Pension Management
18. Mai 2017

Ringen um Betriebsrente überschattet Pensionskassentag

„Nach der Reform ist vor der Reform“ – so lautet das Fazit des Pensionskassentags von Willis Towers Watson. Am 16. Mai hatten mehr als 70 Unternehmensvertreter Herausforderungen für Pensionskassen diskutiert.

(Version vom 22. Mai 2017, 10.30 Uhr, der Text wurde um Zitate erweitert) 
Der Ort der Veranstaltung war vortrefflich gewählt: Am 16. Mai veranstaltete das Beratungshaus Willis Towers Watson seinen mittlerweile 5. Pensionskassentag im „Haus am Dom“ im Herzen Frankfurts. Das Gebäude gehört dem Bistum Limburg, wobei der Konferenzraum von einem nicht zu übersehenden Kreuz auf goldenem Grund überstrahlt wurde. Mussten die Berater bei Willis Towers Watson etwa im Glauben bestärkt werden, dass das zum Veranstaltungszeitpunkt immer noch nicht in Beton gegossene Betriebsrentenstärkungsgesetz seine Wirkung erzielt? Klare Antwort: Jein.
Die Gemengelage am Veranstaltungstag war einfach zu diffus. Zur großen Überraschung war nicht sicher, ob das Reformpaket überhaupt kommt. Falls doch, lässt sich heute nicht sagen, ob es von den Adressaten (Unternehmen, künftige Betriebsrentner, Sozialpartner, um nur einige zu nennen) in seiner Konzeption angenommen und mit Leben erfüllt wird.
Sollte es die geplante echte Beitragszusage tatsächlich in deutsches Recht schaffen, dann wäre das ein diametraler Wandel auf Ebene der Betriebsrenten: Statt der Arbeitgeber und der installierten Altersvorsorgeeinrichtungen würden künftig die Arbeitnehmer im Kollektiv Träger der mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken und der später daraus zu finanzierenden Renten. 
Bei der Diskussion um den neuen Durchführungsweg der zweiten Rentensäule darf man allerdings nicht den Bestand aus den Augen verlieren. Hier fragen sich viele: Wie erfülle ich meine Versorgungszusagen? Und: Wie dockt man die reine Beitragszusage am bestehenden System an? 
Zahlreiche Vorträge
Der Veranstaltungstag im „Haus am Dom“ war gespickt mit Vorträgen: Einen Überblick über den aktuellen Stand der Entwicklung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes sowie dessen Chancen für Pensionskassen gab Wilhelm-Friedrich Puschinski, Leiter General Consulting von Willis Towers Watson. „Noch hat das Betriebsrentenstärkungsgesetz einige politische Hürden zu nehmen und könnte dabei Änderungen erfahren. Aber auch wenn das Gesetz so kommt, wie derzeit diskutiert: Welche Chancen sich für Pensionskassen ergeben, hängt sehr von der Akzeptanz und Umsetzung der handelnden Akteure ab, nicht zuletzt den Tarifpartnern“, so seine Einschätzung.
Für Pensionskassen sieht er einige Chancen: Mit der Abschaffung der doppelten Verbeitragung bringe das BRSG neuen Wind für den bAV-Riester. Pensionskassen sollten darauf reagieren können, betont Puschinski. Die reine Beitragszusage verspricht Pensionskassen zudem neues Geschäft. Mit dem Garantieverbot steigt die Attraktivität der Kassen relativ zu den klassischen Lebensversicherungen, zudem erfahren insbesondere die regulierten Kassen ausgesprochene politische Unterstützung. Die Tarifvertragserfordernis stellt die Pensionskassen allerdings vor Herausforderungen. Sie müssen als „gemeinsame Einrichtung“ der Tarifpartner auftreten können, die Planteilnehmer müssen ebenfalls in geeigneter Weise in den Einfluss entsprechender Tarifverträge gebracht werden. Lösungen hierzu werden sich aus der Praxis ergeben.
Die Einstellung der Arbeitgeber ist derzeit noch verhalten, auch die Haltung der hier geforderten Tarifparteien ist in vielen Punkten noch unklar. „Die Chancen einer Betriebsrentenstärkung und höherer Renditen für Arbeitnehmer durch Verzicht auf Garantien sollten allerdings nicht auf die lange Bank geschoben werden“, erklärt der Experte von Willis Towers Watson. 
Rechnungszinssenkung finanzieren
Dr. Andreas Jurg, Vorstand der Pensionskasse für die Angestellten der Barmer Ersatzkasse, erläuterte, wie er mit seinem Team bei der seit 1988 für neue Mitarbeiter geschlossenen Pensionskasse dem Problem „Rechnungszins“ begegnet. Jurg erläuterte, welche Lösungsansätze die Pensionskasse diskutiert hatte, um eine Rechnungszinsabsenkung von 4,0 auf 3,5 Prozent zu finanzieren. „Schlussendlich hat sich die Kombination verschiedener Lösungsansätze als erfolgversprechend erwiesen“, berichtet Jurk.
Gewählt wurde ein kombiniertes Vorgehen aus einem Einschuss des Trägerunternehmens in einen nachträglichen Gründungsstock, einer Heraufsetzung des Finanzierungsendalters auf das 64. Lebensjahr (statt wie bisher das 63. Lebensjahr) sowie die Finanzierung aus Überschüssen und passivischen Reserven der Pensionskasse. Auf der Anlageseite setzt Jurg seit 2012 verstärkt auf Dachfonds mit Schwerpunkt Immobilien und Infrastruktur. 
Ebenfalls interessant war der Erfahrungsbericht von Torsten Krüger-Röhm, geschäftsführendes Mitglied des Vorstands der Versorgungskasse der Angestellten der Norddeutschen Affinerie über „Sinn und Unsinn eines Vollzeitvorstandes in einer kleinen Pensionskasse“. Die Bafin-regulierte Pensionskasse ist seit 2003 für Neuzugänge geschlossen. 350 Anwärtern stehen 660 Rentner gegenüber. Auf der Anlageseite besitzt die „sterbende Kasse“ neben einem Masterfonds (25 Prozent Aktien, taktische Futures-Positionen) 830 direkt gehaltene Wohnungen, die nun sukzessive verkauft werden. 
Krüger-Röhm berichtete in seinem Vortrag umfassend aus dem Alltag eines Pensionskassenvorstands und den Erfahrungen mit der Umstellung auf einen Vollzeitvorstand. Die Versorgungskasse hatte nach einer solchen Umstellung zahlreiche Prozesse gestrafft und professionalisiert. „Das funktioniert nur mit Kümmerern“ betont Krüger-Röhm. Er sieht Vorteile eines Vollzeitvorstands beispielsweise in der Mitarbeiterführung, der Professionalisierung des Managements, in der Entscheidungsqualität und -geschwindigkeit, bei Wissens- und Informationstransfer in die Aufsichtsgremien, der Qualität der Gremienarbeit sowie der strategischen Frühausrichtung und der Sicherung der rechtskonformen Vorgehensweise angesichts steigender Regulierungsanforderungen. Nachteile bestehen seiner Meinung nach im finanziellen, organisatorischen und zeitlichen Mehraufwand, in einer möglichen Übersteuerung sowie im Verlust von Freiheiten und Entscheidungskompetenzen für die Mitarbeiter.
portfolio institutionell newsflash 18.05.2017/Tobias Bürger 
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