Die Zinswende spielt Großanlegern weiter in die Hände

Risikomanagement kann man aus vielen Blickwinkeln betrachten: In Berlin taten das Alexander Kleinkauf, Wolfgang Murmann, Kamil Sander, Christian Wolf und Matthias Paetzel (v. l.). Bild: Ulf Büschleb.
Der BVV Versicherungsverein und die Sozialkassen der Bauwirtschaft steuern ihre SAA stoisch durch Höhen und Tiefen. Doch aktuell hegen sie Umbaupläne für ihre Portfolios. Wer wo was verändern will und was das mit Risikomanagement zu tun hat, wurde auf dem exzellenten Panel herausgearbeitet.
Das Panel zum Thema Risikomanagement stand unter dem Arbeitstitel „Best Practices auf dem Prüfstand“; moderiert wurde es von Matthias Paetzel. In seiner Begrüßung zeigte der Geschäftsführer der Willis Towers Watson Investments GmbH seine humorvolle Seite und beklagte, dass er an der Namensfindung für den Titel des Panels nicht beteiligt gewesen sei. Es sei ironisch vom Veranstalter, so Paetzel, ein Panel über „Best Practices im Risikomanagement“ nach Berlin zu verlegen, wo doch das hiesige Versorgungswerk der Zahnärzte mit „materialisiertem Risiko“ negativ von sich reden mache.
Was Paetzel damit meinte, war die Insolvenz der Element Insurance AG. Haupteigentümer des jungen Versicherungsunternehmens ist das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin (VZB), das auch mit Interessenkonflikten bei Immobilieninvestments in die Schlagzeilen geraten sei. „Das scheinen mir nicht gerade Best Practices im Risikomanagement zu sein“, betonte Paetzel, also keine „Erfolgsrezepte“, wie man im Deutschen dazu sagen würde.
Expertise vom BVV
Auf dem Panel begrüßte der Moderator mit Christian Wolf den Leiter Risiko- und Qualitätsmanagement beim BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes (BVV). Wolf arbeitet seit fast 21 Jahren beim BVV, der sich als Versorgungswerk für die Banken- und Finanzbranche einen Namen gemacht hat: Neben einer Pensions- und einer Unterstützungskasse steuern die Berliner einen Pensionsfonds.
In der Vorstellungsrunde schlug Wolf zunächst die Brücke zum Vortrag von Dr. Marc-André Göricke (Alpha Portfolio Advisors) zum Thema „Humankapitalrenditen im Asset Management“ und nutzte die Gelegenheit, die Werbetrommel für seinen Arbeitgeber zu rühren. Der BVV biete „eine Reihe von Möglichkeiten, sich zu entfalten“, wie er erklärte.
Und mit Blick auf das Thema „VZB“ fügte Christian Wolf an, dass in dem Versorgungswerk ganz offensichtlich Klumpenrisiken eingegangen worden seien. Einen Grundsatz im Risikomanagement, den Asset Manager ebenso wie institutionelle Investoren berücksichtigen sollten, laute: „Investiere nur in die Assets, die du verstehst, deren Risiken du verstehst und die du auch managen kannst!“ Das sei, so Wolf, die Grundphilosophie eines guten Risikomanagements. „Und da reden wir noch nicht über Best Practices. Das sind Basics“. Zugleich brach der Risikomanager des BVV auf dem Podium eine Lanze für die anderen institutionellen Investoren mit Sitz in Berlin, zu denen beispielsweise auch der Atomfonds Kenfo gehört.
Soka-Bau auf dem Panel
Anschließend wandte sich der Moderator an Kamil Sander von den Sozialkassen der Bauwirtschaft (Soka-Bau). Sander ist dort Abteilungsleiter Risikomanagement. Weitere Gäste des Panels waren Wolfgang Murmann (Fidelity International) und Alexander Kleinkauf (Insight Investment). Nächster Gesprächspunkt war die aktuelle Marktlage infolge der Zollpläne der US-Administration und die dadurch hervorgerufenen extremen Kursschwankungen.
Die Soka-Bau habe als Pensionskasse den Vorteil, dass sie Volatilitätsrisiken aussitzen könne, wie Kamil Sander hervorhob. „Wir müssen nicht direkt auf jede Schwankung an den Märkten reagieren, sondern halten uns an die definierte SAA.“ Über die TAA bestehe Spielraum, kurzfristige Korrekturen vorzunehmen. Das dürfe aber nicht dazu führen, unüberlegte Gegenreaktionen zu erzeugen. Man müsse an seine SAA glauben und sie durchziehen, wie der Abteilungsleiter Risikomanagement der Soka-Bau mit Nachdruck sagte.
Danach gefragt, ob und wo die Wiesbadener in Anbetracht der aktuell sehr angespannten Marktlage Änderungen der Allokation vornehmen würden, antwortete Sander ausweichend. Risikomanagement müsse umfassend sein und alle relevanten Aspekte betrachten. Diversifikation sei entscheidend. Als Investor müsse man sich immer wieder die Frage stellen, ob das Portfolio ausreichend diversifiziert sei. Schwankungen, wie wir sie aktuell erleben, „können vorhandene Klumpenrisiken offenbaren und verdeutlichen, dass die Diversifikation vielleicht weiter verbessert werden kann“.
Mit dieser antifragilen Sichtweise kam Sander auch auf die neue Infrastrukturquote für Pensionskassen zu sprechen, die das Bundesfinanzministerium Anfang Februar trotz „Ampel-Aus“ doch noch auf den Weg gebracht hatte. Dadurch werde der Fokus verstärkt auf diese Anlageklasse gerichtet, erklärte er.
Grundlagen der institutionellen Kapitalanlage
Auf die Frage, wo der BVV im Hinblick auf die aktuelle Marktlage Veränderungen plane, hielt auch Christian Wolf den Ball flach und gab zu bedenken, dass eine Strategische Asset Allocation nichts sei, was im Jahreszyklus angepasst werde, sondern einen gewissen Bestand über die Zeit haben sollte. „Der Grundgedanke ist, möglichst viele Wert- und Risikotreiber in der Strategischen Asset Allocation so zu verankern, damit sich die Volatilität des Gesamtportfolios auch bei stürmischen Zeiten an den Kapitalmärkten in Grenzen hält.“
Bei Pensionskassen komme der Aspekt hinzu, dass man eine Direktanlage habe mit „langweiligen“ Fixed-Income-Titeln, die vielleicht bilanziell privilegiert seien. „Sie nehmen allein schon dadurch einen gewissen Teil der Volatilität weg.“ In weiteren Ausführungen brachte der Leiter Risiko- und Qualitätsmanagement beim BVV auch alternative Anlagen wie Infrastruktur zurück ins Gespräch und kam auf deren Bewertung zu sprechen. „Alternative Anlagen haben seit der Niedrigzinsphase einen deutlich stärkeren Anteil in den institutionellen Portfolien gewonnen. Sie haben sich in den letzten Jahren als Stabilitätsanker bestätigt“, erklärte er.
Dabei machte Wolf deutlich, dass er Immobilien in dieser Betrachtung bewusst außen vor lasse, weil sie einen Sonderstatus hätten. In seinen Ausführungen kam der Panelist vom BVV auch auf die Zinswende von 2022 zu sprechen. „Das war damals der große Regime-Switch, den wir gesehen haben.“ Institutionelle Anleger hätten dadurch die Chance bekommen, zu einem angemessenen Risiko eine sehr angemessene Rendite zu verdienen.
Der Trend geht wieder zum Direktbestand
Immobilien und alternative Anlageklassen kommen nach Einschätzung von Matthias Paetzel mit ganz besonderen Risiken daher. Von Christian Wolf wollte der Moderator wissen, welche Pläne der BVV bei diesen Anlageklassen hege. Dieser führte aus, dass der Kerntrend und die Bewegungsrichtung im Portfolio seit 2022 wieder stärker in den Direktbestand gingen. „Wir werden das Zinsportfolio stärker aufstocken“, kündigte Wolf in Berlin an. Das finanzielle Engagement gehe zulasten der anderen Anlageklassen – und zwar zunächst im liquiden und vermehrt auch im illiquiden Bereich.
Bis 2026 werde das Zinsportfolio des BVV in der Direktanlage auf 60 Prozent anwachsen. Man sei auf einem guten Weg dahin – angesichts einer Quote von aktuell knapp 50 Prozent. Wolf verwies im selben Atemzug auf die Portfolios anderer Großanleger. Dort seien die Trends ähnlich gelagert. Der Anteil der alternativen Anlageklassen des BVV – bestehend aus Private Equity, Private Debt, Infrastructure und Real Estate – werde von derzeit etwas mehr als 40 auf unter 30 Prozent abschmelzen. Immobilien würden besonders stark Federn lassen.
Auch die Soka-Bau versucht natürlich Klumpenrisiken zu vermeiden. Aus der Vergangenheit heraus waren die Sozialkassen der Bauwirtschaft allerdings sehr immobilienlastig unterwegs. In Berlin machte Risikospezialist Sander deutlich, dass man den Bestand sanft abbauen werde. Dabei geht es aber weniger darum, den Wert in absoluten Zahlen zu reduzieren. Vielmehr bezog er sich auf die Quoten. Man sei als Kasse auf einem Wachstumskurs und damit in einer komfortablen Lage; es komme viel Geld herein und man steuere die Cashflows aktiv in Richtung Diversifikation: „Indem wir in andere Assets investieren, sinkt der Anteil der Anlageklassen wie Immobilien, wo wir weniger investieren.“
Festzuhalten bleibt, dass Risikomanager Alleskönner sind: Sie müssen Anlageklassen bis ins kleinste Detail verstehen und diese in der SAA und (vor allem in Krisenzeiten) in der TAA abwägen. Und der Bedarf an Spezialisten ist groß.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Direktbestand | Risikomanagement | Strategische Asset Allocation (SAA) | Zinswende
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