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2. Mai 2025

Wer nichts wagt, der darf nichts hoffen

Europäische Aktien sind im ersten Quartal ins Rampenlicht zurückgekehrt. Denn mächtige US-Anleger verlagern ihre Kapitalströme. Auch die Emerging Markets sollte man nicht aus den Augen verlieren, wie auf der Jahreskonferenz deutlich wurde. Daran muss der eine oder andere Investor aber noch arbeiten.

Die Vorbereitung auf die Moderation des Aktien-Panels im Rahmen der Jahreskonferenz am 27. März war in diesem Jahr besonders tricky. Denn die Pläne für die Einführung massiver Zölle durch die neue US-Administration und die Verschuldungspläne der angehenden Koalitionäre von Union und SPD zeichneten sich zu der Zeit am Horizont gerade erst ab. Außerdem war es uns ein großes Anliegen, das Aktienuniversum abseits der „glorreichen Sieben“, den Highflyern der vergangenen Jahre, auszuleuchten.

Darüber hinaus war es an der Zeit, die Emerging Markets wieder in den Blick zu nehmen, von denen in den vergangenen Jahren gefühlt niemand etwas wissen wollte. Vor diesem opaken Hintergrund stand das Aktienpanel unter der Überschrift „The Magnificent 7.000 – die großen Chancen außerhalb der Tech-Bubble“.

Um die Thematik aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, haben wir nicht weniger als fünf Gäste eingeladen. Mit dabei waren Stefanie Hinsdorf (Leiterin Vermögensmanagement der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ)) sowie Arno König (Portfoliomanager Aktien und Alternative Investments) bei der Evangelischen Zusatzversorgungskasse (EZVK). König arbeitet seit März 2008 für die EZVK. Sich selbst bezeichnet er als Fan aktiven Investierens. Und als langjähriger Kapitalmarktteilnehmer hat er die Finanzkrise ebenso miterlebt wie die Eurokrise, die Corona-Krise und die Turbulenzen des Ukraine-Krieges. Mit diesem Erfahrungsschatz bereicherte König die exzellente Gesprächsrunde, an der auch Amy Oldenburg (Head of Emerging Market Equities bei Morgan Stanley), der Kapitalmarktstratege Dr. Ulrich Kaffarnik (DJE Kapital AG) sowie Wolfgang Fickus, Produktspezialisten bei Comgest, teilgenommen haben, dessen Steckenpferd europäische Wachstumswerte sind.

Talfahrt nach der Trump-Begrüßungs-Rallye

Die vergangenen Wochen waren nichts für schwache Nerven auf der Aktienseite. Darüber ließ sich nicht streiten. Denn auf die „Trump-Begrüßungs-Rallye“, wie Dr. Ulrich Kaffarnik sie bezeichnet, begann mit Beginn des neuen Jahres die Trump-Baisse, die sich nach der Jahreskonferenz dramatisch beschleunigt hat. Doch schon auf unserem Top-Event Ende März zeichnete sich ab, dass es im Zuge der neuen Zollpolitik der Vereinigten Staaten und des drohenden globalen Handelskriegs sehr holprig werden würde.

Ulrich Kaffarnik sprach im Panel die „dramatische Under-Performance US-amerikanischer Aktien“ im Vergleich mit dem Dax an, der im Auftaktquartal (anders als die US-Indizes) zweistellig zulegen konnte. Der Konsens, so schlussfolgerte der Stratege von DJE, habe zum Jahreswechsel also völlig falschgelegen. Schließlich waren die Marktausblicke auf 2025 geprägt von der Einschätzung, dass man in diesem Jahr Aktien haben müsse und vor allem US-Titel. Die Erwartung sei gewesen, dass der Dollar zulegen und Renten steigen werden. „Komplett falsch! Bis zum heutigen Tag ist genau das Gegenteil passiert“, so Kaffarnik.

Spannende Zeiten, herausfordernde Zeiten

Das Sentiment habe sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Konsumenten gedreht. Die Konsumstimmung stürze geradezu ab. „Aber wenn Sie breiter aufgestellt waren, dann stehen Sie gar nicht so schlecht da“, resümierte der Kapitalmarktstratege. „Es sind spannende Zeiten, herausfordernde Zeiten. Aber es gibt immer wieder Chancen an den Märkten“, so Kaffarnik. Dabei merkte er an, dass die aktiven Fondsmanager die passiven Fondsmanager zuletzt mal wieder outperformt hätten. Auf die Frage, ob jetzt der große Shift in Richtung der unterbewerteten Märkte in Europa komme, entgegnete das Mitglied der DJE-Geschäftsführung: „Ich würde keinen Trend, den wir momentan sehen, fortschreiben wollen. Nicht einmal den Volatilitätstrend.“

Spannend aus europäischer Sicht ist auch, dass der US-Aktienmarkt (vor dem scharfen Einbruch in der ersten Aprilwoche) für fast drei Viertel (71,7 Prozent, MSCI World) der globalen Marktkapitalisierung stand, der Dax hingegen für spärliche zweieinhalb Prozent. Sollten US-amerikanische Großanleger weiterhin Teile des liquiden Marktes nach Europa verlagern, wie sie das im ersten Quartal getan haben, ergibt sich weitere Kursfantasie – wäre da nicht Donald Trumps „Tag der Befreiung“ am 2. April und der Ausverkauf an den Aktienbörsen, den er ausgelöst hat. Angesprochen auf diesen Stichtag, der wie ein Damoklesschwert über dem Panel hing, ließ Ulrich Kaffarnik keinen Zweifel daran, dass Kapitalströme sehr schnell die Richtung wechseln können.

EZVK setzt schon länger auf europäische Aktien

Die EZVK ist Spezialistin für die betriebliche Altersversorgung in Kirche und Diakonie. Der Buchwert ihrer Kapitalanlagen betrug Ende 2023 rund 12,3 Milliarden Euro mit einer Aktienquote von 20,7 Prozent. Auf Rentenanlagen entfielen zu dem Stichtag 41,6 Prozent, auf alternative Investments weitere 37,8 Prozent. Ihr Portfolio ist also breit gestreut, der überwiegende Teil der Aktien wird aktiv gemanagt. Die Pensionseinrichtung aus Darmstadt lagert das Asset Management im Aktienportfolio aus, wie Arno König auf dem Panel betonte. Passives Investieren gehört ebenfalls zum Instrumentenkasten der Südhessen.

Mit Blick auf die nächsten zehn Jahre attestierte Portfoliomanager Arno König europäischen Unternehmen bessere Aussichten als ihren US-Pendants. Er begründete das vor den Gästen der Jahreskonferenz im prall gefüllten Veranstaltungsraum mit den höheren Renditeerwartungen vieler Asset Manager und Banken. Die EZVK orientiert sich an diesen Analysen und leitet daraus eigene Berechnungen ab. Doch nicht erst seit diesem Jahr liegt der Anlageschwerpunkt Königs auf europäischen Titeln.

In Berlin tat der Portfoliomanager der Zusatzversorgungskasse seine Hoffnung von einem Aufholprozess europäischer Aktien gegenüber US-Werten kund. Interessiert zeigte sich König zwar auch an US-amerikanischen Aktien. In den Fokus nimmt er hier aber den Small- und Mid-Cap-Bereich und nicht die glorreichen Sieben (Apple, Microsoft, Amazon, Nvidia, Alphabet, Meta und Tesla), die in Q1 eingebrochen sind. Bislang halte die EZVK bei den US-amerikanischen Nebenwerten nur eine kleine Position. Jetzt sei es an der Zeit, stärker in Small und Mid Caps hineinzugehen. Als Investor müsse man Geduld mitbringen. Es brauche manchmal einige Jahre, bis getroffene Entscheidungen gewinnbringend seien.

Kurzfristiges Handeln ist auf dem Vormarsch

Wolfgang Fickus machte auf dem Panel deutlich, dass viel Performance durch kurzfristiges Handeln zerstört werde. Danach gefragt, wie man sich als Anleger diszipliniert, wenn es an den Märkten etwas ruppiger zugeht, antwortete er: „Indem man immer langfristig denkt!“ Das Grundproblem der aktiven Fondsmanagementindustrie sei, dass Kunden Produkte kaufen, die über die letzten drei bis vier Jahre outperformt haben, und diese verkaufen, wenn sie über zwei oder drei Jahre underperformen. Dadurch werde relative Performance zerstört.

Europäische Aktien böten derzeit eine Einstiegsgelegenheit, so Fickus, der mit interessanten Statistiken an die Aussagen Kaffarniks anknüpfte: Das Verhalten vieler Anleger sei zu kurzfristig. „Die Halteperiode einer Aktie an der New York Stock Exchange betrug vor 70 Jahren acht Jahre.“ Heute seien es fünfeinhalb Monate. Das zeige, „dass wir diese Langfristigkeit einfach nicht mehr haben“. Dabei konnte man in den vergangenen Jahren eigentlich nicht viel falsch machen. Der einzige Fehler wäre gewesen, nicht investiert zu sein. Und das vor allem in US-amerikanische Blue Chips.

Emerging Markets sind zurück auf der Agenda

Über Schwellenländeraktien sprach hingegen kaum noch jemand. Das habe sich inzwischen aber geändert, wie Emerging-Markets-Spezialistin Amy Oldenburg mit Blick auf das wiedererwachte Interesse der Anleger an Europa, aber auch an Emerging Markets betonte. Sie verwies auf Analysen, denen zufolge die USA die internationalen Märkte seit 2010 um 500 Prozent outperformt haben. Eine Fortsetzung dieser sagenhaften Entwicklung sei unvorstellbar. Oldenburg verwies auf andere Märkte mit spannenden Wachstumsperspektiven, wie zum Beispiel Saudi-Arabien.

Auch China sei zurück auf der Landkarte der Anleger, nachdem es noch vor zwei Jahren von manchem als „uninvestierbar“ eingestuft worden sei. „Deepseek“ sei für viele ein Weckruf gewesen, um sich intensiver damit zu beschäftigen, was in China vor sich gehe. Auch der Tech-Konzern Alibaba mache große Fortschritte im Bereich der generativen Künstlichen Intelligenz (KI) und investiere große Summen.

Abseits von Deepseek werde aber noch sehr viel mehr aus China kommen, wie Amy Oldenburg ankündigte. So verwies die Expertin auf das Thema „Robotics“ und die Industrialisierung 6.0. Im Zentrum stehe hier die Verknüpfung von Robotik mit Anwendungen der generativen KI. Vieles werde von Unternehmen entwickelt, die in China beheimatet seien. Daher gehe es nun vor allem darum, die Denkweise der Anleger neu auszurichten nach Jahren der Ablehnung von Investments in der Volksrepublik. Das sei allerdings eine echte Herausforderung, so Oldenburg.

Eine wechselvolle SAA-Geschichte

Ein Großanleger, der seine Denkweise in den vergangenen Jahren gravierend verändert hat, ist die Stiftung EVZ. Die international tätige Stiftung aus Berlin, wie sie heute operiert, wurde im Jahr 2000 mit einem Grundstock von damals 700 Millionen DM ausgestattet. Das Kapital ist seither deutlich gewachsen und belief sich Ende 2024 auf 626 Millionen Euro. Zweck der auf Ewigkeit angelegten Stiftung ist es, die Erinnerung an das Unrecht der nationalsozialistischen Verfolgung und die Bedrohung durch totalitäre Systeme und Gewaltherrschaft lebendig zu halten und für die Zukunft und nachfolgende Generationen aktiv zu gestalten. Die vergangenen 25 Jahre verliefen für die Strategische Asset Allocation (SAA) der Berliner jedoch alles andere als geradlinig. Denn ursprünglich lag der Anlagefokus der Bestandsstiftung auf Fixed Income mit einer Rentenquote von etwa 70 Prozent.

In der Phase der sehr niedrigen Anleiherenditen wurde die SAA überdacht und mit der Zeit ein ansehnlicher Aktienbestand aufgebaut. Heute gibt es einerseits einen global ausgerichteten, segmentierten Masterfonds – darin wird der Bereich „Aktien global“ mit zwei Mandaten abgedeckt – und andererseits einen Single-Fonds mit einem Buy-and-hold-Mandat, das mit 40 Millionen Euro gestartet war. Im Masterfonds liegen etwa 23 Prozent der Aktien im Singlefonds weitere zehn Prozent. Letzterer wurde ab 2014 mit einem Fokus auf dividendenstarke Unternehmen mit Schwerpunkt Europa aufgebaut. Zu Hochzeiten wurden in dem Mandat 140 Millionen Euro verwaltet.

Stiftung ist auf ordentliche Nettoerträge angewiesen

So wie viele andere ist auch die Stiftung EVZ darauf angewiesen, sogenannte ordentliche Nettoerträge in Euro zu verdienen. Denn nur damit kann sie ihre institutionellen Kosten und die Auszahlungen in der Förderung decken. Ihren Grundstock darf die Stiftung nicht antasten; vielmehr muss sie dieses Kapital dauerhaft erhalten. Das ist ein Unterschied zum sehr bekannten Atomfonds Kenfo, der nur bis zum Ende dieses Jahrhunderts operieren soll.

Nach der Rückkehr der Zinsen verlagert die Stiftung EVZ ihren Fokus seit 2023 nun wieder auf Anleihen. Damit liegt sie im Trend, weil sich auch andere Großanleger mit laufenden Zahlungsverpflichtungen mehr und mehr wieder auf festverzinsliche Anlagen konzentrieren. Stefanie Hinsdorf ließ aber durchblicken, dass der Aktienbestand auch wieder aufgebaut werden könne, wenn es dafür gute Gründe gebe. „Diese Flexibilität behalten wir bei.“

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