Pensionskassen
13. Februar 2020

Über Zielkonflikte zum Ziel

Silke Stremlau, Vorstand für Kapitalanlage, diskutiert mit Tim Büttner die Nachhaltigkeitsstrategie der Hannoverschen Kassen.

Den Niedrigzinsen können sich auch die Hannoverschen Kassen genauso wenig ent­ziehen wie dem Klimawandel. Letzteren versucht die Pensionskasse jedoch entschieden zu ­gestalten und dürfte mit ihrer nachhaltigen Anlagestrategie größeren ESG-Risiken aus dem Weg gehen. Elementar ist dabei die interne Organisationsentwicklung und die Einbindung der Mitglieder. Im Gespräch rückt Vorstand Silke Stremlau zudem Immobilien in den ­Fokus der Nachhaltigkeitsdiskussion.

Frau Stremlau, Sie haben als erste deutsche Pensionskasse einen Transparenz- und ­Investitionsbericht veröffentlicht, der ­beispielsweise alle Anleihen-Emittenten ­Ihres Portfolios auflistet. Geht Nachhaltigkeit nur mit mehr Transparenz?

Ich denke, dass Transparenz unabdingbar zur Nachhaltigkeit gehört und zwar in ­zweierlei Hinsicht. Einerseits mache ich als Investorin transparent, nach welchen Kriterien ich wo investiere und welche Zielkonflikte ich habe. Aber ich erwarte es natürlich auch von meinen Investitionsobjekten, dass diese transparent darüber berichten, wo sie im Bereich Nachhaltigkeit stehen, welche Errungenschaften sie vorzeigen können und wo sie noch Verbesserungsbedarf haben. Als Investorin, gerade als jemand, der treuhänderisch mit Geldern umgeht, muss ich das Thema Transparenz auch als Messlatte für die eigene Institution umsetzen.

Wie kam es zu der Idee?

Intern wird das schon länger diskutiert. Wir haben eine sehr engagierte Mitgliederschaft, die auf Mitgliederversammlungen den Wunsch geäußert hat, dass wir mehr ­darüber berichten, wo wir investiert sind. ­Zudem guckt man auch immer, was andere ­machen, was sind Best-Practice-­­Möglich­keiten, was gefällt uns daran und wie ­können wir es ­adaptieren. Zum Beispiel über unsere vielen Verbindungen mit der GLS-Bank, die als einzige deutsche Bank ihr komplettes Kreditportfolio offenlegt und die auch für ihre Fonds Transparenz­berichte veröffentlicht.

Schließlich haben wir im vergangenen Jahr, als ich hier als Vorstand angefangen habe, einen großen Review-Prozess gemacht: Wo stehen wir eigentlich im Bereich Nachhaltigkeit, wie zufrieden sind wir mit den Nachhaltigkeitsratings, mit welcher Agentur ­arbeiten wir zusammen, wie kommen wir zu Investitionen, wie ist unsere Kommunikation? Und dann kam das Thema Transparenzbericht ganz schnell auf die Agenda.

Wo sind Sie zufrieden mit der Transparenz der Emittenten und wo gibt es den größten Aufholbedarf?

Unser aktuelles Portfolio besteht immer noch zu einem großen Teil aus verschiedensten Arten von Anleihen von Kredit­instituten. Da ist, glaube ich, auch der ­größte Bedarf, vor allem, wenn wir über das Thema Klima-Impact reden. Wir haben das gemerkt, als wir den CO₂-Fußabdruck ­unseres Portfolios berechnen wollten. Wir bekamen super Werte, weil wir ganz viele Kreditinstitute haben, die aufgrund fehlender Scope-3-Daten gute CO₂-Zahlen haben.

Aber bei einer Bank ist eben entscheidend, welche Klimarisiken sie im Investitions- und Kreditbereich hat, und da gibt es noch nicht ausreichend valide Daten. Ich habe dann gesagt, dass wir mit so einer schön aussehenden Zahl nicht an die ­Öffentlichkeit gehen können, wenn diese Daten nicht vorliegen.

Es gibt Beispiele aus den skandinavischen Ländern, wo auch die Anzahl der Wert­papiere, die Haltedauer und so weiter ­veröffentlicht wird. Ist das eine Perspektive, die auch Sie haben?

Ja. Der nächste Transparenzbericht im März wird hier den nächsten Schritt gehen.

Wie lautet Ihr Plan?

Den Bericht noch viel detaillierter zu ­machen. Und auch über Investitionen zu berichten, die wir aus Nachhaltigkeits­gesichtspunkten nicht getätigt haben oder von denen wir uns aus diesen Gründen trennen. Gerade das finde ich immer spannend. Wir sind beispielsweise gerade dabei, uns von einer Anlage zu trennen, weil die Geschäftsführung mit AfD- nahen ­Aussagen aufge­fallen ist. Als Hannoversche Kassen stehen wir eindeutig für demokratische Werte, so dass es für uns klar war, solche Geschäftspolitik wollen wir nicht weiter ­finanziell unterstützen oder tolerieren.

Über solche Dinge zu berichten, ist für ­unsere Mitglieder interessant. Also: Wo merkt man die Nachhaltigkeit wirklich? Weil ich glaube, wir können über Halte­dauer reden und über Performance und ähnliches. Aber was brauchen die Mitglieder letztendlich von uns? Sie brauchen die Gewissheit, dass wir das Thema ernst nehmen und dass wir ein Rückgrat haben. Und sie wollen merken, wo wir uns ­unterscheiden.

Wie lief intern die Diskussion?

Es gab intern schon auch die eine oder den anderen Kollegen, die sagten „die Performance ist aber eigentlich ganz gut und die brauchen wir auch gerade“ und fragten, ob wir uns das leisten können. Das haben wir dann mit unseren Mitgliedern diskutiert. Wir haben einen Sprecherkreis, auch im Aufsichtsrat haben wir es diskutiert. Und überall kam sofort: solchen Menschen will ich mein Geld nicht geben.

Hilft da die Rückkopplung mit Sprecherkreis und Nachhaltigkeitsbeirat und der ­direkte Draht zu Mitgliedern, um auch so schwierige Entscheidungen zu treffen?

Genau. Wir brauchen natürlich zu allererst selbst eine Orientierung als Marschrichtung. Darüber hinaus  finde ich es sehr wichtig, mich da rückzukoppeln, weil wir  als Treuhänder die Gelder verwalten. Und wenn von der Mitgliederschaft oder vom Aufsichtsrat ganz klar das Signal kommt: nein, das ist richtig, da müsst ihr raus, dann hilft einem das sehr. Denn das sind politische Entscheidungen. Relativ häufig hat man den Eindruck, das wollen viele in der Branche nicht so sehen. Die sehen sich ja eher als unpolitische Zahlenoptimierer. Aber nachhaltiges Investieren hat immer auch eine politische Dimension.

Mittlerweile hat sich die Einsicht durch­gesetzt, dass Nachhaltigkeit keine Performance kostet. Aber im Einzelfall diskutiert man ja dann doch über die Frage. Wie gehen Sie damit um?

Ich würde auch sagen: Nachhaltigkeit kostet keine Performance, wenn ich eine marktübliche Rendite haben will, da es mittlerweile genügend Alternativen in allen Produktkategorien gibt. Wenn ich eine exorbitante Rendite anstrebe, dann kann es sein, dass ich das nicht im Bereich Nachhaltigkeit finde.

Welche Gremien gibt es bei Ihnen, die das Thema Nachhaltigkeit intern verhandeln?

Bei uns ist das Thema schwerpunktmäßig im Bereich der Kapitalanlage angesiedelt. Bei jeder Anlage werden sofort unsere Kriterien überprüft, zudem gucken wir eigentlich immer, ob es auch einen gesellschaft­lichen Mehrwert gibt, den das Unter­nehmen leistet oder wie es zur Lösung unserer ­gesellschaftlichen Probleme beiträgt.

Zudem machen wir viel intern im Bereich Organisationsentwicklung unter dem Stichwort „Reinventing Organizations“, da für mich beide Seiten zusammengehören. Ich kann Nachhaltigkeit nicht nur in der Kapitalanlage leben, sondern das ganze Unternehmen muss es eigentlich atmen. Zudem haben wir einen Nachhaltigkeitsrat, der sich aus externen Experten und Mitgliedern ­zusammensetzt. Das ist ein Sparrings­partner für uns, mit dem wir strategische Fragen diskutieren.

Sie haben eine Mitgliederumfrage unter ­anderem auch zu Nachhaltigkeitsthemen durchgeführt. Was waren die Ergebnisse?

Wir haben gefragt: Was ist für euch Nachhaltigkeit, wisst ihr überhaupt, dass wir nachhaltig investieren und wie wichtig ist euch das? Und da wurde dann ganz klar rückgespiegelt, dass allen Mitgliedern ­bewusst ist, dass wir nachhaltig investieren. Für ganz viele ist das auch ein Entscheidungs­kriterium gewesen. Für diese wäre es eine Enttäuschung, wenn wir es nicht täten.

Ihre Mitglieder  dürften sich sehr stark von anderen Pensionskassen gerade aus der ­Industrie unterscheiden. Haben Sie eine Einschätzung, wie eine solche Umfrage dort ausfallen würde und wie es sich dort intern implementieren ließe?

Das, was ich höre, ist oft: unsere Mitglieder interessiert das nicht. Es gab vergangenes Jahr aber eine repräsentative Untersuchung von Facing Finance. Die Fragen waren: Wie wichtig findet ihr das Thema Nachhaltigkeit bei der betrieblichen Altersversorge? ­Großer Zustimmungswert, 70 Prozent. Möchtet ihr darüber Bescheid wissen, ob das Thema Nachhaltigkeit bei eurer Altersvorsorge eine Rolle spielt? Ja, ganz große Zustimmung. Möchtet ihr bei den Anlagekriterien mit­bestimmen und welche Themen sind euch wichtig? Die Antwort war ­Kinderarbeit, Menschenrechtsverletzungen, Rüstung, ­also die klassischen Ausschlusskriterien.

Ich glaube – und das kann man ­repräsentativ belegen –, dass ein ganz großer Teil der Menschen gerade beim Thema Alters­vorsorge, bei dem es um langfristige ­Anlagen geht, das Thema Nachhaltigkeit mit berücksichtigt wissen will. Ich ermutige auch meine Kolleginnen und Kollegen in anderen Pensionskassen: Geht mit euren Mitgliedern in den Austausch. Hängt es nicht ganz hoch auf, macht es möglichst kundennah, mit einfachen Worten. Dann kriegt ihr auch Antworten.

Aber natürlich unterscheiden sich unsere Mitglieder, die bei uns aus Waldorfschulen, aus gemeinnützigen Organisationen, NGOs oder von Biohöfen stammen. Diese sind durch ihr eigenes Handeln an diesen Themen dran.

Das Portfolio ist ja mit 80 Prozent festverzinslich angelegt, außerdem gibt es Immobilien sowie Aktien in einem Spezialfonds …

… der Spezialfonds ist aufgelöst. Diesen ­haben wir im März aus drei Gründen ­liquidiert: mangelnde Performance; eine unglaublich hohe Umschlaghäufigkeit, was aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten nicht passte; und keine strenge Nachhaltigkeit bei der Titelauswahl. Die Titel haben uns nicht gepasst. Alle haben die Ausschlusskriterien passiert, aber das waren keine Unter­nehmen, die einen wirklichen Impact ­liefern. Jetzt sind wir im GLS-Aktien-Fonds investiert und bauen langsam wieder eine Aktienquote auf.

Was ist das Allokationsziel?

Maximal fünf Prozent.

Das Portfolio ist sehr Fixed-Income-lastig. Kann man so die Verpflichtungen erfüllen?

Ja, noch relativ gut, aber sicherlich angestrengt. Wir versuchen durch einen guten Mix von Fixed Income, Aktienfonds und Immobilien im Direktbestand die Renditeziele zu erwirtschaften. Außerdem haben wir gerade im Immobilienbereich zwei ­Projekte mit der Stiftung Trias umgesetzt, bei denen wir Erbbaurechte an gemeinschaftliche Wohnprojekte vergeben und ­damit einen guten Cashflow über die nächsten Jahrzehnte haben. Dieser trägt dann ­natürlich auch zu so einer Mischkalkulation bei. Den Wohnprojekten können wir gleichzeitig bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen. Das halte ich für Projekte mit einem klaren gesellschaftlichen Impact.

Ist das der Kompromiss, den Sie zwischen Rendite beziehungsweise Cashflow-Erfordernissen und der Frage, wie man in dem aktuellen Immobilienmarkt als nachhaltiger Investor agieren kann, gefunden haben?

Wahrscheinlich mehr als das. Wir können jetzt Geld auf den Tisch legen und für drei Millionen ein Grundstück in Berlin kaufen, was die Wohnprojekte nicht können. Diese haben dann aber die Gewähr, dass wir nicht weiter die Preise hochtreiben, sondern uns für die nächsten hundert Jahre auf einen Zins committet haben. Wir dagegen brauchen einen langfristigen Cashflow, regel­mäßig, kalkulierbar.

Gibt es für nachhaltige Immobilien­investoren bezüglich sozialer Kriterien mehr ­Zielkonflikte als bezüglich öko­logischer ­Kriterien?

Ja, vielleicht. Aber der Erbpachtzins ist letztendlich eine Möglichkeit, aus diesem ­sozialen Dilemma herauszukommen. Im ökologischen Bereich habe ich natürlich auch diese Zielkonflikte. Wir probieren das immer in einem gesunden Mittelmaß.

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