Statement
2. Juli 2019

Sag niemals Niedrigzins!

Profitable Nachrichten für alle, die wehmütig an die guten alten Zinsen zurückdenken: Hohe laufende Zinserträge gehören nicht der Vergangenheit an!

„Schwellenländer sind differenziert zu betrachten“

Interview mit Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der DekaBank.

Emerging Markets wurden Anleger in der Vergangenheit immer als Wachstumsstory „verkauft“. Was sind heute Gründe zu investieren?
Der Blick auf die volkswirtschaftlichen Daten der vergangenen Jahre zeigt eindeutig, dass das Wirtschaftswachstum der Emerging Markets deutlich höher war als das der Industrieländer. Die Wachstumsstory hat somit, zumindest für die Emerging Markets insgesamt, gut funktioniert. Daran dürfte sich in den kommenden Jahren recht wenig ändern. Entsprechend werden die Schwellenländer für das globale Wachstum eine immer wichtigere Rolle spielen. Schon heute entfällt mehr als die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung auf diese Länder, mit kontinuierlich steigender Tendenz.
Anleger sollten sich deshalb intensiv mit den Anlagemöglichkeiten in den Schwellenländern auseinandersetzen. Dabei überdeckt der Sammelbegriff Schwellenländer, dass es sich bei dieser Gruppe um höchst unterschiedliche Länder handelt. Eine saubere makroökonomische Analyse ist damit unabdingbar. Rein aus der makroökonomischen Brille betrachtet sind beispielweise Südkorea, Taiwan, Israel und Polen attraktive Regionen.

Ist die wichtigste Einflussgröße für Emerging Markets immer noch der Fed-Zins?
Die Höhe der Leitzinsen in den USA ist für die Emerging Markets ein ganz wesentlicher Faktor. Denn höhere Leitzinsen in den USA führen auch in den Schwellenländern zu einem Anstieg der Finanzierungskosten. Eine wichtige Rolle spielen dabei natürlich auch die lokalen Währungen, die mit steigendem US-Zins in der Regel abwerten. In dieser Kombination geraten die Notenbanken der Schwellenländer dann ebenfalls unter Druck, die Zinsen zu erhöhen, was die Wirtschaft abbremst oder gar abwürgt.
Dass der Fed-Zins nach wie vor eine zentrale Rolle für die Schwellenländer spielt, war gerade im vergangenen Jahr gut zu erkennen. Denn die Zinserhöhungen der US-Notenbank setzten die Aktien-, Anleihen- und Währungsmärkte der Schwellenländer unter erheblichen Abgabedruck. An dieser Wirkungsweise wird sich auch in naher Zukunft wenig ändern. Besonders gefährdet sind Schwellenländer mit einer hohen Verschuldung in US-Dollar, wie etwa Argentinien, die Türkei oder Südafrika.

Emerging Markets sind heute ein Sammelbegriff für alle Regionen außerhalb von Nordamerika, Westeuropa, Japan und Australien. Ist es sinnvoll, diese pauschale Einteilung zu hinterfragen und zum Beispiel nach Next Generation, Frontier Markets oder nach Kontinenten zu unterscheiden?
Anleger sollten sich der großen Unterschiede innerhalb der Schwellenländer bewusst sein. Eine differenzierte Betrachtungsweise ist extrem wichtig. Dabei sollte zunächst zwischen den eigentlichen Schwellenländern und den weit weniger entwickelten und oftmals sehr kleinen Frontier Markets unterschieden werden, zu denen beispielsweise Länder wie Vietnam, Ecuador, Ägypten oder auch Bulgarien gehören. Für beide Marktsegmente ist zudem eine regionale Differenzierung empfehlenswert. Aber selbst innerhalb der Regionen Lateinamerika, Asien, Afrika, Europa oder dem Mittleren und Nahen Osten sind die Unterschiede der einzelnen Länder erheblich. Neben der regionalen Differenzierung bestehen globale Abhängigkeiten. Bei Ländern wie der Türkei und Argentinien ist es aufgrund des hohen externen Finanzierungsbedarfs die Abhängigkeit von der Entwicklung des US-Dollars. Bei Russland, Chile sowie den Ländern aus dem Nahen Osten die von den Rohstoffpreisen. Die exportorientierten asiatischen und osteuropäischen Schwellenländer sind dagegen stark von der globalen Konjunkturentwicklung abhängig.
Dennoch sollte bei allen Versuchen der Kategorisierung nach regionalen Zugehörigkeiten oder globalen Abhängigkeiten immer eine detaillierte Einzelland-Analyse vorgenommen werden. Dies gilt vor allem bei den Frontier Markets. Grundsätzlich sind Investitionen in diese Märkte einem erhöhten makroökonomischen und politischen Risiko sowie einem größeren Liquiditätsrisiko ausgesetzt. Durch ihre geringe Korrelation zu anderen Märkten eignen sie sich aber gut zur Diversifikation.

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