Pension Management
3. Juli 2025

Rentenreform in Großbritannien: Was der Mansion House Accord bezweckt

Die größte Rentenreform seit Jahrzehnten beschäftigt nicht nur die britische Pensionsfondsindustrie und die kommunalen Altersversorger. Auch die Privatwirtschaft und Start-ups sollen nach dem Willen der Regierung vom Mansion House Accord profitieren.

Rachel Reeves dreht derzeit ein ganz großes Rad. Die britische Schatzkanzlerin arbeitet auf die größte Rentenreform Großbritanniens seit Jahrzehnten hin. Sie hat kein geringeres Ziel, als die fragmentierte Pensionslandschaft zu konsolidieren. Mächtige Pensionsfonds sollen entstehen, wie es sie zum Beispiel in Kanada und Australien gibt.

Mit den Plänen sind zwei wesentliche Ziele verbunden: Einerseits hofft die Regierung, dass so mehr Kapital aus der betrieblichen Altersversorgung in britische Unternehmen und große Infrastrukturprojekte fließt; die Rede ist von bis zu 50 Milliarden Pfund, die im Zuge der Reform freigesetzt werden könnten. Ein Teil davon könnte für die Entwicklung sauberer Energien bereitgestellt werden, was der Regierung ebenfalls wichtig ist.

Die gebündelten Investments sollen andererseits den Rentensparern höhere Renditen einbringen. Nachdem Reeves im November 2024 in einer vielbeachteten Rede im Mansion House, der offiziellen Residenz des Lord Mayor von London, ihre Ideen vorgestellt hatte, wurde in den Hinterzimmern der Politik daran gefeilt, ohne dass Informationen nach außen gedrungen sind. Nun sind die Pläne spruchreif.

Wer beim Mansion House Accord dabei ist

Ausgangspunkt ist das „Mansion-House-Abkommen“ (Mansion House Accord): Mitte Mai haben sich 17 der größten britischen Anbieter betrieblicher Altersvorsorge öffentlichkeitswirksam dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2030 mindestens zehn Prozent der von ihnen verwalteten Kapitalanlagen aus beitragsorientierten Rentenplänen (Defined Contribution, DC) in Privatmarktanlagen wie Private Equity, Immobilien, Infrastruktur und auch Fremdkapital zu investieren.

Zu den Unterzeichnern der Vereinbarung gehören zum Beispiel die Versicherer Aegon und Aviva. Aber auch Consultants wie Aon und Mercer, die im Rentengeschäft tätig sind, tragen das Abkommen mit. Zusammen verwalten die 17 Akteure rund 90 Prozent der beitragsorientierten Rentenpläne aktiver Sparer. Die Schatzkanzlerin begrüßte „diesen mutigen Schritt einiger unserer größten Pensionsfonds“ in einem Statement. „Er wird Milliarden für wichtige Infrastrukturprojekte, saubere Energien und spannende Start-ups freisetzen – für Wachstum, mehr Renten und mehr Sicherheit im Ruhestand.“ Und der britische Pensionsminister, Torsten Bell, pflichtet ihr bei: „Renten sind von enormer Bedeutung. Sie sichern nicht nur den Ruhestand, auf den wir uns alle freuen, sondern auch die Investitionen, von der unser künftiger Wohlstand abhängt.“

Es geht um das Königreich – aber nicht nur

Die Hälfte der zugesagten Investments sollen in Großbritannien getätigt werden, erläutern die Rechtsexperten von Osborne Clarke in einer Stellungnahme. Sie kommen also der heimischen Wirtschaft und Millionen von Angestellten und Unternehmern zugute. Das gesamte Pensionsvermögen, das von dem Abkommen betroffen ist, wird auf rund 252 Milliarden Pfund geschätzt. Allerdings stehen hinter dem Mansion House Accord noch viele Fragezeichen.

Fachleute geben etwa zu bedenken, es sei schwierig, die Auswirkungen der Pläne vorherzusagen. Zum Beispiel ist unklar, wie viel Geld in die einzelnen Anlageklassen fließen wird. Dessen ungeachtet verbreitet die Regierung Zuversicht, dass die Investments für mehr Energiesicherheit sorgen und dazu beitragen können, die Stromrechnungen der Haushalte zu senken.

Nach Einschätzung der mächtigen Pensions and Lifetime Savings Association (PLSA) werden die Mansion-House-Reformen den Übergang zu weniger, aber größeren Rentensystemen beschleunigen und dabei nicht nur die Strukturen der beitragsorientierten Pensionspläne beeinflussen. Betroffen sind auch die kommunalen Altersversorger im Local Government Pension Scheme (LGPS). Dahinter stehen 86 lokale Pensionsfonds in England und Wales. Sie machen das LGPS zu einem der größten Pensionssysteme Großbritanniens und zählen rund 6,7 Millionen Mitglieder. Über 18.000 Arbeitgeber beteiligen sich am LGPS.

Die Reform wird dazu führen, dass auch diese Pensionseinrichtungen enger zusammenrücken und ihre Aktivitäten poolen werden. Doch dieses Vorhaben, das für sich genommen schon ein Kraftakt ist, hat nicht die oberste Priorität, so scheint es. Die Regierung hat signalisiert, dass eine weitere Konsolidierung dieser Kapitalsammelstellen nicht in ihren unmittelbaren Plänen enthalten ist.

Mansion House Accord: Neuauflage einer alten Idee

Es ist nicht die erste Ankündigung der Regierung in London, Rentengelder in die Wirtschaft fließen zu lassen und den Portfolios mehr Privatmarktanlagen beizumischen. Schon 2023 gab es solche Pläne: Der ursprüngliche „Mansion House Compact“ wurde vom damaligen Schatzkanzler Jeremy Hunt ins Spiel gebracht. Das war seinerzeit jedoch eine freiwillige, unverbindliche Vereinbarung zwischen elf der größten britischen Rentenversicherungsträger, bis 2030 fünf Prozent des Vermögens in nicht börsennotierte Aktien zu investieren.

Nach Einschätzung der Regierung sind die Ziele der neuen Übereinkunft ambitionierter. Denn sie betreffe den Großteil der Branche, ziehe mehr Vermögenswerte in den Blick, verdoppele das Ziel von fünf auf zehn Prozent und beinhalte eine konkrete Verpflichtung, fünf Prozent in Großbritannien zu investieren. Die Fortschritte bei der Umsetzung dieser bemerkenswerten Verpflichtung werden laufend überwacht. Und es soll zusätzliche Maßnahmen geben, die in einem Abschlussbericht bekannt gegeben werden. Dieser soll sich insbesondere mit der Fragmentierung des britischen Rentensystems und der Schaffung größerer Pensionspläne beschäftigen. Man darf gespannt sein, wie die Idee am Ende umgesetzt werden wird.

Vorbild Australien

Ein Vorbild für die Renten- und Investmentpläne der britischen Regierung ist Australien. Dort spielen mächtige Superfunds in der betrieblichen Altersversorgung der Bevölkerung eine wesentliche Rolle. Sie nutzen nach Einschätzung der Regierung in London Größenvorteile, um in private Vermögenswerte zu investieren. Daran und an einer zeitgemäßen Diversifikation im Portfolio der Briten hapert es bislang – und das in einem der größten Pensionsmärkte weltweit. Laut der aktuellen Pension-Asset-Studie des Thinking Ahead Institute zählt das Vereinigte Königreich – neben Australien, Kanada, Japan, den Niederlanden, der Schweiz und den USA – zu den sieben größten Märkten für Pension Assets.

Die große Mehrheit der Rentenpläne in Großbritannien basiert mit einem Anteil von 73 Prozent auf leistungsorientierten Zusagen, bei denen die Risiken aus Rentenversprechen bei den Arbeitgebern liegen. Beitragsorientierte Pläne stehen für 27 Prozent des Marktes. Dort ist nur die Höhe des Beitrages, welcher vom Arbeitgeber zu leisten ist, fest definiert, während die resultierenden Renten- oder Kapitalleistungen in ihrer Höhe unbestimmt sind.

Britische DC-Pensionspläne sind in Privatmarktanlagen bis heute untergewichtet. Dabei sind gerade sie dafür wie gemacht, denn sie investieren langfristig. Deutlich wurde das auf einer Konferenz unseres im britischen Markt verankerten Schwestermagazins „portfolio institutional“ in London im ersten Quartal 2025. Wir hatten in einem Beitrag (Warum in Großbritannien Mega-Pensionsfonds geschaffen werden sollen) ausführlich darüber berichtet.

Alternative Anlagen spielen eine Nebenrolle in den Pensionsplänen

Doch es scheint, als sei die Zeit stehen geblieben: Laut dem Thinking Ahead Institute dominieren Anleihen die Strategische Vermögensallokation mit einem Anteil von enormen 56 Prozent. Damit liegen die Briten noch vor Japan (55 Prozent). Die Aktienquote ist mit durchschnittlich 25 Prozent so niedrig wie in keinem anderen der sieben großen Pensionsmärkte. Alle anderen Anlagen kommen – Stand 2024 – zusammen auf einen Anteil von spärlichen 20 Prozent. Alternative Investments? Sind unterrepräsentiert!

Zoe Alexander, Direktorin für Politik und Interessenvertretung bei der altehrwürdigen Pensions and Lifetime Savings Association, kommentierte das Mansion-House-Abkommen aus der Sicht ihrer Lobby-Organisation, wenn sie sagt, dass britische Pensionspläne bereits Milliarden in britische Wachstumsanlagen investiert hätten. Von der Regierung erwartet sie nun mehr Dealflow; es gehe darum „einen starken Zufluss an investierbarem Vermögen für Pensionseinrichtungen sicherzustellen. Wenn jeder seinen Beitrag leistet, besteht großes Potenzial, die Renditen für Sparer zu steigern und gleichzeitig wichtige Finanzmittel für produktive Wachstumsbereiche bereitzustellen.“

Die vor 102 Jahren gegründete Lobbyorganisation vertritt die Interessen von Pensionsfonds, die zusammen mehr als 30 Millionen Sparern in Großbritannien ein Ruhestandseinkommen sichern und mehr als 1,3 Billionen Pfund im In- und Ausland investieren. Zu ihren Mitgliedern zählen auch Vermögensverwalter, Consultants, Anwaltskanzleien, Fintechs und andere Akteure, „die die finanzielle Zukunft der Menschen maßgeblich beeinflussen“.

Der große Wurf?

Ist das nun also der große Wurf, den die Regierung im Sinn hatte? Das bleibt abzuwarten. Die Weichen für mehr Wohlstand sind jedenfalls gestellt. Und jüngste regulatorische Reformen haben die Kapitalzuflüsse aus beitragsorientierten Systemen in die Private Markets erleichtert, wie die Juristen von Osborne Clarke erläutern: Die britische Finanzaufsichtsbehörde (FCA) hat im Oktober 2021 ein neues System für Investitionen in langfristige Anlagefonds (LTAFs) eingeführt.

Seither können Pensionsfonds in offene, zugelassene und beaufsichtigte Fondsstrukturen investieren, die mehr illiquide Vermögenswerte halten können als andere Fonds. LTAFs bieten Defined-Contribution-Investoren demnach einen leichteren und einfacheren Zugang zu den Private Markets. Mit Investitionen in die entsprechenden Anlageklassen, die sich in diesem Universum verbergen, lassen sich die Portfolios der Pensionsfonds in doppelter Hinsicht optimieren: Auf der einen Seite werden sie durch eine Beimischung besser diversifiziert, während auf der anderen Seite langfristig höhere Nettorenditen zu erwarten sind. Eine Analyse des Government Actuary Department aus dem Jahr 2024 ergab, dass ein Portfolio mit stärkerer Präsenz in privaten Märkten höhere Renditen erzielte als ein Basisportfolio, das größtenteils aus ausländischen Aktien bestand.

Auch das noch: Mehr Geld für Bauprojekte

Von den Plänen profitieren könnten insbesondere Bauvorhaben für Infrastruktur und Immobilien, weil ihnen mehr Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. So hat beispielsweise Now Pensions, ein weiterer Unterzeichner des Mansion House Accord, angekündigt, mit einem Projekt für bezahlbaren Wohnraum erstmals in den britischen Privatmarkt zu investieren. „Die Vereinbarung unterliegt jedoch weiterhin der treuhänderischen Pflicht der Fonds, im besten Interesse ihrer Kunden zu handeln“, mahnen sie bei Osborne Clarke. „Das bedeutet, dass Investitionen in große Infrastrukturprojekte nur dann erfolgen, wenn sie die Rendite für Rentner maximieren.“ Denn die Erzielung besserer Ergebnisse für die Sparer steht in Großbritannien immer im Vordergrund.

Julian Mund begleitet die Pläne der Regierung aus nächster Nähe und warnt nun vor staatlicher Bevormundung: „Wir sind überzeugt, dass der beste Weg, gute Renditen für unsere Mitglieder zu sichern, darin besteht, Investitionen auf freiwilliger, nicht auf verpflichtender Basis zu tätigen“, so der Geschäftsführer der Interessenvereinigung PLSA. „Nach der Unterzeichnung des Mansion House Accord, in dem sich große DC-Systeme verpflichteten, ihre Investitionen in Großbritannien zu erhöhen, sind wir zuversichtlich, dass eine solche Verpflichtung nicht notwendig sein wird.“ Jede staatliche Intervention, die die Anlage von Sparergeldern lenke, sei riskant, warnt Julian Mund. „Schafft der Staat nicht das richtige Umfeld mit einem geeigneten Angebot an Investitionsmöglichkeiten, birgt dies Abwärtsrisiken für die Mitglieder. Auch das Vertrauen in das System könnte beeinträchtigt werden“, so der PLSA-Chef weiter. „Treuhänder haben die Aufgabe, das Beste für die Sparer zu tun.“ Jede Vorschrift müsse mit äußerster Vorsicht formuliert werden.

Es bleibt abzuwarten, ob es gelingt, dass alle arbeitgeberübergreifenden beitragsorientierten Rentensysteme ebenso wie die kommunalen Rentenfonds bis zum Ende dieses Jahrzehnts auf der Ebene von so etwas wie „Superfonds“ operieren. Zumal die UK Pension Crisis von 2022 vielen noch in den Knochen steckt.

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