Strategien
7. Mai 2012

Studie: Rückschlag für Nachhaltigkeit

Laut einer aktuellen Union-Studie sind institutionelle Investoren gegenüber nachhaltigen Investments zurückhaltender geworden. Auf einer Podiumsdiskussion während der 2. Fachkonferenz der UN PRI wurde deutlich: Deutsche Investoren stehen vor allem beim Thema „Engagement“ noch am Anfang.

Deutsche institutionelle Investoren sind dem Thema Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage gegenüber weiterhin positiv eingestellt. Soweit die gute Nachricht des aktuellen Stimmungsindexes zur nachhaltigen Kapitalanlage von Union Investment und Professor Henry Schäfer von der Universität Stuttgart. Die schlechte Nachricht: Im Vergleich zum Vorjahr sind die 202 befragten institutionellen Anleger, die zusammen auf ein verwaltetes Vermögen von 2,4 Billionen Euro kommen und im Februar und März 2012 an der Studie teilnahmen, deutlich zurückhaltender. Auf der Skala von -100 bis +100 Punkten wies der aktuelle Index einen positiven Wert von vier auf, im Vorjahr waren es noch 22 Punkte. 
Der Rückgang lässt sich an folgenden drei Punkten, die in der von Februar bis März 2012 durchgeführten Studie abgefragt wurden, festmachen: Erstens gaben in diesem Jahr nur knapp 50 Prozent der Investoren an, Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Anlageentscheidungen zu berücksichtigen. Im vergangenen Jahr waren es hingegen 64 Prozent. Ein genauer Blick auf die Studie offenbart jedoch deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Investorengruppen. Während 62 Prozent der 29 befragten Großunternehmen und 53 Prozent der 43 befragten Versicherungen die Frage nach der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bejahten, war dies bei den Altersversorgern und Pensionskassen nur bei 30 Prozent der Fall. Erstaunlich ist, dass nur 46 Prozent der 26 befragten Stiftungen und Kirchen angaben, Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen. Gilt diese Investorengruppe doch gemeinhin als besonders nachhaltig. 
Zweitens sank in diesem Jahr bei den Investoren die Gewichtung nachhaltiger Strategien im Rahmen der gesamten Anlagepolitik. Während sich 2011 noch 59 Prozent der damals 218 befragten Großanleger dazu bekannten, nachhaltige Strategien im Vergleich zu anderen Investmentkriterien stark oder sehr stark zu berücksichtigen, fiel dieser Anteil in der aktuellen Befragung auf nur noch 42 Prozent. Auch hier zeigen sich erneut deutliche Unterschiede zwischen den Investorengruppen. Bei Versicherungen wird der Nachhaltigkeitsaspekt immerhin von 61 Prozent stark oder sehr stark berücksichtigt, bei Stiftungen sind es 50 Prozent. Unter den Altersversorgern und Pensionskassen gibt hingegen keiner der Befragten an, dieses Thema in seinen Anlageentscheidungen stark oder sehr stark zu beachten.   
Der dritte Punkt, der zu dem gesunkenen Stimmungsindex beigetragen hat, ist schließlich ein Informationsdefizit. So sank die Anzahl der Investoren, die sich in Sachen Nachhaltigkeit gut oder sehr gut informiert fühlt, von 57 Prozent im Vorjahr auf 40 Prozent. 
„Die aktuellen Ergebnisse lassen darauf schließen, dass in der Beurteilung nachhaltiger Investmentstrategien eine gewisse Verunsicherung eingetreten ist“, bemerkte Alexander Schindler, Vorstandsmitglied bei Union Investment. Er geht davon aus, dass sich im Zuge der europäischen Staatsschuldenkrise die Prioritäten verschoben haben und in dem aktuellen Marktumfeld eher die Sicherung des benötigten Mindestertrags alles andere dominiert. Ungeachtet dessen ist Professor Henry Schäfer überzeugt, dass institutionelle Anleger, die schon seit längerem nachhaltig investieren, dies auch weiterhin tun: „Schwankungen in den Einstellungen der Investoren sind üblich und in der aktuellen Größenordnung durchaus im Rahmen.“ 
Wie aus der Studie weiter hervorgeht, ist die Triebfeder hinter dem Einsatz nachhaltiger Anlagestrategien bei 65 Prozent der Investoren das Risikomanagement, das verbessert werden soll. Das wichtigste Kriterium für eine nachhaltige Kapitalanlage ist für die Mehrheit (73 Prozent) der ökonomische Nutzen, gefolgt von sozialen, ethischen und ökologischen Aspekten. Darüber hinaus gaben 47 Prozent der Befragten an, ihre Rolle als aktiver Investor auf- oder ausbauen zu wollen. Das heißt, sie planen, durch einen gezielten Dialog mit Unternehmen Einfluss auf ökologische und soziale Kriterien sowie Grundsätze guter Unternehmensführung zu nehmen. Im Vorjahr waren es nur 42 Prozent, die sich in diesem Bereich engagieren wollen. 
Trotz dieses Bekenntnisses ist das sogenannte Engagement in Deutschland noch ein relativ neues Thema. „Shareholder-Engagement ist in Deutschland erst am Beginn. Das Thema ist erst vor etwa eins, zwei Jahren in Gang gekommen“, erklärte Dr. Ekkehard Thiesler, Vorstandsvorsitzender der Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank), Anfang Mai auf einer Podiumsdiskussion während der 2. Fachkonferenz der UN PRI und Union Investment. In den Dialogen zwischen Unternehmen und Investoren geht es laut Professor Schäfer vor allem um Governance-Themen: „Klassische Themen wie ökologische oder ethische Aspekte, sind auf der Agenda nicht stark positioniert.“ Das kann auch Union-Investment-Vorstand Schindler bestätigen: „Nachhaltigkeit wird von den Unternehmen noch nicht so stark akzentuiert. Wir führen im Jahr etwa 1.000 Gespräche mit Unternehmen, davon gehen rund 250 um Nachhaltigkeit.“ Erhebliches Verbesserungspotenzial sieht auch Dr. Wolfgang Engshuber, Chairman der UN PRI: „Der Dialog zwischen Unternehmen und Investoren funktioniert noch nicht.“ Und weiter: „Es gibt von Unternehmen SRI-Berichte, aber die scheinen die Investoren nicht zu interessieren. Ihnen geht es um finanztechnische Themen.“ Um den Dialog zu verbessern, hat die UN PRI eine entsprechende Arbeitsgruppe eingerichtet. 
Die Principles for Responsible Investments (PRI) der UN haben aktuell 1.046 Institutionen unterschrieben, davon 250 Asset Owner. Deutsche Investoren muss man in dieser Liste allerdings mit der Lupe suchen. Nach aktuellem Stand haben sich sechs Investoren zu den Prinzipien bekannt: die Allianz SE, die Bayerische Versorgungskammer, die Deutsche Bundestiftung Umwelt, die KfW-Bankengruppe, die Landesbank Baden-Württemberg und Munich RE – die sogar zu den Erstunterzeichner gehört. Den Grund für die bisherige Zurückhaltung der Investoren vermutet Schindler in der „Gründlichkeit der Deutschen“, die bereits bei der Unterzeichnung alles erfüllen wollen, was von den PRI gefordert wird.  „Man muss nicht 100-prozentig PRI-tauglich sein, um zu unterschreiben“, räumte Engshuber ein mögliches Missverständnis während der Podiumsdiskussion aus. „Das erste Jahr hat man ein Freilos. Wir unterstützen die Kapitalanleger bei der Umsetzung in jeder Asset-Klasse“, fügte er hinzu. Jeder Unterzeichner der PRI muss dann allerdings einmal im Jahr einen Report abgeben. Bislang sind diese Reportings nicht öffentlich. Die Veröffentlichung soll laut Engshuber jedoch in Zukunft zur Pflicht werden.
portfolio institutionell newsflash 07.05.2012/kbe
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