Schwarzer Schwan
29. Juli 2016

¡No importa!

Mit ihren endlos tiefen Taschen kaufen die Währungshüter der EZB seit Juni auch Unternehmensanleihen. Am vergangenen Montag sollte die erste Liste ihrer Beteiligungen veröffentlicht werden. Doch es kam anders, als von Investoren erhofft.

Die zurückliegende Woche begann aus Sicht von Anleiheninvestoren mit großer Spannung – und einer faustdicken Überraschung. Die Rede ist vom „Corporate Sector Purchase Programme“ (CSPP) der Europäischen Zentralbank zum Ankauf von Unternehmensanleihen. Mit ihren scheinbar endlos tiefen Taschen kaufen die Notenbänker seit Anfang Juni auch Unternehmensanleihen. Und am Montag sollte die Liste ihrer Anleihenbeteiligungen veröffentlicht werden. Wie der Asset Manager M&G mit spürbarer Enttäuschung berichtet, haben die sechs nationalen, am CSPP beteiligten Zentralbanken aber „statt einer ordentlichen, konsolidierten Liste mit sämtlichen angekauften Anleihen“ lediglich ihre separaten Einkaufslisten auf der Webseite der EZB verbreitet. Für M&G und auch für den Autor des Schwarzen Schwans der Woche ein gefundenes Fressen. 
M&G spricht kein Spanisch 
„Einmal abgesehen von dem offensichtlichen Mangel an Integration scheinen sie auch nicht sonderlich viel Wert auf Konsistenz gelegt zu haben“, meint Wolfgang Bauer, Fondmanager bei M&G, mit Blick auf die Währungshüter, die in direkter Konkurrenz zu Akteuren wie ihm stehen. „Tatsächlich wurden hier Unstimmigkeiten auf ein schon fast komisches Niveau gehoben.“ Bauer zielt mit seiner Kritik darauf ab, welche Angaben die betreffenden Notenbanken auf ihren separaten Anleihenkauflisten machen: Die meisten Banken hätten lediglich die internationale Wertpapierkennnummer Isin veröffentlicht – keine Namen, keine Staaten und schon gar keine Volumina –; und das auch noch in jeweils unterschiedlichem Layout. 
Wer nun also wissen möchte, wo die Banco de Espana oder die Banque Nationale de Belgique in den vergangenen acht Wochen im Bereich der Unternehmensanleihen ihr frisch gedrucktes Geld untergebracht haben, der muss zur Identifikation der Isin Quellen wie Bloomberg bemühen. Die Deutsche Bundesbank, Bauer nennt sie „detailverliebt“, tickt anders als die Spanier und Franzosen. Sie „hielt es für notwendig, darüber hinauszugehen“ und „in epischer Breite sogar die Namen der Wertpapiere und ihrer Emittenten“ aufzulisten, frotzelt der Fondsmanager und sagt „Dankeschön“. 
Doch damit nicht genug. Die Vergleichbarkeit der Einkaufslisten lässt auch an anderer Stelle zu wünschen übrig. Die Banco de Espana habe – anders als alle anderen – offenbar keinerlei Veranlassung verspürt, eine ins Englische übersetzte Version ihres Dokuments beizufügen. Man kann die Spanier förmlich hören, wie sie raunen: ¡No importa! Die anderen Banken wiederum erkannten zumindest diese Notwendigkeit, selbst die stolze Banque de France (BDF), sagt Bauer mit einem leichten Anflug von Sarkasmus. Allerdings heben sich die französischen Währungshüter an anderer Stelle von ihren europäischen Kollegen ab: Sie sahen nämlich keinen Grund, die Eckdaten der eingekauften Papiere auf der Webseite der EZB zu veröffentlichen. Stattdessen empfehlen sie der interessierten Leserschaft lapidar, doch gefälligst selbst bei Bloomberg nachzuschlagen („The list of securities available for lending will be published every Monday on BDF’s page on Bloomberg“.) 
Bevor wir nun noch weiter endlos auf dem Elefanten im (Renten-)Porzellanladen herumhacken, hier die wirklich wichtigen Neuigkeiten über die EZB: Zwischen dem 8. Juni und dem 15. Juli haben die Währungshüter wahrhaftig gezeigt, dass sie auch als Käufer von Unternehmensanleihen ein großes Rad drehen können. Laut M&G erwarben sie 458 unterschiedliche Corporate Bonds: ein stattliches Portfolio, das in nicht allzu ferner Zukunft – dank weiterer Zukäufe – mit den Anlagen großer institutioneller Investoren in Deutschland locker mithalten kann. Bei der Talanx beispielsweise zählt man derzeit zwischen 700 und 800 Emittenten im Rentenportfolio. Noch, könnte man fast sagen. Bereits auf der Talanx-Jahreskonferenz im März dieses Jahres sagte Finanzvorstand Dr. Immo Querner, dass die Politik der EZB bei ihm „keine Begeisterungsstürme“ auslöst. Er sieht in ihr „Konkurrenz um Material“. 
Die Bahn kommt – ins Portfolio
Doch zurück zur ambitionierten, aber wenig integrierten Anleihenkäuferin EZB: Die durchschnittliche Positionsgröße ihrer jüngst erworbenen Unternehmensanleihen beziffert M&G auf 22,8 Millionen Euro, wobei die Streuung um diesen Mittelwert unbekannt sei. Besonders eifrig zugekauft haben die Währungshüter bei den Bonds der Deutschen Bahn. Insgesamt zwölf verschiedene Anleihen des bundeseigenen Unternehmens unter der Führung von Jürgen Grube (das ist der, dem der Ausbau der „Digitalisierung“ bei der Bahn wichtiger ist als der Abbau der „Verzögerungen im Betriebsablauf“; wäre Grube Spanier, er würde wohl entgegnen: ¡No importa!) liegen inzwischen im Depot der EZB, knapp dahinter die Emittenten Telefonica (elf) und BMW (zehn). Weil die Positionsgrößen im Detail eben unbekannt sind und man deshalb auch nicht mit Sicherheit sagen kann, welche Länder über- oder untergewichtet sind, stoßen auch Fondsmanager wie Wolfgang Bauer an ihre Grenzen. Für sie und andere Investoren wäre es nämlich höchst interessant, Prognosen über die künftigen Kaufaktivitäten anzustellen, um das Verhalten der Notenbanker am Markt für Unternehmensanleihen antizipieren zu können. So könnten sie den EZB-Ankäufen „zuvorzukommen“. Doch das ist sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Wie würde die Banco de Espana abwiegeln? Wahrscheinlich (und jetzt alle zusammen im Chor!): ¡No importa! 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende. 
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