Alternative Anlagen
5. November 2011

Wetterfrösche kaufen Cat Bonds

Katastrophenrisiken bestechen durch ihre Diversifikationseigenschaften – die aber Erstversicherern nicht zugute kommen.­ Die Aufnahme dieser Risiken in den Anlagekatalog ist (noch) nicht gegeben. Rückversicherer wie die Hannover Rück nutzen jedoch deren vielfältigen Chancen.

Katzen sind seit Tausenden von Jahren auf der ganzen Welt ­heimisch – mit Ausnahme der Antarktis und der Verordnung über die Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen. In der Positivliste der Anlageverordnung sind Cat Bonds ­beziehungsweise der Oberbegriff „Insurance Linked Securities“ (ILS) bislang nicht präsent. Zum Leidwesen des Leiters Kapitalanlagen einer­ großen Pensionskasse, die sich für Investments in Catastrophic Risks interessierte: „Die Bafin hat uns mitgeteilt, dass es sich bei ILS um keine im Anlagekatalog aufgeführte Anlageart handelt. Investments über die Öffnungsklausel sind wegen der fehlenden Besicherung nicht möglich, und im freien Vermögen verstoßen Cat Bonds ­gegen die Spartentrennung.“ Letzteres ist in den Paragrafen 6, Absatz 2 und 8 Absatz 1a des VAG geregelt. Demnach darf zum Beispiel ein ­Lebensversicherer kein Sachversicherungsgeschäft betreiben. Hintergrund der Bafin-Vorbehalte könnte sein, dass man den Schützlingen eine Bewertung spartenfremder Risiken nicht zutraut und bei Schadens­versicherern vermeiden will, dass diese ihre Risiken aus dem operativen Geschäft auch noch kumulativ auf der ­Aktivseite eingehen. Dies kann auch Hans Peter Boller vom ILS-Manager ­Secquaero nachvollziehen. Er gibt aber zu bedenken: „Andererseits kann es Sinn machen, Risiken aus dem heimischen Schadengeschäft mit unkorrelierten Gefahren, wie etwa Erdbeben in Japan, zu diversifizieren. Ebenso wäre es für eine Pensionskasse sinnvoll, ihr Lang­lebigkeitsrisiko auf der Passivseite beispielsweise mit damit nicht zusammenhängenden Naturkatastrophenrisiken – oder noch besser: mit Übersterblichkeitsrisiken wie Pandemiebonds – zu diversifizieren.“

Womöglich könnten aber auch die VAG-Investoren wie die ausländischen Pendants eines Tages doch noch von der Aufsicht grünes Licht für Katastrophenanleihen bekommen. Auf Anfrage von portfolio schließt die Bafin zumindest für die Zukunft Investments nicht gänzlich aus. „Erstversicherungsunternehmen dürfen derzeit weder in ­Insurance Linked Securities beziehungsweise Cat Bonds investieren. Die diffizilen rechtlichen Fragen eines möglichen Verstoßes gegen die Spartentrennung und des Betreibens des ­Rückversicherungsgeschäftes sind noch nicht abschließend geprüft.“ Zu Änderungen könnte ­beitragen, dass EU-Recht wohl keine ILS-Investments ausschließt und sich bezüglich der Spartentrennung argumentieren lässt, dass sich diese lediglich auf die Passivseite bezieht. Das Spartentrennungsargument auf die Spitze getrieben würde ja auch bedeuten, dass Schadensversicherer keine Aktien von Lebensversicherern kaufen dürfen. Eine Änderung dürfte die erwähnte Pensionskasse freuen: „Tail Risks sind gegeben, und wir hatten Probleme bei der Modellierung. Der Backtest fiel aber okay aus, und insgesamt wären ILS für mich eine gute Diversifikation gewesen“, so der Leiter der Kapitalanlage.

Wie aus der Bafin-Antwort durchklingt, stehen Rückversicherern ILS-Investments offen. Denn diese „unterliegen aufgrund ihres spezifischen Geschäftsmodells weder den Anforderungen der Anlageverordnung noch denen des Rundschreibens 4/2011. Ausgehend vom Rundschreiben 6/2005 (Aufsicht über Rückversicherungsunter­nehmen) sind lediglich die Anlagegrundsätze, welche im Rundschreiben 4/2011 unter Punkt B.3 niedergelegt sind, auch für die Kapital­anlagen der Rückversicherer relevant“, erläutert die Bafin. Diesen ­Umstand macht sich die Hannover Rück zunutze. Der ­Rückversicherer kann in mit versicherungstechnischen Risiken verbundenen Kapitalmarktinstrumenten bis zu 150 Millionen Dollar investieren – obwohl fast alle Gefahren auch schon über ­Rückversicherungsgeschäfte abgedeckt werden. „Es gab noch kaum einen Bond, der Gefahren ­abgedeckt hat, die nicht schon vorher bereits im Rückversicherungsgeschäft ­abgesichert wurden“, erklärt Henning Ludolphs, Direktor bei der Hannover Rückversicherung. Die Hannover Rück ist im ILS-Business als Rückversicherer, Investor, Sponsor und für Kunden als Transformer unterwegs. Der Tanz auf den verschiedenen Hochzeiten schafft eine hohe Markttransparenz, weil man den ILS-Markt aus verschiedenen Perspektiven angeht. Wer als Sponsor mit anstehenden Neuemissionen den Markt auslotet, weiß auch als Investor, welche Kupons ­interessant sind. Außerdem werden die Ressourcen besser genutzt. Diese machen sich nicht zuletzt in der ILS-Anlage bezahlt. „Als Investor hat man häufig die lukrativeren Möglichkeiten“, so Ludolphs. Die Ressourcen, zu denen für Ludolphs neben Meteorologen, Geologen und Fachwissen zur Versicherungsbranche, zu Risikobewertungen und Wahrscheinlichkeitsberechnungen vor allem auch Erfahrung zählt, erlauben es der Hannover Rück, auch direkt in die Bonds und nicht über Manager zu investieren. Laut Swiss Re stammen die in ILS investierten Gelder zu 64 Prozent von ILS-Fonds und zu elf Prozent von Rückversicherern. Auf Hedgefonds entfallen nur fünf Prozent, so dass Notverkäufe im Jahr 2008 den Markt auch kaum belasteten.

Mittlerweile hat man bei Cat Bonds nicht mehr nur die Wahl ­zwischen Risiken aus den USA, Japan und Europa. 2009 emittierte Mexiko eine Anleihe im Volumen von 290 Millionen Dollar. 140 ­Millionen dienen zur Absicherung gegen Erdbebenschäden, 100 Millionen gegen Schäden pazifischer und 50 Millionen gegen Schäden ­atlantischer Hurrikane. Im August platzierte der französische Versorger EDF über Natixis eine Anleihe im Volumen von 150 Millionen ­Euro zur Absicherung gegen Stürme in Frankreich. Die Laufzeit ­dieses Bonds ist mit fünf Jahren relativ lang. Investoren wird also ein recht spezialisiertes Angebot offeriert, zumal OTC auch Risiken in Chile oder Neuseeland offenstehen. Andererseits bestehen auch Bonds, die einen globalen Strauß an Risiken abdecken. Für Investoren dürfte das Angebot natürlich noch etwas größer sein. Denn immerhin 88 ­Prozent der ausstehenden Cat Bonds decken laut Aon Benfield Securities US-Hurricans und Erdbeben, Stürme in Europa sowie die Region ­Japan ab (siehe Grafik Seite 30). „Cat Bonds allein bieten begrenzte Diversifikationsmöglichkeiten, das Angebot ist kleiner als die Nachfrage. Das gesamte ILS-Segment bietet aber weitere Möglichkeiten zur Mischung und Streuung“, sagt Ludolphs und verweist auf Langlebigkeits- und Pandemierisiken. Einige Investoren nehmen auch sogenannte ­Industry Loss Warranties mit auf, die sich auf Marktschäden ­beziehen, oder beteiligen sich über Transformergesellschaften direkt am Rückversicherungsgeschäft. Dies ermöglicht eine weitergehende Streuung der Risiken. Prinzipiell bevorzugen Sponsoren Rückversicherungen zur Absicherung, da die Emission eines Cat Bond komplexer und ­zumindest derzeit noch teurer ist und mehr Zeit in Anspruch nimmt. Hinzu kommen unterschiedliche Präferenzen: Investoren ­bevorzugen aus Transparenzgründen parametrisch oder indexbasierte Anleihen. Deren Trigger hängen von der Stärke von Stürmen und Erdbeben ab. Sponsoren sind jedoch Indemnic-Anleihen lieber, weil diese ihren ­tatsächlichen Schaden absichern. Dafür sind die Sponsoren auch ­bereit, einen höheren Kupon zu zahlen. Dieser kann je nach historischer Eintrittswahrscheinlichkeit bis zu zehn Prozent betragen.

Einen Totalverlust erlitt bislang nur der Muteki-Bond durch den Tsunami in Japan in diesem März. Dieser Default macht das Gebot der Diversifikation deutlich. Die Qualität von ILS-Managern lässt sich insbesondere daran erkennen, wie diese Tail Risks gemanagt werden. Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist, wie die durch „zittrige Hände“ entstehenden Marktopportunitäten bei sich auf dem Atlantik zusammenbrauenden Stürmen genutzt werden. Bei eingetretenen Schäden ­haben die Asset Manager jedoch wenig Handlungsspielraum, da die Fungibilität der Bonds dann besonders gering ist. 

_Katastrophen- und systemische Risiken

Die Rückversicherer müssen ILS emittieren, um ihre Risiken ­weiterzureichen, und suchen nach günstigen Instrumenten. Hier bieten neben immer mehr Maklern Investmentbanken insbesondere für OTC-Transaktionen ihre Dienste an, was das Spielfeld der Möglichkeiten vergrößert, aber auch verteuert und zu mehr Verflechtungen führt. Gern werden zwischen Versicherung und Bank Revolving Credit Facilities vereinbart, durch die die Versicherung im Schadensfall von der Bank Geld bekommt, die Bank dafür von der Versicherung eine ­Surplus Note, die über zehn Jahre getilgt werden kann. Dies ist für die Bank aber wegen Basel III nicht attraktiv, und sie versucht, die Note aus ihren Büchern „hinauszudrehen“. Der große Unterschied zu Cat Bonds ist, dass bei einer Surplus Note das Ereignis schon ­stattgefunden hat und nun das „Hinausdrehen“ von der Bonität der Versicherung abhängt. Verflechtungen können auch dadurch entstehen, dass ­Banken engagiert werden, um die Verzinsung der Einzahlungen zu erhöhen oder für einen Leverage durch Konstruktionen zu sorgen, bei denen die Investoren weniger als 100 Prozent einzahlen. Zu den ­Strukturierern zählen aber auch Rückversicherer, die die Banken zum Mitmachen einladen. Das Problem ist, dass die Wetter- und Risiko­experten in der Versicherung sitzen und deren Daten von der Bank nur ­nachgerechnet werden. Die Asset Manager verlassen sich dann auf die nicht vorhandenen Experten bei den Banken, die Investoren wiederum auf die ­Asset Manager und sind dann am Ende womöglich selbst verlassen. Die vielleicht einmal heikle Rolle von ­Investment­banken im Dunkeln des OTC-Markts ändert aber nichts daran, dass ILS trotz ­ihrer Tail Risks für die Stabilität des Gesamtportfolios – wenn es die Regulierung zulässt – sehr interessant sein können.

Autoren:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert