Pension Management
25. Februar 2020

Potenzielle Power Player

In Deutschland sind Konsolidierungen von Pensionskassen ein ­zäher Prozess. Während sich das verwaltete Vermögen in den ­vergangenen zwölf Jahren fast verdoppelt hat, sank die Anzahl der Kassen laut WTW um 13 Prozent. Ein Blick über den Kanal zu den britischen Defined Benefit Pension Funds zeigt allerdings wie ­Konsolidierung in Hochgeschwindigkeit aussehen kann.

Vor fünf Jahren kündigte der damalige britische Finanzminister, George Osborne, überraschend an, dass er Großbritannien wach rütteln wolle. Ziel seiner Kritik waren die Local Government ­Pension Funds, die Pensionskassen der Kommunalverwaltung. Die insgesamt 89 Pensionskassen, welche zu dem Zeitpunkt mehr als 235,5 Milliarden Euro verwalteten, seien ineffizient, teuer und ­investierten zu wenig in Infrastruktur. Sie sollten darum durch ­eine Handvoll britischer Staatsfonds nach dem australischen ­Modell ersetzt werden, so Osborne’s ehrgeiziger Plan. Seitdem hat sich einiges getan. Osborne, der dem damaligen Premier David ­Cameron nahestand, ist inzwischen Chefredakteur der viertgrößten­ Tageszeitung, dem Evening Standard, und hat ­einen lukrativen ­Beratervertrag mit Blackrock. Seine Konsolidierungs­pläne für die Pensionskassen haben sich trotzdem weiter ­entwickelt, wenn auch nicht ganz so wie geplant.

Osbornes ursprünglicher Plan stieß auf gemischte Reaktionen. ­Befürworter sahen in der Konsolidierung eine Möglichkeit kosteneffizienter zu investieren. Gegner wie Unison, die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes, warnten, dass die Ersparnisse der Arbeitgeber eingesetzt würden, um fehlende Infrastrukturinvestitionen der Regierung zu kompensieren. Die Ersparnisse der ­Arbeitnehmer würden damit unverhältnismäßigen Liquiditätsrisiken ausgesetzt. Es ginge dem Finanzministerium primär darum, Kosteneffizienz für die englische Regierung zu erreichen, nicht unbedingt für die Mitglieder der Pensionskasse. Im Gegensatz zu Deutschland, wo ein solcher Konsolidierungsprozess auf erheblich mehr ­Widerstand gestoßen wäre, spielte die Abgabe der Verantwortlichkeiten in ­England kaum eine Rolle. Selbst die Gewerkschaft Unison sprach sich nicht prinzipiell gegen ein Pooling aus.

Große Schritte

So kam der Konsolidierungsprozess trotz Kritik mit großen ­Schritten voran, denn die Regierung setzte ehrgeizige Vorgaben. Der Begriff des britischen Staatsfonds wurde im Anbetracht der ­Beanstandungen diskret zur Seite geschoben, stattdessen etablierte sich der Name LGPS Pool (Local Government Pension Scheme). ­Innerhalb von nur drei Jahren, im April 2018, sollten alle Pensionskassen des öffentlichen Dienstes einem sogenannten LGPS Pool untergeordnet sein, jeder Pool sollte nach dem geplanten Abschluss des Konsolidierungsprozesses im Jahr 2020 ein verwaltetes ­Vermögen von knapp 30 Milliarden Euro verwalten.

Zum Zeitpunkt der ersten Terminvorgabe im April 2018 schien ­alles mehr oder weniger nach Plan zu verlaufen, die 89 LGPS ­Pensionskassen waren nun insgesamt acht LGPS Pools untergeordnet. Der weitaus schwierigere Teil des Konsolidierungsprozesses­ war nun, die Gelder, welche in den unterschiedlichsten Anlageklassen­ investiert waren, einer gemeinsamen Organisationsstruktur unterzuordnen. Erwartungsgemäß ließ sich dieser Vorgang einfacher in liquiden Anlagen wie ETFs, Aktien und Anleihen­ umsetzen, ­während der Zusammenschluss von Infrastrukturinvestitionen komplexer war. Dennoch setzte das Ministerium für Kommunalverwaltung, welchem der Pooling-Prozess ­untergeordnet war, eine weitere ehrgeizige Deadline. Laut einem Leitfaden vom Januar 2019 sollte es ab Januar 2020 keine neuen Anlagen mehr ­außerhalb der Pools geben. Zwar war diese Vorgabe noch nicht bindend, ­trotzdem wurde das verwaltete Vermögen der öffentlichen ­Pensionskassen in Eile zusammengeschaufelt.
Gleichzeitig war der politische Kontext in der Periode von 2015 bis 2020 nicht gerade ereignislos. Innerhalb von fünf Jahren gab es auf der Insel zwei Parlamentswahlen, das EU-Referendum, drei verschiedene Premierminister und das Ministerium für Kommunal­verwaltung wurde von vier verschiedenen Ministern geleitet. Diese politischen Turbulenzen haben sicherlich zur relativen Autonomie beigetragen, mit welcher sich die jeweiligen Pools entwickelten. So entstanden acht völlig unterschiedliche Fondsstrukturen.

Treuhänder, Vermögensverwaltung, Anlageberatung?

In der Entstehungsphase orientierten sich die Pools sowohl nach geographischen Kriterien als auch an der organisatorischen ­Struktur der bestehenden Pensionskassen. Auf geographischer Ebene vereinten sich Wales Pension Partnership und London CIV, die Landes- beziehungsweise Gemeindegrenzen teilten. Die ­Partnerfonds anderer Pools, zum Bespiel des Access Pools oder des Border to Coast Pools sind über das ganze Land verbreitet. Der ­Border to Coast Pool reicht von Surrey im Südwesten Londons bis South Yorkshire, dass sich knapp 400 Kilometer weiter nördlich befindet, während der Access Pool vom nordwestlichen Norfolk bis zur 300 Kilometer südlich entfernten Isle of Wight reicht. Was die geographisch weit voneinander getrennten Gemeinden vereint, ist eine ähnliche Vorstellung, wie das Vermögen der jeweiligen Pen­sionskassen verwaltet werden sollte. Border to Coast, der LGPS Pool, welchem North Yorkshire, Surrey und zehn weitere Gemeinden mit einem verwalteten Vermögen von 53 Milliarden Euro ­angehören, hat auf der bereits vorhandenen Investmentkapazität aufgebaut. So entscheidet der Pool über die möglichen Bausteine des Portfolios, zum Beispiel welche Aktien Teil des Portfolios sein könnten. Die jeweiligen Partnerfonds sind allerdings für die ­Gewichtung der einzelnen Anlageklassen verantwortlich.

Die LGPS Pools ähneln der Bayerischen Versorgungskammer, ­welche als öffentlich-rechtliche Versorgungsgruppe für zwölf ­Altersvorsorgeeinrichtungen als Kapitalanlage-Plattform fungiert. Die Pools unterscheiden sich voneinander jedoch in ihrem Selbstverständnis. Border to Coast hat die Rolle einer Asset-Management- Plattform, welche den einzelnen Einrichtungen Zugriff zu einer breiteren ­Palette an Anlagemöglichkeiten bietet, die genaue ­Gewichtung bleibt allerdings diesen überlassen. Im Gegensatz ­dazu sieht LPP, mit einem Vermögen von 21 Milliarden Euro, ­Anlageberatung und Entscheidungen zur Gewichtung der jeweiligen Anlageklassen auch als Teil seiner Verantwortlichkeiten. ­Access Pool, welcher 54 Milliarden Euro für elf Partnerfonds vertritt, hat ­eine externe Firma mit der Verwaltung seines Gesamtvermögens beauftragt. Für Access ist das Hauptziel des Pooling-Prozesses, den Partnerfonds eine Vereinfachung des Anlageprozesses sowie bei Bedarf Zugang zu neuen Anlageklassen zu bieten. Ein wiederum völlig anderes Beispiel ist London CIV. Der Pool vertritt die Interessen von insgesamt 32 Partnerfonds im Londoner Raum mit einem Gesamtvermögen von 40 Milliarden Euro. Trotz der ­geografischen Nähe könnten deren Vorstellungen aber nicht unterschied­licher sein. Während einige Partnerfonds den Pool als einen Vermögensverwalter ansehen, erwarten andere, dass er die Rolle eines Treuhänders spielt. Durch diesen Mangel an einer gemeinsamen Vision fing sich London CIV scharfe Kritik von Willis Towers Watson ein. Nach dem plötzlichen Rücktritt von zwei Verantwortlichen warnten die Berater, dass London CIV dringend eine gemeinsame Unternehmensführung brauche. Sonst würde der Pool scheitern.

Aufgrund dieser unterschiedlichen Visionen ist der Konsolidierungsprozess mit wechselnder Geschwindigkeit voran geschritten. Während der LPP nach eigenen Angaben schon circa 80 Prozent seines verwalteten Vermögens in gepoolten Fonds angelegt hat, verwaltet der Northern Pool ausschließlich seine Infrastruktur­anlagen kollektiv. Auf diesem Gebiet war der Northern Pool ein Vorreiter. Schon vor Beginn des offiziellen Pooling-Prozesses ­hatten sich die Pensionsfonds von Lancashire, Merseyside und West Yorkshire zusammengeschlossen, um mit Hilfe des GLIL Infrastrukturfonds gemeinsam insgesamt 1,4 Milliarden Euro in Infrastruktur zu investieren. Gemeinschaftliche Investments sind auch für ­deutsche Altersvorsorgeeinrichtungen zunehmend relevant geworden. So bieten Mehranleger-Spezialfonds kleineren Einrichtungen eine Möglichkeit, illiquide Anlageklassen in ihr Portfolio zu ­integrieren. Einer steigenden Beliebtheit erfreuen sich Club Deals.

Northern Pool, mit einem verwalteten Vermögen von 54 Milliarden Euro einer der größten Pools, ist ausgesprochen kritisch gegenüber dem Pooling-Prozess in der heutigen Form. Im März 2019 wendeten­ sich die Vorsitzenden der jeweiligen Pensionskassen in einem Brief an Rishi Sunak, den damaligen verantwortlichen Minister, und äußerten scharfe Kritik. Das Ministerium habe in seiner aktuellen Terminvorgabe, dass bis 2020 alle neuen Anlagen gepoolt werden sollen, das Preis-Leistungs-Verhältnis völlig außen vorgelassen. Laut Northern Pool bringe die Konsolidierung in anderen ­Anlageklassen überhaupt keine Ersparnisse, sondern sogar ­erhöhte Kosten. Die aktuellen Vorgaben des Ministeriums würden pro Jahr zwölf bis 18 Millionen Euro an Zusatzkosten generieren, so der ­Vorstand des Northern Pools. Eine Quelle im Ministerium ­bestätigte portfolio institutionell, dass man seit Veröffentlichung des Leit­fadens aufgrund der Wahlen im Dezember noch keine Initiativen unternommen habe, diesen umzusetzen. In Anbetracht des ­konservativen Wahlsieges ist es aber wahrscheinlich, dass das ­Ministerium seinen aktuellen Konsolidierungskurs beibehalten wird. Insofern zeichnet sich also ein möglicher Konflikt zwischen dem Northern Pool und dem Ministerium ab.

In kurzer Zeit haben die meisten Pensionskassen den Großteil des Vermögens an Pools abgegeben. So entstehen mehr Potenziale für Infrastrukturfinanzierungen. Fest steht, dass die Pools sich langsam, aber sicher als potenzielle Power Player etablieren. Für so manch einen Fondsanbieter oder eine Beraterfirma bietet die ­Konsolidierung des Vermögens lukrative Mandate und Aufträge.

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