Stiftungen
19. Mai 2017

Wirken aus dem Vermögen

Alles, was eine Stiftung tut, gehört zusammen. Das Niedrigzinsumfeld hat den Blick auf die Vermögensseite und die Frage, wie sich zweckorientiert investieren lässt, verstärkt. Auf dem Stiftungstag nahm das Thema „Kapital & Wirkung“ deshalb großen Raum ein.

„Ohne Stiftungen ist keine freie, pluralistische und demokratische Gesellschaft möglich.“ Mit diesen Worten eröffnete Professor Dr. Michael Göring, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, den Deutschen Stiftungstag 2017 in Osnabrück. Über drei Tage hinweg diskutierten gut 1.600 Teilnehmer in über 100 Einzelveranstaltungen über das Kongressthema „Bildung“ und über die aktuellen Herausforderungen niedriger Erträge in der Kapitalanlage. Wie eine kürzlich vorgestellte Untersuchung des Bundesverbandes zeigte, erwarten nur noch zwei Drittel der Stiftungen insgesamt – und nur noch gut die Hälfte der kleineren Stiftungen mit weniger als einer Million Euro Vermögen – Renditen oberhalb der Jahresinflationsrate. „Aber das bedeutet nicht, dass Stiftungen weniger für die Gesellschaft tun können. Im Gegenteil: Sie können zusätzlich über ihr Vermögen selbst noch viel mehr Wirkung entfalten“, sagte Felix Oldenburg, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen auf dem Stiftungstag.
Wie Stiftungen aus ihrem Vermögen Wirkung erzielen, wurde in diversen Veranstaltungen auf dem Stiftungstag thematisiert. So lud unter anderem das Center for Social and Sustainable Products (CSSP) zu einer Podiumsdiskussion mit Stiftungen aus Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein sein. In seinem einleitenden Vortrag machte Oliver Oehri, Gründungspartner von CSSP, deutlich, wie wichtig es ist, dass eine Stiftung, die eine Wirkung erzielen will, dies als Einheit sieht und sich bewusst macht, dass auch aus dem Vermögen Wirkung erzielt wird. „Man kann die Verantwortung nicht wegdelegieren“, so Oehri. Nur zu vermuten, dass mit dem Vermögen keine negative Wirkung erzielt wird, reicht nicht. Es müsse Widerspruchsfreiheit herrschen. Doch das sei nicht immer der Fall. Manchmal wüssten Stiftungen nicht, egal welchen Zweck sie haben, ob sie mit ihrem Vermögen auch wirklich keine negative Wirkung erzielen. Dies ist nach Ansicht des CSSP-Nachhaltigkeitsexperten wie Fahren auf der Autobahn, aber blind. Er plädierte in seinem Vortrag dafür, sich Klarheit darüber zu verschaffen. „Das heißt nicht, dass man anders investieren muss, aber man muss genau hinschauen“, so Oehri, der auch einen passenden Service anbietet. Kostenlos soll es Stiftungen bei CSSP möglich sein, ihr Portfolio prüfen zu lassen. Wer nicht nur keine negative Wirkung mit seinem Vermögen erzielen will, sondern eine positive Wirkung, müsse zunächst die besagte Selbstanalyse durchlaufen. Erst danach könne man über Neues nachdenken, merkte Oehri an. Zugleich wies er drauf hin: „Wirkung erzeugen erfordert erheblich mehr Mut als klassische Vermögensanlage.“
Impact Investing bei der BMW-Stiftung
Diesen Mut bringt die BMW Foundation Herbert Quandt, unter deren Dach die beiden früheren BMW-Unternehmensstiftungen BMW Stiftung Herbert Quandt und Eberhard-von-Kuenheim-Stiftung seit März 2016 zusammengeführt sind, bereits seit längerem auf. Ziel dieses Zusammenschlusses war es, die Stärken und Ressourcen zu bündeln, auch im Feld des sogenannten Impact Investing. „Wir haben einen spannenden Umstrukturierungsprozess hinter uns. In beiden Stiftungen war Impact Investing ein wichtiges Thema – und das ist auch in der neuen Stiftung noch immer so“, erläuterte Mareike van Oosting, Projektmanagerin bei der BMW Foundation, während der Podiumsdiskussion. Sie bezeichnete ihre Stiftung als Wirkungseinheit. Denn mit beiden Seiten – der Fördereinheit und dem Kapital – soll eine maximale Wirkung erzielt werden. In einer Pilotphase wurde auf der Vermögensseite ein kleines Impact-Investing-Portfolio aufgebaut. „Wir sind ganz pragmatisch in kleinen Schritten vorgegangen. Wir haben inhouse Kompetenzen aufgebaut, wir haben mit externen Beratern zusammengearbeitet und haben über unser Netzwerk nach Organisationen gesucht, die wir schon länger begleiten und vielleicht auf der Förderseite schon unterstützt haben, bei denen wir ab einem gewissen Zeitpunkt entschieden haben, dass es eine Möglichkeit gibt, dort mit Investmentkapital in die Skalierungsphase hineinzugeben“, berichtete van Oosting. Dies sei ein spannender Prozess mit vielen „Learnings“ gewesen. In der nächsten Phase will die BMW Foundation Herbert Quandt ihr Impact Investing stärker professionalisieren und internationalisieren. Momentan sei man in der Neuausrichtung und auf der Suche nach Partnern, die das Impact Investing von der kleinen Pilotphase in die Größe tragen. Mittelfristig sollen bis zu zehn Millionen Euro investiert werden. „Das ist der nächste große Schritt auf der Vermögensseite“, so van Oosting.       
Doch ganz einfach war es nicht, die Idee des Impact Investing an die Gremien zu vermitteln. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir unser Kuratorium stark abholen und für das Thema sensibilisieren mussten“, berichtete Mareike van Oosting. Das gesamte Vermögen auf einen Schlag komplett auf Impact Investing umzustellen, wäre nicht gegangen. Deshalb wurde im Kleinen mit Organisationen, die man bereits kannte, angefangen, um die Gremien auch praktisch zu überzeugen. „Die Wirkung muss möglichst greifbar sein, nicht nur abstrakt“, so van Oosting. Eine besondere Herausforderung und ein Spagat, den es zu schaffen galt, betraf den Auswahlprozess der Impact Investment. Dieser sei ein ganz anderer als auf der Förderseite, bei der die Auswahl eher vom Herzen getrieben und idealistisch motiviert sei. Impact Investments müssen nicht vom Herzen, sondern aus der Investmentlogik heraus ausgewählt werden. Das ist für Mareike van Oosting eine der größten Herausforderungen gewesen, die Förder- und Investmentlogik miteinander zu vereinbaren.
Schweizer Velux-Stiftung: zehn Prozent für Impact Investments
In der Schweiz gehört die Velux-Stiftung zu den Vorreitern in puncto Nachhaltigkeit.  Den Ausschlag dafür gab vor etwa zwölf Jahren ein Projekt in Madagaskar, bei dem ein Windrad gebaut wurde, das ein gesamtes Dorf mit Strom versorgt. „Wir waren sehr stolz darauf, ein Dorf mit karbonfreier Energie zu versorgen. Dann haben wir in unsere Vermögensanlagen geschaut und herausgefunden, dass wir in Ölfirmen investiert sind, die im Golf von Guinea eine riesige Sauerei veranstaltet haben. Ungefähr die gleiche Summe, die hier als Dividende geflossen ist, haben wir in das Windrad gesteckt. Das war ein Nullsummenspiel“, berichtete Lukas von Orelli, Geschäftsführer der Velux-Stiftung. Als umweltfördernde Stiftung, wie sie die Velux-Stiftung zum damaligen Zeitpunkt noch war, sei es nicht tragbar gewesen, Geld mit „schmutzigen“ Investments zu verdienen. „Das hat dem Stiftungsrat schnell eingeleuchtet. Doch dann fing die schwierige Reise erst an. Die Widerstände kamen vor allem intern“, erläuterte Orelli. Bei der Frage, was man eigentlich nicht will, herrschte große Uneinigkeit. Jeder habe eine andere Meinung gehabt, so dass zunächst nichts ausgeschlossen wurde.
Mittlerweile hat sich dies geändert, verschiedene Nachhaltigkeitsansätze sind implementiert. Darüber hinaus hat die Velux-Stiftung in diesem Jahr beschlossen, zehn Prozent ihres Vermögens von 200 Millionen Franken in Impact Investments zu stecken. „Ich hatte versucht, den Stiftungsrat auf 25 Prozent hochzuhandeln“, erklärte Orelli. Sein Wunsch ist es, 50 Millionen Franken bis 2025 wirkungsorientiert zu investieren. „Als Stiftung fördern wir heute die naturwissenschaftliche Forschung. Der Vorteil ist, dass viele unserer Förderpartner Patente entwickeln, aus denen irgendwann Lizenzen und vielleicht Spin-offs werden. Ich habe nie ganz verstanden, warum wir hier weiter dabei bleiben“, erläuterte von Orelli. Als Stiftung müsse man natürlich überlegen, ob es realistisch ist, dass Geld zurückfließt. Lösungen lassen sich nach Ansicht von Orelli aber finden. „Im Moment sind wir dabei, dies zu systematisieren. Wir sind dabei, systematisch in Spin-offs zu investieren“, fügte der Geschäftsführer der Velux-Stiftung hinzu.
Auch im Arbeitskreis „Finanzen“ des Schweizer Stiftungsverbandes wird derzeit an der Frage gearbeitet, wie Stiftungen wirkungsorientiert  investieren können. Im Rahmen dieser Überlegungen hat sich eine Problematik offenbart, die es noch dringend zu klären ist. Es geht darum, wie die Steuerbehörden, von denen es in der Schweiz immerhin 27 gibt, damit umgehen. Es bestehe die Gefahr, dass die Steuerämter die Gemeinnützigkeit nicht mehr anerkennen. „Daran müssen wir arbeiten“, erklärte Orelli. Insgesamt kam der Geschäftsführer der Velux-Stiftung und Präsident der Swiss Foundation auf dem Stiftungstag zu dem Resümee, dass in der Schweiz Stiftungen mit wirkungsorientiertem Denken keine Exotenrolle mehr einnehmen. „Jeder befasst sich damit. Es ist aber kein Selbstläufer“, so Orelli. Allerdings ist es den Stiftungen in der Schweiz seit zwei Jahren vorgeschrieben, dass sie mit ihren Anlagen im Vermögen dem Zweck nicht konträr laufen dürfen.
portfolio institutionell newsflash 19.05.2017/Kerstin Bendix

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