11. Februar 2014

Infrastrukturinvestoren suchen den Dialog mit der Politik

Deutsche Anleger reagieren auf neue Themen in der Regel eher ­abwartend. Umso erstaunlicher, wie schnell und zügig Investments in der Asset-Klasse „Infrastruktur“, der ein hohes Maß an Illiquidität eigen ist, aufgebaut wurden.

Der Grund ist, dass die Struktur der Renditen nahezu perfekt zu den Verbindlichkeiten passt und das ­Vertrauen in den Gesetzgeber hoch ist. Letzteres wurde 2013 durch einen unausgereiften EEG-Reformvorschlag des ­damaligen Bundesumweltministers aber erschüttert. Diese ­verschiedenen Aspekte ­spiegelt eine aktuelle Umfrage zu Infrastrukturinvestments unter deutschen Investoren wider. Insbesondere zeigt diese auf, wie wichtig das Vertrauen in den regulatorischen Rahmen ist, dass es aber am Dialog mit dem Gesetzgeber hapert – obwohl Infrastrukturinvestments ­helfen, Renten und Lebensversicherungen zu finanzieren. 

Was ist das: Loch an Loch und hält doch? Eine Kette! Dieses ­Kinderrätsel an Autofahrer adressiert lautet: Schlagloch an Schlagloch und muss halten? Eine deutsche Straße! Auf jährlich mindestens ­sieben Milliarden Euro beziffert die von der Verkehrsministerkon­ferenz eingesetzte Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastruktur­finanzierung“ den über die im ­Bundeshaushalt vorgesehenen Mittel für die Verkehrswege hinaus­gehenden benötigten Finanzierungs­bedarf für die Erhaltung von ­Straßen, Schienen und Wasserstraßen. Einiges liegt also im Argen. Vergleichbar problematisch ist ­aufgrund von fehlenden rentierlichen Anlagemöglichkeiten die Finanzierungssituation für Pensionen und Lebensversicherungen. Betrachtet man die beiden Dilemmata einmal gemeinsam, wird eine Lösung greifbar: institutionellen Anlegern die nötigen rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen zu geben, in Verkehrs­infrastruktur zu investieren. Ein solches Vorgehen ließe sich auch auf andere Infrastruktursegmente übertragen, die ebenfalls unter ­großem Finanzierungsdruck stehen. Hierbei ist aus dem deutschen Blick­winkel betrachtet an die beschlossene Energiewende, aber auch an ­soziale Infrastruktur zu denken.

Auf die Umfrage antworteten 1,3 Billionen Euro
Diese Problematik greift die Studie „Öffentliche Aufgaben und private Investitionen“ auf. Diese Studie unterscheidet sich von anderen Infrastrukturstudien vor allem in dem Punkt, Anlagenotstand und Finanzierungs­notstand zusammengebracht zu haben. Durchgeführt wurde die Umfrage unter deutschen institutionellen Anlegern vom Berater Palladio Partners, der dabei von Prof. Dr. Stefan Jugel von der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden und portfolio institutionell unterstützt wurde. An dieser als Vollerhebung angelegten und im Herbst vergangenen Jahres durchgeführten Studie beteiligten sich 70 Prozent des Gesamtkapitals­ der deutschen institutionellen Anleger beziehungsweise 1,3 Billionen Euro. Zu 40 Prozent trugen Versicherungsunternehmen zur Studie bei, zu 35 Prozent ­betriebliche Altersvorsorgeeinrichtungen, zu 14 Prozent die Gruppe „Berufsständisches Versorgungswerk/Unterstützungskasse/Zusatzversorgungskasse“ und zu elf Prozent die Gruppe „Sonstige“. ­Stefan Jugel konstatiert mit Blick auf die hohe Rücklaufquote und die detaillierte Auskunftsbereitschaft von 105 Anlegern: „Wir können daraus schließen, dass Investoren dieses Thema unter den Nägeln brennt.“

Infrastruktur ist und bleibt sehr attraktiv
Wie die Studie ergeben hat, haben sich Infrastrukturinvestments zu einem festen Bestandteil der Vermögensanlage deutscher institutio­neller Anleger gemausert. 87 Prozent der Befragten sind mit einem Volumen von 9,4 Milliarden Euro investiert. Fast zwei Drittel halten Infrastruktur für „attraktiv“ oder „hoch attraktiv“. Dieses Ergebnis ist weniger mit der absoluten Höhe der durchschnittlich angestrebten Nettorendite von 6,5 Prozent zu erklären als mit der Erwartung, dass diese langfristig, planbar und stetig erfolgt und sich damit zur Bedeck­ung der Verbindlichkeiten eignet. In ­Zahlen ausgedrückt: Eine Renditemaximierung halten nur zwölf Prozent der Studienteilnehmer für „wichtig“, dagegen sind für 94 Prozent ­„Renditen, die den Rechnungs­zins übersteigen“ und für 85 Prozent der „langfristig zur Verpflichtungsseite passende Anlagehorizont“ „wichtig“ bis „sehr wichtig“.

Wenig überraschend bilden Erneuerbare Energien, aber auch ­Netze die beiden großen Schwerpunkte, und Deutschland ist die ­präferierte Region für Investments. Der Zugang erfolgte bislang ­meistens über (Eigenkapital-)Fonds. Überraschend ist aber, dass ­bereits 27 Prozent des Investitionsvolumens direkt in Projekte geflossen sind. Als eine mögliche Erklärung führt Palladio die Präferenz der institutionellen Anleger für Erneuerbare Energien und Netze in Deutschland an. Mindestens genauso überraschend ist, dass Direkt­investments in der Kategorie „hoch attraktiv“ mit 19 ­Prozent die meisten Nennungen bei den Fondszugängen bekommmt. Gewichtet man diese Aussage nach dem Kapital der Antwortenden, ergibt sich interessanterweise mit 24 Prozent ein Wert, der nur wenig höher liegt. In ausgewählten Projekten trauen es sich deutsche Anleger ­offensichtlich zu, die nötige Expertise selbst aufzubringen, und es haben sich auch kleinere Anleger trotz zum Teil geringeren Ressourcen bei ­Einzelthemen einen Erfahrungsschatz aufgebaut. „Dieses ­Ergebnis zeigt aber auch, dass die Investoren individuell abgeholt werden ­wollen“, ergänzt ­Michael Rieder von Palladio. Zu erwarten ist, dass die Bedeutung von Directs aus Kostengründen künftig wächst. Der ­wichtigste Zugangsweg wird jedoch auch in Zukunft der ­Zugang über Fonds sein, die Eigenkapital einsammeln. Bei Dachfonds fällt auf, dass niemand dieses Vehikel als „hoch attraktiv“ bezeichnet.

14 Milliarden Euro wollen investiert sein
Eine gute Nachricht für Vater Staat ist, dass die Befragten planen, in den kommenden zwei bis drei Jahren weitere 14 Milliarden Euro in Infrastruktur zu investieren. Dazu wollen Versicherungsunternehmen 8,4 Milliarden Euro beitragen. Fast drei Viertel der befragten ­Anlegerschaft möchte am liebsten in Netze investieren, gefolgt von Public-Private-Partnerships (PPP) und Erneuerbaren Energien, die ­jeweils von jedem Zweiten genannt werden.

Weniger gut ist für den Gesetzgeber, dass Deutschland zwar beliebtester Investitionsstandort bleibt, aber nicht einmal von ­einem Viertel der Befragten als hoch attraktiv angesehen wird. Hier lassen sich regulatorische Diversifikationsbestrebungen erkennen, die stark auf einen Altmaier-Effekt zurückzuführen sind. Dem Ex-Bundes­umweltminister gelang im Bundestagswahlkampf zwar keine Reform des EEG, mit seinen Reformvorschlägen jedoch eine nachhaltige Verunsicherung der institutionellen Anleger – und wohl nicht nur im Energiesegment. Michael Rieder: „Aus meinen persönlichen Gesprächen mit institutionellen Anlegern weiß ich, dass man ­beispielsweise bei rückwirkenden Eingriffen bei Renewables davon ausgegangen ­wäre, dass ein solcher Schritt auch für andere ­Segmente der Infrastruktur möglich sein kann.“ Die Sensibilität der Investoren in diesem Punkt lässt sich auch daran herauslesen, dass 97 Prozent eine mögliche Änderung der regulatorischen Rahmenbedingungen als (hohes) Risiko bezeichnen. Erkennbar ist, dass die Wunden, die sich viele bei Investments in Spanien durch rückwirkende Änderungen bei den Einspeisevergütungen von Solarparkinvestments zugezogen haben, noch nicht verheilt sind. Auf der iberischen Halbinsel krankte das System bekanntlich daran, dass keine Möglichkeit vorgesehen war, die Kosten von alternativen Energien auf den Endver­braucher umzulegen.­

Zwei Wünsche an die Politik: eine Infrastrukturagenda …
Festzuhalten ist somit, dass neben dem Risiko-Rendite-Profil und der Langfristigkeit die Sicherheit für die Attraktivität von Infrastruktur­investitionen für deutsche institutionelle Anleger entscheidend ist. Hilfreich wäre es aus Sicht von 66 Prozent der Investoren auch, wenn die Politik eine Infrastrukturagenda mit klar erkennbaren Schwerpunkten aufstellen würde.  

Die veränderte „Rangliste“ Netze, PPPs und Erneuerbare ­Energien – Letztere haben also ihren Nummer-Eins-Status eingebüßt – lässt sich ebenfalls damit interpretieren, dass die anstehenden EEG-Reformen für Unsicherheit sorgen. Ein gewichtiges Argument ist aber auch, dass in diesen Sektor bereits viel Geld geflossen ist und nun die Portfolio­theorie eine breitere Aufstellung bei Infrastrukturanlagen ratsam ­erscheinen lässt. Einen bislang ungesättigten Appetit verspüren die Anleger dagegen auf PPPs. Hier zeigt sich ein großer Nachholbedarf beim Angebot.
    
… und ein besserer Dialog
Ängste bezüglich Änderungen bei den regulatorischen Rahmenbedingungen, der Wunsch nach einer Infrastrukturagenda und ein ungesättigter Appetit auf PPPs: Daraus lässt sich ableiten – und ­hierin liegt eine wesentliche Erkenntnis der Palladio-Umfrage –, dass es am gegenseitigen Austausch zwischen den Vertretern der Anlagegelder und den Vertretern des Volkes hapert. Offenbar haben Finanzkrise, Bankenkrise und die Heuschreckendebatte in den Parlamenten für ein verzerrtes Bild von der hiesigen institutionellen Anlegerschaft, oder auch bislang für andere Prioritäten gesorgt. Ableiten lässt sich diese Schlussfolgerung zudem aus den Angaben eines knappen Drittels der Investoren, die nur ein geringes bis sehr geringes Interesse der Politik an privaten Investitionen deutscher institutioneller ­Anleger erkennen. Weitere 50 Prozent empfinden dieses Interesse als mäßig. 93 Prozent der Befragten wurden nach eigenen Angaben bislang auch noch nicht konkret von der öffentlichen Hand, sei es auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene, auf private Finanzierungen von ­Infrastrukturprojekten angesprochen. Damit stellen die ­Anleger der Politik ein Armutszeugnis aus. Positiv betrachtet besteht jedoch ein sehr großes Potenzial für beide Seiten, das jedoch noch gehoben ­werden muss. „Derzeit scheint jedoch die Erkenntnis oder der politische Wille zu fehlen, auf diese vorhandenen (Finanzierungs-)­Ressourcen zurückzugreifen“, kommentieren die Studien­autoren von Palladio Partners.

Ein wichtiges Detail bezüglich der Wahrnehmung institutioneller Kapitalanleger gibt auch die Einschätzung der Risiken bei Infrastrukturinvestitionen wieder. Last but not least konstatiert ein Viertel der Investoren eine mangelnde öffentliche Akzeptanz für private Investments in manchen Segmenten. Diese Einschätzung spiegelt die ­öffentliche Debatte über die kommunale Wasserversorgung in Deutschland wider. Je nach Entwicklung der öffentlichen Meinung könnte dieses „Wahrnehmungsrisiko“ auch wachsen. Bei der ­Erhebung der Umfrage wurde jedoch wie bereits erwähnt eine ­eventuelle Änderung der regulatorischen Rahmenbedingungen als das ge­wichtigste­ Risiko eingeschätzt. Auf den Plätzen folgen ­„steigende Preise durch zunehmenden Kapitalzufluss“, eine „mangelnde ­Erfahrung der Marktteilnehmer“, „Greenfield-Konstruktionsrisiken“ und die der Leserschaft bekannten „Unsicherheiten bezüglich der künf­tigen Eigenkapitalunterlegung“. Die Risikowahrnehmung ist ­also durchaus breit und ausdifferenziert. Mit den Vorbehalten gegenüber „Greenfield-Konstruktionsrisiken“ korrespondiert, dass über die ­Hälfte den Zugang zu Infrastruktur über Eigenkapital-Secondary-Fonds als attraktiv bezeichnet.

Der Investor als Staatsbürger
Die investierten Befragten nehmen deutlich wahr, dass in den ­vergangenen Jahren zu wenig Geld in die öffentliche Infrastruktur ­geflossen ist. Diesen Investitionsstau aufzulösen, trauen laut Studie nahezu alle Befragten der stärkeren Beteiligung privaten Kapitals ­institutioneller Anleger zu. Gleichzeitig sehen sie daraus ­positive Wachstumsimpulse für die Gesamtwirtschaft und geopolitische ­Vorteile, Stichwort „Energieversorgung“, erwachsen.

Ableiten lässt sich aus der Studie, dass im Interesse der Altersvorsorge einerseits und der Finanzierung einer funktionierenden Infrastruktur andererseits die Etablierung eines Dialogs, der das gegenseitige Verständnis fördert, hilfreich wäre. Seitens der Investoren scheint es hierfür eine große Aufgeschlossenheit zu geben. Dialoggrundlage – und eventuell auch ein Druckmittel der Investoren – könnten dabei laut den Studienautoren auch funktionierende PPP-Beispiele aus Großbritannien oder Belgien sein.

portfolio institutionell, Ausgabe 1/2014

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