu diesem Ergebnis kommt Professor Dr. Arnd Wiedemann von der Universität Siegen in seiner aktuellen Studie, die Union Investment in Auftrag gegeben hat. Um sich gegen Schwarze Schwäne zu wappnen, seien Szenarioanalysen besser geeignet.
In der Studie hat Wiedemann zunächst untersucht, inwieweit sich der traditionelle Ansatz zur Ableitung von Allokationsentscheidungen auf Basis historischer Daten eignet. Dabei konnten deutliche Schwächen insbesondere im Hinblick auf die Prognose der Renditeentwicklung in turbulenten Marktphasen aufgezeigt werden. „Insgesamt erwiesen sich die Ergebnisse des reinen Markowitz-Ansatzes als nicht robust und führten mitunter zu extremen Portfoliokonstruktionen“, erläutert Wiedemann. Um den Problemen des traditionellen Ansatzes entgegenzuwirken, sollten Investoren daher Entwicklungsszenarien einbeziehen. Dadurch lassen sich im Rahmen einer Asset Allocation sowohl Fat-Tail-Ereignisse als auch asymmetrische Renditeerwartungen erfassen. Wie diese Vorgehensweise konkret aussehen könnte, stellen die Studienautoren anhand eines Fallbeispiels in einem dreistufigen Prozess dar.
Zu Beginn müssen die im Rahmen der Asset Allocation einzubeziehenden Szenarien identifiziert und die Renditeerwartungen für jede bei der Portfoliokonstruktion zu berücksichtigende Anlageklasse im jeweiligen Entwicklungsszenario festgelegt werden. Auf dieser Grundlage wird in einem zweiten Schritt die aus Investorensicht optimale Asset Allocation pro Szenario ermittelt. Schließlich erfolgt die Ableitung der optimalen Asset Allocation unter Berücksichtigung aller Szenarien. Doch hier liegt ein Haken: Der Investor steht vor einem Handlungsproblem unter Ungewissheit, weil es ihm nicht möglich ist vorherzusagen, welches Szenario künftig tatsächlich eintrifft. Aber auch diesem Problem hat sich die Studie angenommen und unter Rückgriff auf die Entscheidungstheorie unterschiedliche Modelle der Entscheidungsfindung durchgespielt.
Das Resultat: Die ermittelten Portfoliostrukturen können sich je nach zugrundeliegendem Modell stark unterscheiden. Für Wiedemann ist dies aber kein Nachteil: „Die Divergenz der Ergebnisse zeigt vielmehr, welche Bedeutung ein strukturierter Anlageprozess für den Anlageerfolg als Ganzes hat. Der Einsatz der Szenarioanalyse auf Grundlage der Entscheidungstheorie zwingt den Investor, sich intensiv mit seiner Risikoeinstellung und seinen Anlagezielen auseinanderzusetzen.“ Ganz ähnlich sieht dies Alexander Schindler, der im Vorstand von Union Investment für das institutionelle Kundengeschäft zuständig ist: „Die individuellen Risikoparameter und Ziele des Investors sind für die Wahl des geeigneten Modells ausschlaggebend und nicht umgekehrt. Erst wenn die Vorstellungen des Investors klar und eindeutig formuliert sind, kann die passende Asset Allocation gefunden werden.“
Dass Szenarioanalysen inzwischen auch in der Investorengemeinde angekommen sind, zeigt eine begleitende Umfrage unter 104 institutionellen Investoren im Frühsommer dieses Jahres. Laut dieser misst knapp die Hälfte der deutschen Großanleger Szenariotechniken bei der Asset Allocation eine hohe Bedeutung bei. 29 Prozent gaben an, dass die Relevanz entsprechender Techniken für die Kapitalanlage zugenommen habe. Als wichtigsten Grund für den Einsatz einer szenariobasierten Asset Allocation nannte mit 72 Prozent die große Mehrheit der Investoren die Möglichkeit, extreme Marktereignisse im Rahmen der Kapitalanlage zu berücksichtigen. „Die Erkenntnis, dass es an den Finanzmärkten jederzeit zu Verwerfungen kommen kann, hat die Szenarioanalyse offenbar in den Fokus vieler Anleger gerückt“, erläutert Schindler. „Szenariotechniken können ein effektives Instrument sein, um Portfolios resistenter gegen Extremereignisse zu machen.“
Die Szenarien von Linde
Bereits seit längerem setzt die Linde AG, die weltweit mehr als fünf Milliarden Euro an Pension Assets hat, auf Szenarioanalysen. Zwei Hauptszenarien wurden definiert. Das eine Szenario geht von einer Fortsetzung der finanziellen Repression aus, wobei hier zusätzlich zwischen zwei Unterszenarien unterschieden wird: mit und ohne Inflation. Das andere Hauptszenario beinhaltet eine Rückkehr zur alten Normalität. Darüber hinaus gibt es ein sogenanntes Tail-Risk-Szenario. Im Interview mit portfolio institutionell erläuterte Dr. Christoph Schlegel, Head of Pension bei Linde, die Vorgehensweise: „Das eine Hauptszenario, die Rückkehr zur Normalität, würde zu steigenden Zinsen führen. Wir überlegen dann, was dies für die verschiedenen Asset-Klassen bedeutet. Die finanzielle Repression würde hingegen dafür sorgen, dass die Renditen niedrig bleiben und die Bewertungen hoch. Wiederum schätzen wir ab, wie die verschiedenen Asset-Klassen in diesem Szenario vermutlich abschneiden werden. Beim Tail-Risk-Szenario ist die Sache recht einfach: Es würde zu einer Flucht in die Qualität kommen und alle volatilen Assets würden stark verlieren. Dann leiten wir mathematisch die in der Gesamtbetrachtung der Szenarien beste Asset Allocation ab. Natürlich kommt man dabei nicht umhin, Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Szenarien festzulegen.“
Auf die Frage, welches Szenario derzeit am wahrscheinlichsten sei, zeigt sich Schlegel offen: „Für das Pension Asset Management sehen wir beide Hauptszenarien ‚finanzielle Repression‘ und ‚Rückkehr zur alten Normalität‘ derzeit mit einer hohen Wahrscheinlichkeit. Diese differenziert sich noch mal etwas zwischen den Regionen USA und Europa.“ Die strategische Asset Allocation der großen Linde-Pensionspläne sieht derzeit eine strategische Aktienquote zwischen 20 und 30 Prozent vor. „In diesem Bereich bewegen wir uns schon seit relativ langer Zeit“, so Schlegel. Der Bereich Alternatives macht jeweils circa zehn Prozent und Immobilien planabhängig zwischen fünf und zehn Prozent aus. Der Rest ist Fixed Income. 
portfolio institutionell newsflash 25.11.2013/Kerstin Bendix 

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