Traditionelle Anlagen
4. Juli 2025

Schuldscheine kämpfen um Anlegergunst

Schuldscheine sind für institutionelle Investoren ein beliebter Portfoliobaustein mit viel Tradition. Doch die Neuemissionen gehen kräftig zurück. Die Anlageklasse hat zuletzt Konkurrenz von liquiden und illiquiden Alternativen bekommen.

Der Markt für Schuldscheindarlehen (SSD) hat den Rückwärtsgang eingelegt: Im ersten Quartal ist das Emissionsvolumen gegenüber dem Vorjahresquartal um 30 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro eingebrochen. Emittenten nahmen gerade einmal halb so viel Kapital auf wie im Quartalsdurchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Nur die Rekordtransaktion des Discounters Lidl im Volumen von 1,3 Milliarden Euro konnte ein größeres Fiasko abwenden. Doch selbst, wenn die SSD-Emissionen in den kommenden Quartalen wieder anspringen sollten, scheint klar: Der Schuldschein hat als Finanzierungs- und Investmentinstrument durchaus Konkurrenz bekommen – vor allem von Anleihen, aber auch von Private Debt.

Eigentlich hat das Instrument in der Unternehmensfinanzierung seinen festen Platz: SSD kombinieren die Vorteile einer Anleihe mit dem Verzicht auf weitreichende Publizitätspflichten. Sie verbreitern zudem die Investorenbasis. „Schuldscheindarlehen bieten Unternehmen Flexibilität und geringeren Dokumentationsaufwand – ein klarer Vorteil in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld“, erklärt Karl-Heinz Bühner, Co-Head of Debt Capital Markets bei der LBBW. Doch nicht nur Kreditnehmer nutzen traditionell den Schuldschein.

Investoren gilt er als wichtiger Anlagebaustein. Volksbanken und Sparkassen setzen im Depot-A auf das einfache und unkomplizierte SSD-Geschäft. Auch Versicherer und Pensionskassen schätzen das Anlageinstrument. Denn die individuelle Ausgestaltung erlaubt es gerade den verpflichtungsorientierten Investoren, Schuldscheine passgenau für ihre Verbindlichkeitenstruktur und Präferenzen zu stricken. Benjamin Noisser, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Robus Capital Management, sagt: „Die Vorteile von Schuldscheindarlehen liegen in der schlanken Dokumentation und dem schnellen, direkten Settlement auf Basis standardisierter Übertragungszertifikate.“ Dafür nehmen die Investoren auch in Kauf, dass der Markt eher intransparent und die Dokumentation im Vergleich zu Anleihen, syndizierten Darlehen und Private Debt sehr schlank ist.

Gründe für den jüngsten Rückgang finden sich sowohl bei den Emittenten als auch den Investoren. Thorsten Wellein, Senior Investment Consultant bei Faros Fiduciary Management, verweist vor allem auf das veränderte Marktumfeld: Während der liquide Anleihenmarkt bonitätsstarken Emittenten wieder besseren Kapitalmarktzugang bietet, haben Investoren auf Grund der Unsicherheit bestimmte risikobehaftete Branchen wie etwa den kriselnden Immobiliensektor bewusst gemieden. Auch die LBBW-Analysten beobachten, dass Investoren angesichts der konjunkturellen Entwicklungen die einzelnen Emissionen intensiver analysieren.

Der Rückgang ist zumindest teils auch die Kehrseite des vorherigen Booms: Denn in der Phase steigender Zinsen und hoher Volatilität im Jahr 2022 wichen besonders viele Firmen auf Schuldscheine zur Finanzierung aus. SSD gelten gerade in turbulenten Marktphasen als zuverlässige Finanzierungsquelle. In der Folge erreichte der Schuldscheinmarkt 2022 ein Rekordvolumen von mehr als 30 Milliarden Euro, darunter auch viele Emissionen bekannter Unternehmen mit guter Reputation. Laut Faros-Berater Wellein haben SSD gerade im Niedrigzinsumfeld und in der volatilen Marktphase an Bedeutung gewonnen, da sie vermehrt Investoren angezogen und sich als Alternative zu Bankkrediten etabliert haben.

Für institutionelle Investoren sind Schuldscheindarlehen ganz überwiegend ein Thema der Direktanlage. Die Mehrheit der deutschen Pensionskassen verwaltet ihre Schuldscheine im Rahmen des Renten-Direktbestand eigenständig in-house, erklärt Faros-Berater Wellein. Dabei pflegen die Anleger meist direkte Beziehungen zu den Emittenten – ohne zwischengeschaltete Consultants oder Asset Manager. Große Akteure wie Versicherungen, Pensionskassen oder Versorgungswerke verfügen oft über spezialisierte Kreditexperten, die SSD selbst prüfen und zeichnen. Doch in einigen Häusern wurden die entsprechenden Ressourcen in den vergangenen Jahren ausgelagert oder zusammengestrichen. Trotzdem machen Schuldscheine in deutschen Versorgungswerken weiter einen beträchtlichen Teil der Allokation aus.

In der Strategischen Asset-Allokation (SAA) werden SSD oft als eigener Posten geführt oder zumindest separat innerhalb der festverzinslichen Quoten ausgewiesen. „Einige Investoren haben explizite Quoten oder Richtlinien für SSD im Rahmen ihrer SAA“, so Wellein. Die Einstufung als Direktbestand bringt neben der genannten Bilanzstabilität allerdings auch geringere Liquidität mit sich – SSD sind nicht börslich handelbar und werden typischerweise bis zur Fälligkeit gehalten.

Aus dem Versicherungsbereich ist zu erfahren, dass der Stellenwert des Schuldscheins dort nach wie vor hoch ist. Doch es heißt aber auch, dass Schuldscheine über alle Anlegergruppen hinweg an Bedeutung eingebüßt haben, wenngleich sich das deutlich unterscheidet je nach Investor. Das liegt auch an der Konkurrenz durch andere Anlagen: Zum einen sind die liquiden Märkte für Investoren wieder deutlich interessanter, viele nutzen Benchmark-Anleihen im Direktbestand. Und: Im illiquiden Bereich hat sich Private Debt als Zinslieferant etabliert. Existenzbedrohend ist das nicht: „Solche Alternativen werden aber nie an den Level an Individualisierung herankommen wie ein SSD“, erklärt ein Portfoliomanager aus dem Versicherungsbereich. Besonders die individuellen Ausgestaltungsmöglichkeiten seien für verpflichtungsorientierte Investoren hervorragend geeignet. Doch die Stellung des SSD-Marktes scheint nicht unangreifbar.

Krise legt Schwachstellen offen

Auch in einigen Fondsstrategien kommen SSD zum Einsatz. Der Vermögensverwalter Robus etwa nutzt sie selektiv in Strategien, die auch in private Darlehen investieren können. Am Primärmarkt werde man dabei kaum aktiv, sagt Portfoliomanager Benjamin Noisser: Erst wenn die geringeren Sekundärmarktpreise eine angemessene Rendite erlauben, seien SSDs für die hauseigenen Strategien interessant. Dann seien sie meist im Stressed- oder auch im Distressed-Bereich, da sich die Primärmarktzeichner mit entsprechenden Abschlägen von ihren Papieren trennen, so der Portfoliomanager. Für Private-Credit-Opportunities- und Credit-Value-Strategien brauche es eine tiefgehende Due Diligence. „Oft ist es aufgrund der eher dünnen Informationslage bei kleineren Emittenten, auch mangels umfassender Informationsplichten der Emittenten, nicht so einfach, an die relevanten Informationen zu kommen“, berichtet Noisser.

In größeren Firmen mit Kapitalstrukturen, die neben SSD auch Anleihen, Darlehen oder Aktien umfassen, sei die Transparenz besser. Überhaupt zeigten die vergangenen Jahre die Schwachstellen des Marktes: Als die Restrukturierungen im Umfeld höherer Zinsen und schwacher Konjunktur nach oben schossen, machten sich die schwache Dokumentation der SSD insbesondere in puncto Investorenschutzklauseln, Garantien und Besicherung gegenüber anderen Bereichen in der Kapitalstruktur schmerzhaft bemerkbar. Die Wertaufholungen („Recoveries“) fielen bei SSD oft deutlich schwächer aus.

Noisser verweist darauf, dass der Rückgang der SSD-Emissionsvolumina in den vergangenen zwei Jahren so in den anderen Kreditsegmenten wie Anleihen, Private Debt oder syndizierten Krediten nicht bemerkbar ist. Diese Segmente wachsen teilweise stark und kommen nach temporären Schwächephasen schnell zurück. „Entsprechend wird der Rückgang im SSD-Markt durch Zurückhaltung der klassischen SSD-Investoren sicherlich durch das Wachstum der anderen Kreditsegmente und die Investoren in solche Instrumente aufgefangen“, so der Portfoliomanager.

Mismatch von Risiko und Rendite

Die aktive Komponente besteht bei den kaum sekundär gehandelten Schuldscheinen vornehmlich darin, eine Investmententscheidung mit einer entsprechenden Informationsbasis vorzubereiten, erklärt Noisser. Ein relevanter aktiver Zweitmarkt etabliert sich erst allmählich. Noisser zufolge hat man im vergangenen Jahr aber immer mehr qualitativ schwächere Angebote von Verkaufsinteressenten gesehen, die sich aus unterschiedlichen Gründen von ihren SSD-Beständen trennen oder diese reduzieren wollen und oft mit kleineren Paketen und Portfolios an den Markt gehen. „Entsprechend entwickelt sich langsam ein breiterer Sekundärmarkt.“

SSD stehen nach Meinung Noissers im Wettbewerb mit Anleihen, syndizierten Darlehen und Private Debt. Für Emittenten sei der SSD-Markt lange der bequemste und günstigste Kreditmarkt gewesen, sowohl von den Transaktionskosten als auch von den Kreditmargen, die an Investoren bezahlt werden müssen. Denn traditionell gelten SSD als Investment-Grade-Instrumente, auch wenn meist kein Rating von einer der relevanten Ratingagenturen vorliegt. „Wir haben stets ein Mispricing im Primärmarkt gesehen, sprich Kreditinvestoren bekommen bessere Renditen in den anderen drei Marktsegmenten“, so Noisser. Im Klartext: Investoren werden aus Risiko-Rendite-Gesichtspunkten nicht hinreichend „kompensiert“ für die Kreditrisiken im SSD-Markt, die sie eingehen. Sollte das der Fall sein, könnte der Markt ein neues Gleichgewicht finden – eventuell bei strukturell etwas höheren Zinsprämien und einem etwas niedrigeren Volumen.

Lesetipp: Der Markt für Schuldscheindarlehen ist auch im vergangenen Jahr geschrumpft. Nach Angaben der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), sie ist einer der wichtigsten Arrangeure für Schuldscheindarlehen (SSD), ging das Neuvolumen des Finanzierungsinstruments um rund neun Prozent auf 20,7 Milliarden Euro zurück.

Autoren:

Schlagworte: |

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert