Versicherungen
23. November 2016

Von Schnittstellen und Zielen: Digitalisierung bei der Talanx

Die Talanx-Gruppe verfolgt eine ambitio­nierte Innovations- und eine Digitalisierungs­strategie. Was sich dahinter verbirgt, erläutert Peter Klingspor, Leiter Group Corporate ­Development bei der Talanx, im Interview. Das Zwiegespräch ist Teil der Titelgeschichte Asset Management 4.0.

Herr Klingspor, worin liegt aus Sicht der Talanx der Reiz der Digitalisierung?
Wir haben die Potenziale der Digitalisierung entlang von drei Dimensionen analysiert und bewertet: An der Schnittstelle zum Kunden sehen wir durch die Verzahnung von Online-Kanälen und Offline-Welt insbesondere bei unserem Kerngeschäft mit Direktkunden in Deutschland erhebliche Chancen. Wir müssen das Wissen um unsere Kunden und ­deren Bedürfnisse nutzen, um ganzheitlich digitale­ Angebote machen zu können. Heißt: Wir wollen unseren Kunden möglichst digitale Angebote entlang der gesamten Wertschöpfungskette machen.

Wie sieht die zweite Dimension aus?
Weiterhin müssen wir an der Automatisierung unseres Betriebes arbeiten, wo wir ­insbesondere in unserem Geschäft mit deutschen Privat- und Firmenkunden noch Handlungsbedarf sehen und unsere Kostenposi­tion weiter verbessern müssen. Ein Beispiel ist hier die sogenannte Dunkelverarbeitungsstrecke, die wir nach nur einem Jahr intensiver Arbeit im Online-Geschäft mit Autoversicherungen im Geschäftsbereich Privat- und Firmenversicherung Deutschland gestartet haben. Das bedeutet, dass die gesamte ­Abwicklung vom Vertragsabschluss bis zum Ausdruck der Police automatisch abläuft – ­jedenfalls überwiegend.
Schlussendlich geht es aber auch um neue innovative Geschäftsmodelle. Zum Beispiel sind wir mit unserer Lösung „HDI bAVnet“ bereits in diese Richtung gegangen. Solche digitalen Plattformen wird es künftig nicht nur zwischen Kunde, Versicherung und ­Arbeitgeber geben, sondern zum Beispiel auch in der Kraftfahrtversicherung, wo sich die Schadennetze weiterentwickeln zu digitalen Plattformen zwischen Kunde, Automobilhersteller, Werkstätten und Versicherer.
Übergreifend betrachten wir außerdem ­Analytics als eine Basisfähigkeit. In der Industrieversicherung nutzen wir beispiels­weise seit einigen Jahren modernste Realtime-Analytics im Underwriting. Auch hier werden wir weiter investieren und die Chancen­ neuer Technologien noch besser für uns nutzen, zum Beispiel durch die Verwendung von Geodaten aus dem Internet. Das Geo-­Informationssystem Argos wurde ­weiterentwickelt und kann nun nicht nur Stürme, sondern auch Prognosen anzeigen, in welche Richtung diese ziehen.

Müssen sich alle Unternehmen mit der Digitalisierung befassen, um kompetitiv zu sein?
Bei der Digitalisierung handelt es sich um ­einen Medienumbruch, der die gesamte ­Gesellschaft erfasst und nachhaltig verändert, so auch beispielsweise das Kunden­verhalten. Auf diese geänderten Kundenwünsche müssen die Unternehmen reagieren und sich ­natürlich mit der Digitalisierung ­befassen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Digitalisierung und auch Automatisierung sind entscheidende Hebel, um ­Kosten zu ­reduzieren und die Effizienz zu steigern – insofern lautet die Antwort: ja. Unternehmen, die sich nicht mit Digitalisierung befassen, werden es künftig schwer haben im Wettbewerb zu bestehen.

Die Talanx treibt die Digitalisierung mit ­Initiativen voran. Wie sehen diese aus?
Unser im Aufbau befindliches eigenes Digital Lab soll wie ein „Digitalisierungsbeschleuniger“ im Konzern wirken und interner Partner für unsere Geschäftsbereiche sein. In ­intensiver Zusammenarbeit mit den Fach­bereichen entwickelt das Digital Lab innovative Lösungen, zum Beispiel zur Digitalisierung der Kundenschnittstelle, und unterstützt die Geschäftsbereiche mit Ideen für neue Geschäftsmodelle. Durch die Koopera­tionen mit Startupbootcamp Insurtech in London und Plug & Play Insurance im Silicon Valley haben wir Zugriff auf ein weltweites Netzwerk an Start-up-, Versicherungs- und weiteren Unternehmen erhalten, um ­innovative Technologien und digitale Geschäftsideen in der Versicherungsbranche zu identifizieren und zu fördern.

Und was hat es mit Elinvar auf sich?
Mit Elinvar haben die Talanx Asset Management GmbH und der Company Builder ­Finleap zuletzt ein Joint Venture gelauncht. Elinvar ist die Plattform für das digitale ­Angebot etablierter kleiner und mittelgroßer Vermögensverwalter und Privatbanken und die in dieser Form einzigartige Möglichkeit einer integrierten Lösung, um ihre Ver­mögensverwaltungsexpertise auch digital anzubieten.

Wie muss ich mir die Digitalisierung im ­Asset Management vorstellen? Welche Stellschrauben sind hier erfolgskritisch?
Auch im Asset Management setzt die ­Digitalisierung im Grunde genommen an denselben ­Stellschrauben an, wie auch im ­Versicherungs­geschäft – Automatisierung, Steigerung der Effizienz in Arbeitsabläufen und Reduzierung von Kosten. Für Talanx als institutionellen Investor ist im Asset ­Management besonders die Erfüllung ­regulatorischer Pflichten unserer Kunden essenziell. Insbesondere im Bereich Reporting kann Digitalisierung durch effiziente Datenbereitstellung für die relevanten Vorschriften von beispielsweise Solvency II / Basel III für schlanke Prozesse sorgen.
Ziel ist zum Beispiel die automatische Datenbereitstellung und Programmierung von IT-Schnittstellen zu den EDV-Systemen der insti­tutionellen Anleger. Aber auch in den ­internen Abläufen sind ­Sicherheit und Schnelligkeit in der Daten­abfrage ein ­Thema, das mit digitalisierten Abläufen verbessert werden kann. Nicht zuletzt zeigt das Joint Venture der Talanx ­Asset Management GmbH und Finleap, ­Elinvar, dass digitale ­Lösungen wie eine White-label-Plattform für etablierte kleine­ und mittel­große Vermögensverwalter sowie Privatbanken in der Ver­mögensverwaltungsbranche Einzug halten.

Worin liegt der Reiz von Elinvar?
Die Talanx-Gruppe verspricht sich einerseits natürlich davon, als Investor zu reüssieren. Generell sehen wir unser Engagement aber noch deutlich vielschichtiger und eher als strategische Beteiligung. Mit Elinvar wollen wir gegenüber Vermögensverwaltern und Privatbanken ein Partner sein, der die ­tiefgreifende Expertise eines großen Asset Managers mit allen Marktzugängen und ­Prozesskenntnissen mit dem dynamischen Start-up-Geist eines Company Builders verbindet. Jeder bringt das ein, was er am besten kann: Finleap die Kompetenz der digitalen Abbildung von Prozessen mit Algorithmen und zeitgemäßen User Interfaces, wir das Know-how als institutioneller Manager von Kapitalanlagen. Mit dieser einzigartigen Kombination wollen wir bestehende Partner näher an uns binden und natürlich auch neue Partner gewinnen.

Sie haben über „Ökosysteme“ von Insurtech-Firmen Zugriff auf ein Netzwerk an Start-up- Unternehmen und damit Zugang zur Gründerszene jener Firmen, die Innovationen für Versicherungen und Finanzdienstleister entwickeln. Was versprechen Sie sich davon?
Von solch einem strukturierten Insurtech-Screening versprechen wir uns eine früh­zeitige Identifizierung neuer Trends und innovativer Technologien für die Versicherungsindustrie. Die Talanx möchte so potenziell disruptive Geschäftsmodelle frühzeitig erkennen sowie neuartige Kooperations- und Geschäftsideen entwickeln. Wir wollen Know-how sowie ein Netzwerk aufbauen und Trends, Ideen und innovative Technologien in die Talanx-Gruppe transferieren.
Konkret sollen am Ende idealerweise ­potenzielle Beteiligungsmöglichkeiten, ­strategische sowie Kapitalbeteiligungen, für die Talanx-Gruppe an Start-ups stehen. So wie die jungen Unternehmen ihre inno­vativen, disruptiven Ideen einbringen, ­bringen wir als Talanx-Gruppe unsere Kompetenz und Erfahrung in die jungen Unternehmen ein.

Wie findet man im Dickicht der Start-ups die wirklich wichtigen Ideen, und wie bindet man sie in einem Großunternehmen ein?
Um eben die wirklich aussichtsreichen Ideen im „Dickicht“ der Start-ups zu finden, haben wir die Kooperationen mit dem Akzelerator Startupbootcamp und der Innovationsplattform Plug & Play geschlossen. Beide verfügen über weitläufige globale Netzwerke, und wir bekommen schon im Rahmen des Auswahlprozesses für die Programm-Start-ups einen guten Überblick über interessante Start-ups und Geschäftsideen. Während der Programmphase kann dann die Zusammenarbeit mit ausgewählten Start-ups vertieft werden.
Wie die Einbindung in die Talanx-Gruppe am Ende aussieht, ist offen. Wir sind erst einmal interessiert am Erfahrungsaustausch, um die Zukunft der Versicherungsbranche mitzugestalten. Wir können uns aber auch vorstellen, in ein junges Unternehmen zu investieren, es als Geschäftspartner zu gewinnen oder sogar in den Konzern zu integrieren, wenn es sich anbietet und zu uns passt.

Können Sie mir ein Beispiel geben?
Jüngstes Beispiel für eine Investition in eine innovative Idee ist das Joint Venture Elinvar von der Talanx-Tochter Talanx Asset Management GmbH und dem Company Builder Finleap. Durch Talanx Asset Management fungiert die Talanx-Gruppe hier als Investor. Bei Elinvar handelt es sich definitiv nicht um eine­ weitere Gesellschaft innerhalb der Talanx-Gruppe. Für die Zukunft sind aber alle­ strategischen Optionen offen – von einer langfristigen Integration in die Talanx-­Gruppe bis zum kompletten Exit.

Kann sich ein Konzern wie die Talanx dadurch­ gewissermaßen neu erfinden?
Es geht in erster Linie darum, die Vorteile der Digitalisierung und Automatisierung für die Talanx zu nutzen. Beides hilft uns dabei, angesichts der aktuellen Herausforderungen wie Niedrigzinsphase, Kosteneffizienz und verändertes Kundenverhalten im Wettbewerb zu bestehen. Digitalisierung wird sicherlich viele Dinge im Konzern verändern, ich sage beispielsweise Fehlerkultur, Schnelligkeit oder Netzwerkarbeiten. Es wird mehr und mehr darauf ankommen, digitale Fähigkeiten zu entwickeln. Dazu ist beispielsweise auch das Talanx-eigene Digital Lab da.
An der Stelle ist es wichtig, die Mitarbeiter auf dem Weg in das digitale Zeitalter der Talanx-Gruppe mitzunehmen. Das tun wir, indem wir auf allen Mitarbeiterveranstaltungen Digitalisierung thematisieren, ihnen die Dringlichkeit und die ökonomischen Vorteile erklären. Mit sogenannten „Digi-Days“ gewinnen wir unsere Führungskräfte für die anstehenden Veränderungen.

Von Tobias Bürger

portfolio institutionell, Ausgabe 11/2016

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