Asset Manager
28. September 2011

Operation Twist ist ein Fake

Volkswirt Dr. Martin Hüfner warnt davor, das europäische Schuldenproblem zu überdramatisieren. Weiteres Thema auf dem Lampe-Forum: Solvency II.

Keynes ist nicht tot, liegt aber im Koma. Mit diesen Worten brachte Dr. Martin Hüfner, ehemaliger Chefvolkswirt der Hypovereinsbank und heute bei assénagon, auf dem Lampe Asset Management Forum seine Meinung zur aktuellen Geldpolitik der Notenbanken zum Ausdruck. Zeitweise sei er zuversichtlich gewesen, dass die Notenbanken einen klaren Kopf behalten und nicht in Panik verfallen, doch dieses Bild ändere sich gerade. Nur wenig hält Hüfner von der vergangene Woche angekündigten Maßnahme der US-Notenbank: „Operation Twist ist ein Fake, bewirken wird man damit nichts. Die langfristigen Zinsen für US-Treasuries werden noch weiter gesenkt, obwohl sie bereits bei 1,7 Prozent liegen. Das geht aber nicht zugunsten der kurzfristigen Zinsen.“ Kaum positiver fällt Hüfners Urteil über die Europäische Zentralbank aus. Hüfner geht davon aus, dass diese die Zinsen noch im Herbst senken wird, obwohl sie diese erst im Sommer angehoben hat. „Ein Viertelpunkt bringt allerdings nichts“, so Hüfner.
Gleichzeitig warnte er in seinem Vortrag vor allzu viel Pessimismus: „Wir sind meilenweit von einer Rezession entfernt. Wir kommen einfach in eine Phase des langsamen Wachstums.“ Für das zweite Halbjahr erwartet er, dass es wieder leicht nach oben gehen wird. Auch das europäische Schuldenproblem sollte seiner Ansicht nach nicht überdramatisiert werden. Die Schulden seien zwar hoch, aber in Relation mit den USA oder Japan deutlich geringer. „Man muss die Kirche im Dorf lassen, wenn man über das europäische Schuldenproblem spricht“, so Hüfner. Gänzlich von der Hand will er Europas Probleme jedoch nicht weisen. So hält er den Euro zwar für eine gute Währung, die überall akzeptiert sei, bei ihrer Konstruktion habe es jedoch einen Denkfehler gegeben. „Wir haben eine Währung für die Vereinigten Staaten von Europa geschaffen, aber diese Vereinigten Staaten gibt es nicht. Vielmehr ist es eine wilde Horde“, so Hüfner. Für ihn gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder eine europäische Lösung oder die Anpassung der Währung an die Wirtschaftspolitik. Das hieße im Klartext das Ende der Gemeinschaftswährung. „Die Modelle von Währung und Wirtschaft passen im Moment nicht zusammen. Deshalb hilft langfristig auch kein Rettungsschirm. Der kann den Brand nicht verhindern“, so Hüfner weiter. An einen Austritt Griechenlands aus dem Euro glaubt er unterdessen nicht, man müsse sich jedoch auf einen Staatsbankrott vorbereiten.
Neben dem ehemaligen Chefvolkswirt der Hypovereinsbank machte sich auf der Lampe-Konferenz auch Peter Ebertz, persönlich haftender Gesellschafter vom Bankhaus Lampe, seine Gedanken zu Griechenland. Seiner Ansicht nach sollte man sich ein Beispiel an der Wirtschaft nehmen und sich anschauen, wie dort mit einem Sanierungsfall umgegangenen wird. „Man lässt den Unternehmen Zeit“, merkte Ebertz an. Diese müsste man auch Griechenland geben, damit sich das Land sanieren kann. Dies werde allerdings nicht gemacht, kritisierte Ebertz: „Die ersten positiven Ergebnisse hört man frühestens zu Beginn des nächsten Jahres, aber nicht jetzt schon.“ In das gleiche Horn stieß auch Professor Dr. Lutz Johanning von WHU – Otto Beisheim School of Management: „Man muss Griechenland als Sanierungsfall sehen und die Erfahrung mit Sanierungsfällen aus der Wirtschaft nutzen. Aber genau das wird nicht gemacht.“
_Erzwungener Gleichschritt
Kritische Worte fand Johanning in seinem Vortrag auf dem Lampe-Forum auch für die Regulierungen, allen voran Basel III, Solvency II, und die Derivateverordnung. „Alle Anleger werden nach denselben Prinzipien reguliert. Angesichts dieses erzwungenen Gleichschritts muss man sich nicht wundern, wenn in einer Krise alle Anleger zur selben Zeit durch eine Tür wollen“, so der WHU-Professor. Negativ stößt ihm vor allem das Abstellen auf Ratings sowohl in Basel III als auch Solvency II auf. „Es darf nicht sein, dass Anlageentscheidungen von externen Ratings getroffen werden. Versicherungen haben doch die Expertise, um selbst die Entscheidung zu treffen, ob sie einen Bund verkaufen oder nicht“, führte er aus.
Nach derzeitigem Fahrplan wird Solvency II 2013 gelten, wobei eine Verschiebung um ein Jahr derzeit in der Diskussion ist. Dies ist jedoch nicht der einzige Diskussionspunkt. Heiß debattiert wird derzeit unter anderem auch die Frage, inwieweit Solvency II für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge gelten soll. Eine klare Antwort darauf konnte Martin Eibl von Pricewaterhouse Coopers in seinem Vortrag „Solvency II bei Pensionskassen und Versorgungswerken“ nicht geben. „Wo die Reise hingeht, lässt sich im Moment nicht sagen“, sagte Eibl. Von einer vollen Anwendung bis hin zu keiner sei alles denkbar. Gegen eine vollständige Anwendung setzt sich die Arbeitsgemeinschaft für bAV ein, da dies zu Mehrkosten von bis zu 40 Prozent führen würde. Demgegenüber fordert der europäische Versicherungsverband, dass für Pensionskassen und Versorgungswerke dieselben Regeln gelten sollten wie für Versicherungen. Eine erste Konsultationsphase zu diesem Thema lief Mitte August aus. Im Oktober wird eine zweite Runde starten, die Ende des Jahres auslaufen wird. „Das Ziel ist, dass bis Ende 2012 ein Ergebnis steht“, so Eibl.
portfolio institutionell newsflash 28.09.2011/kbe

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