Wegscheide Wealth-Welt

One Coleman Street ist die Adresse des Hauptsitzes des britischen Finanzkonzerns Legal & General (L&G) in London. Die Briten haben eine Partnerschaft mit der Credit-Plattform von Blackstone verkündet. (Bild: L&G)
Die Asset-Management-Branche stagniert – das gilt für Anbieter von Private-Markets-Strategien und erst recht für die traditionellen Aktien- und Anleihe-Häuser. Ihre Zukunft sehen beide Lager in einer Verknüpfung der liquiden und illiquiden Anlagewelten – und läuten das Age of Convergence ein. Dieses Zeitalter soll dem liquiden Lager den Zugang zu Private Markets öffnen und den illiquiden Playern das Tor zur Wealth-Welt. In den USA konvergieren derweil Private-Equity-Gesellschaften mit Kunden.
Größe ist im Asset Management wichtig, aber nicht alles. Was eben auch zählt ist die Marge. So hat der Platzhirsch der liquiden Märkte, Blackrock, zwar etwa zehnmal so viele Assets als das illiquide Pendant, Blackstone. Beider Market Caps liegen aber mit grob 130 Milliarden Euro auf vergleichbarem Niveau. Dieser Bewertungsunterschied lässt sich mit der Bewirtschaftung der höhermargigen Private-Market-Assets generieren. Außerdem ist die Volatilität von Privatmärkten geringer, womit Aktien- und Zinsschwankungen weniger kritisch für die eigene Bilanz sind. Wenig verwunderlich darum, dass beispielsweise L&G (Legal & General) – selbst börsengelistet – als Ziel angibt, seine Private Markets AuM bis 2028 auf 85 Milliarden Pfund zu steigern. Das klingt viel, erscheint in Relation zu den Gesamt-AuM von 1,1 Billionen Pfund aber wenig.
Wie den Briten geht es auch anderen Größen aus der traditionellen, liquiden Welt. Die naheliegende Lösung: Der Zukauf von Private-Markets-Häusern. So hat Blackrock, vor allem mit dem ETF-Geschäft größter Asset Manager der Welt geworden, in wenigen Monaten den Infrastrukturmanager GIP, den Private-Markets-Daten-Spezialisten Preqin und die Credit-Größe HPS Investment Partners eingekauft. Vor kurzem setzte Blackrock seine Einkaufstour fort und akquirierte die Real-Estate-Firma Elm Tree Funds. In Deutschland erwarb die Commerzbank im vergangenen Jahr die Mehrheit am Hamburger Sachwertespezialisten Aquila.
L&G verkündete nun aber keinen Zukauf, sondern eine Partnerschaft mit der Credit-Plattform von Blackstone. Interessant an dem Bündnis ist, dass dieses zeigt, dass offenbar nicht nur Private Markets für Asset Manager aus der liquiden Aktien- und Anleihewelt attraktiv sind, sondern umgekehrt diese Asset Manager auch für die General Partner aus der Private-Equity- und -Debt-Welt. Heiner Weber, Partner beim Berater Indefi, erwartet, dass es künftig nicht nur mehr Akquisitionen, sondern auch mehr Partnerschaften geben wird. „Die Aussichten für Asset Manager, organisch zu wachsen, sind beschränkt“, so Weber. „Von 2022 bis Ende 2024 lag das Wachstum institutioneller Allokationen in Private Markets in Europa bei null Prozent. Für die Zukunft ist ebenfalls kein großer Wachstumsschub zu erwarten. Ein Grund ist, dass die meisten Institutionen ihre Toleranzgrenze für illiquide Assets erreicht haben.“ Doch was bringt die Zukunft dann? Für Heiner Weber ist das Age of Convergence angebrochen, in dem Public und Private Markets verschmelzen.
Hybride Produkte für Wealth- und Wholesale-Kanäle
Von einer Konvergenz mit Blackstones Credit-Plattform verspricht sich L&G mehr Diversifikation und Wachstum. „L&G wird von einer vielfältigeren Pipeline von Vermögenswerten für unser Annuitäten-Geschäft und einem Wachstum in der Vermögensverwaltung profitieren, da wir anspruchsvollere Anlagelösungen für Kunden auf der ganzen Welt entwickeln“, erklärt António Simões. Weiteres Argument für L&Gs Group CEO ist, besser die wachsende Nachfrage nach hybriden Investmentprodukten bedienen zu können. Hierunter verstehen sich Lösungen, die sich aus liquiden und illiquiden Assets zusammensetzen, also in diesem Fall aus Anleihen und Krediten. Eric Adler, L&Gs neuer CEO Asset Management, betont in seinem Statement, dass man nun neue innovative Investmentlösungen anbieten kann und sich globaler aufstelle. Adler streicht außerdem heraus: „Ich bin besonders begeistert von dem Potenzial unserer Allianz, unser Angebot in den globalen Wealth- und Wholesale-Kanälen voranzutreiben.“
Nicht weniger begeistert gibt man sich bei Blackstone. „Wir freuen uns sehr über die Partnerschaft mit L&G, ein Weltklasse-Unternehmen mit starker Performance, das wir schon lange bewundern“, schmeichelt Jon Gray, Präsident und Chief Operating Officer von Blackstone, den Briten. „Die unübertroffene Größe und Expertise unserer beiden Unternehmen sollte innovative Lösungen auf dem privaten Kreditmarkt vorantreiben.“ Fraglich nur, woher Blackstones Begeisterung für ein margenarmes, wachstumsschwaches Business rührt, das auf Assets basiert, die mit jeder Zinserhöhung rapide an Wert verlieren.
Ein wesentlicher Reiz liegt insbesondere auch für Private-Markets-Größen darin, Wachstumschancen außerhalb der angestammten institutionellen Kundschaft zu finden. „Grundsätzlich sind für Private-Markets-Häuser die Vertriebskanäle der Asset Manager aus der liquiden Welt interessant. So erlangen die Anbieter von illiquiden Assets Zugang zur Wealth- und Retail-Klientel. In diesem spezifischen Fall wird die Partnerschaft hybride public/private Credit-Produkte erschließen, die Blackstones Private Credit und L&Gs Anleihekapazitäten vereinen. Diese Produkte eignen sich perfekt, um den Wealth Channel anzusteuern“, erklärt Heiner Weber. „Mit Blick auf das institutionelle Geschäft hat Blackstone in dieser Partnerschaft aber auch ein sehr hohes Interesse an den Versicherungs-Assets von L&G, von denen viele auf die Credit-Plattform von Blackstone fließen werden.“ Das geht auch aus der ebenfalls partnerschaftlichen Pressemitteilung hervor. Geplant ist nämlich, dass L&G bis zu zehn Prozent des erwarteten Neugeschäfts mit Rentenversicherungen auf Blackstones Credit-Plattform durchleitet. So kann das US-Haus seine bislang 237 Milliarden Dollar an Versicherungsgeldern Dritter weiter ausbauen.
Ähnlich ist der Hintergrund der oben erwähnten deutschen Transaktion. Aquila strich anlässlich der Übernahme durch die Commerzbank deren globales Vertriebsnetz heraus, welches den „Zugang zu Privat- und Unternehmerkunden sowie zu einer großen Zahl institutioneller Kunden“ erweitere. Apropos Privatkunden: Wie Indefi informiert, beläuft sich in Europa in 2024 das Volumen der alternativen Anlagen im Wealth-Klientel auf 375 Milliarden Euro, wobei es sich hierbei größtenteils um Immobilien aus Altbeständen handelt. Für 2029 prognostiziert der Berater 600 Milliarden Euro und dabei werden Private Equity, Private Debt und Infrastruktur maßgeblich zum Wachstum beitragen.
Erstmalig setzte Blackstone die Idee einer Private-Public-Markets-Kombination im April um. Damals gab man gemeinsam mit den anderen US-Größen Wellington und Vanguard ebenfalls eine strategische Allianz bekannt. Das Dreierbündnis will, „vereinfachte Multi-Asset-Anlagelösungen entwickeln, die öffentliche und private Märkte sowie aktive und Index-Strategien nahtlos integrieren“. Damit will man Anlegern einen Multi-Asset-Zugang öffnen, der normalerweise nur den größten globalen Institutionen zur Verfügung stehe. Explizit ist die Wealth-Management-Industrie als Ziel genannt – und dass man voll diversifizierte Portfolios offerieren will, die höhere Renditen ermöglichen. Spannend an der Kooperation dürfte für Blackstone insbesondere der Wealth-Kanal sein, für Wellington und Vanguard das Mehr an Streuung und Rendite.
Capital Group und KKR, State Street und Apollo
Vergleichbare Ziele verfolgen die Capital Group und KKR. Ebenfalls im April verkündeten die beiden Asset Manager gemeinsame „best-in-class public and private market exposures“. Die Capital Group dürfte die Erwartung locken, den Kunden attraktivere Risk-Return-Profile zu offerieren. KKR wiederum hat sein Herz für Kleinanleger entdeckt, angeregt offenbar durch den verheißungsvollen Zugang der Capital Group zum Massengeschäft. „Gemeinsam mit der Capital Group wollen wir die Vorteile privater Anlagen für die 95 Prozent der Privatanleger erschließen, die bisher nicht in die Privatmärkte investieren konnten. Wir haben erst an der Oberfläche dessen gekratzt, was wir den Anlegern bieten können, da wir unsere Zusammenarbeit auf weitere Anlageklassen, Regionen und Formate ausweiten wollen“, so Joe Bae und Scott Nuttall, Co-CEOs von KKR. Die Capital Group managt über 2,8 Billionen Dollar an Assets. Bei KKR sind es über 600 Milliarden Dollar an AuM – allerdings auf den höhermargigen Private Markets.
Private Credits per ETF
Mit höchster Konsequenz den Weg hin zu hybriden Lösungen beschreiten State Street Global Advisors und Apollo. Seit Februar dieses Jahres ist in New York nämlich der SPDR SSGA Apollo IG Public & Private Credit ETF handelbar. Diese Innovation öffnet Retail-Anlegern den direkten Zugang zu Private Credit Assets. Wie Reuters berichtet, ist der Anteil der illiquiden Assets begrenzt und die Management Fee beläuft sich auf für State Street üppige und für Apollo eher magere 70 Basispunkte.
Asset Origination per Eigentumserwerb
Äußerst konsequent ging Apollo im institutionellen Business aber noch in eine andere Richtung mit folgender Überlegung: Statt um einen Asset-Management-Kunden zu werben, kann man dessen Bilanz doch auch kaufen! Seit Anfang 2022 zählt der Altersversorger Athene zum Apollo-Empire. Von Athene stammt laut Pitchbook die Hälfte von Apollos AuM. Ein weiteres Asset-Origination-per-Zukauf-Beispiel: Schon seit 2021 ist der Versicherer und Altersvorsorger Global Atlantic Teil der KKR-Familie. Zehn Prozent der Assets des nordamerikanischen Lebens- und Annuitätensektors sei bereits im Eigentum von Private-Equity-Gesellschaften.
Üblicherweise läuft es andersherum, nämlich dass Versicherer Asset Manager kaufen, um Fees zu sparen und im Drittgeschäft noch selbige zu verdienen. Prominente Beispiele: Prudential und PGIM, Allianz und Pimco oder kürzlich der Minderheitserwerb der japanischen Dai-ichi Life an dem Asset Manager und Versicherer M&G. Zum Nutzen von M&G ist hierbei, dass man zum bevorzugten Vermögensverwaltungspartner von Dai-ichi Life in Europa werden und an voraussichtlich mindestens sechs Milliarden Dollar neuen Zuflüssen in M&G-Fonds in den nächsten fünf Jahren profitieren soll. Davon sollen mindestens drei Milliarden Dollar in High-Alpha-Strategien von M&G auf öffentlichen und privaten Märkten fließen. Die Vermögensverwaltung hat zuvor auch Allianz, Blackrock und die japanische T&D Insurance gereizt, sich an der Run-off-Plattform Viridium zu beteiligen. Für die Allianz ist das Drittgeschäft der Asset-Management-Töchter Pimco und Allianz GI relevant für den Geschäftserfolg des Konzerns.
Die Inspiration für Apollo und KKR für diese Art der Asset Origination dürfte von Altmeister Warren Buffett stammen, dessen Berkshire Hathaway seit Jahrzehnten in den Versicherer Geico investiert ist. In dem lesenswerten FT-Artikel des langjährigen Multi-Asset-Spezialisten von Columbia Threadneedle, Toby Nangle, „Inside the private equity-Insurance nexus – When the world’s dullest industry gets very exciting“ textet der Autor als Intro: „Vermögensverwalter haben es leicht. Die Partys, die Kontakte, die Tabellenkalkulationen. Und das Geld ist auch nicht schlecht. Um den Laden am Laufen zu halten, muss man allerdings noch ein kleines Detail beachten: Kunden gewinnen und halten. Aber was wäre, wenn man sie einfach kaufen würde?”
Naheliegende Antwort: Als erste Amtshandlung würde man sich selbst als Asset Manager mandatieren. Die FT führt SEC-Daten an, laut denen 2024 Global Atlantic 536 Millionen Dollar an KKR und Athene 1,3 Milliarden Dollar an Apollo an Fees zahlten. Laut der Ratingagentur AM Best verdoppelten sich Investments des US Life- und Annuity-Sektors in Private Credits in der vergangenen Dekade auf eine Quote von fast 20 Prozent. Ein Teil der Antwort ist aber auch, dass die Beteiligungsgesellschaften in diesen Beispielen Fees an sich selbst zahlen. Das mag zwar besser sein, als Wettbewerbern ein Stück vom Kuchen abzugeben, klingt aber nicht wirklich sinnvoll. Die Sinnhaftigkeit liegt in der Arbitrage. Dies gilt zunächst für die Asset-Bewertung. Bei der Übernahme durch KKR wurde Global Atlantic mit etwa 4,7 Milliarden Dollar bewertet und der Wert, der heute von KKR gemanagten Assets, auf 90 Milliarden Dollar taxiert. Für einen Dollar bekam KKR also fast 20 Dollar an Assets. Ende 2021 wurden dagegen die damals 471 Milliarden AuM von KKR von der Börse mit etwa 44 Milliarden Dollar bewertet. Für einen in KKR investierten Dollar gab es also knapp elf Dollar an Assets. Ende 2024 lag der Faktor übrigens nur noch bei etwa 4,7.
Im nächsten Schritt kann die Private-Equity-Gesellschaft ihren Claim rechtfertigen, Portfoliounternehmen operativ weiterzuentwickeln. Ansatzpunkt ist im FT-Text „Alchemical Regulatory Arbitrage“, das als „amerikanisches Problem“ beschrieben wird und im Endeffekt meist über Einbezug der Bermudas Eigenkapital der Versicherung freisetzt. Dieses kann nun als „free money“ dazu dienen, das operative Geschäft zu steigern. Arbitragemöglichkeiten liegen beim Kauf eines Versicherers zudem in dessen laufenden Prämieneinnahmen, worauf der FT-Artikel hinweist. Diesen Cash-Strom kann eine Private-Equity-Gesellschaft beispielsweise als hochverzinsten Private Credit an die Portfoliounternehmen weiterreichen. Allerdings erscheint es nicht ohne Risiko, wenn eine Versicherung mit ihren Prämien Beteiligungsfonds hebelt, in die sie selbst (zwangs-)investiert ist. Weiterer Vorteil: Eventuell sparen die erwähnten Versicherer Fees, was es ihnen erlaubt, ihre Produkte aggressiver zu bepreisen und im Endeffekt mehr Wachstum ermöglicht.
Für die Dividendenstabilität der Eigentümer der Käufer erscheinen Zukäufe der stabileren Privatmarktanlagen oder von stabilem Versicherungsgeschäft sinnvoll – genauso wie der Einstieg ins Wealth Business. Ob sich aber ETFs als ideal erweisen, um die liquide und illiquide Welt zu verschmelzen bleibt abzuwarten. Bereits deutlich auf dem Vormarsch sind jedoch Eltifs und Evergreens, die ihren Anlegern sowohl Zugang zu illiquiden Assets als auch Liquidität versprechen. Laut Indefi erwartet man in den USA, dass künftig ein Drittel aller Private Credit Assets in Evergreen-Strukturen allokiert werden. Diese Asset-Klasse eignet sich wegen den relativ planbaren Ausschüttungen und Rückzahlungen eher für ein semi-liquides Vehikel als beispielsweise Private Equity.
Neben Evergreens ist aus Sicht von Indefi künftig auch noch mit Secondary- und Co-Investment-Angeboten, die ebenfalls dem Liquiditätsmanagement sowie der Bewältigung der wachsenden Komplexität der Regulierung institutioneller Investoren dienen, für Asset Manager Wachstum möglich. Ansonsten aber: „Wer heute noch kein großes ETF-Geschäft hat und nicht auf den Private Markets unterwegs ist, wird es künftig noch schwerer haben“, so Weber. Ob es aber auch Private-Equity-Häuser ohne Versicherungsgeschäft schwer haben werden? Eher nicht, da der Erfolg von Beteiligungsgesellschaften von vielen anderen Faktoren abhängt – zum Beispiel von einem Zugang in die Wealth-Welten beziehungsweise von einer Partnerschaft mit einem Türöffner aus der traditionellen Anlagewelt.
Ihren Platz werden auch Boutiquen haben – wenn diese in einer Nische unterwegs sind und dort attraktive Renditen erzielen. Apropos Rendite: Wenig spricht dafür, dass die Performance von hybriden Produkten im Age of Convergence besser ist, als wenn Anleger konsequent Illiquiditätsprämien mit Spezialisten suchen, die auf Small und Mid Caps der liquiden und illiquiden Welt fokussiert sind. Andererseits dürfte zum One-Stop-Shop-Modell der großen Plattformen und Marken auch ein besserer Service zählen.
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Age of Convergence | ETFs | Print-Ausgabe | Privatmarktanlagen / Private Assets | Wealth / UHNWI
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