Pension Management
25. Oktober 2019

Abwarten und Tee trinken

Der nahende Brexit beschäftigt britische Pensionsfonds intensiv. Die Vorbereitungen sind bislang stärker taktischer Natur in Form von Währungs-Hedges als strategisch durch eine veränderte Asset-Allokation. Beim ­Regulator herrscht Gelassenheit vor.

Halloween wird ein Tag sein, der Großbritannien trennt. Am 31. ­Oktober wird sich Großbritannien für manche von den Fesseln der Europäischen Union befreien, während Gegner des Brexits ­befürchten, dass das Land in eine Zeit der wirtschaftlichen Not und der ­geopolitischen Isolation eintreten könnte. Unabhängig von der ­politischen Orientierung steht der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU bei britischen Investorengesprächen ganz oben auf der Tagesordnung, seitdem das Land vor mehr als drei Jahren für den Austritt ­gestimmt hat. Die Pension Schemes stehen vor einer ­dreifachen Herausforderung. Niedrige Rendite für britische Staats­anleihen würden sich negativ auf den Deckungsgrad der Pensionsfonds auswirken. ­Zudem könnte sich die allgemeine wirtschaftliche Verschlechterung auf die Bilanzen der Arbeitgeber auswirken, ­wodurch künftige ­Arbeitgeberbeiträge unter Druck kommen ­könnten. Drittens könnte eine höhere Volatilität negative Folgen für Anlageportfolios haben. So könnte der FTSE 100 im Falle eines ungeregelten Austritts laut ­MSCI um 15 Prozent fallen. Die Frage, die sich am ­Vorabend des Brexits stellt, lautet: Haben die Rentensysteme, die ­traditionell nur ungern­ vorübergehende Änderungen in ihrer ­Anlagestrategie vornehmen, diese vor dem großen Tag überarbeitet? Und was sind die wichtigsten operativen Herausforderungen, vor ­denen sie stehen werden?

Die meisten Pension Schemes haben aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Entwicklung keine Pläne über ihre Anlagestrategie im Falle eines Brexits veröffentlicht. Zudem wollen sie nicht den Eindruck ­erwecken, dass ihre Investitionsentscheidungen eher von kurzfristigen taktischen Maßnahmen als von einer langfristigen strategischen Vermögensallokation bestimmt werden könnten. Wie David Cox, Head of Listed Markets bei Brunel Pension Partnership, ausführt, ist sich sein Team dennoch der Turbulenzen bewusst, welche die Finanzmärkte nach Halloween treffen könnten. Der 30-Milliarden-Pool, in dem die Investitionen von zehn kommunalen Rentensystemen zusammengefasst sind, ist dezentral organisiert, wobei jeder der lokalen Pensionsfonds weiterhin treuhänderisch verantwortlich ist. Infolgedessen ­variiert der Grad der Brexit-Anpassung zwischen den ­einzelnen Behörden. „Wir sind uns der steigenden Volatilität im Markt bewusst, die das Übergangsrisiko erhöht“, so Cox. „Wir haben unsere gut durchdachte Anlagestrategie nicht geändert, obwohl wir flexibel genug ­bleiben, um bei Bedarf zu reagieren.“

Zu den Brexit-Sorgen kommen allgemeine Befürchtungen um das Wohlbefinden der Weltwirtschaft, weshalb viele Defined-Benefit-­Schemes (DB-Schemes) das Risiko in ihren Portfolios schon weit vor dem Oktober reduziert haben. Für Brunel aber steht die Reduzierung des Engagements in britischen Aktien nicht auf der Agenda. Cox weist darauf hin, dass viele der größten in London gelisteten Unternehmen so globalisiert sind, dass sie stärker von Währungsbewegungen in ­anderen Märkten betroffen sein könnten. Anders ist die Einschätzung von Mark Hedges, Chief Investment Officer des 3,2 Milliarden ­schweren Nationwide Pension Fund, welcher die Aktienquote ­reduziert hat. Obwohl das Scheme einen höheren Anteil an aktiven Mitgliedern hat, konzentriert er sich auf die Anpassung der Verbindlichkeiten. „Wir diversifizieren unser ohnehin schon sehr globales ­Engagement, insbesondere bei unseren renditeorientierten Anlagen“, sagt Hedges. „Unsere Matching Assets sind offensichtlich mit ­britischen Verbindlichkeiten verbunden, in erster Linie mit Gilts, ­indexgebundenen Anleihen und einigen britischen indexgebundenen Immobilien, die auch als teilweise Absicherung der Verbindlichkeiten fungieren.“ Hedges weiter: „Der starke Rückgang der Zinsen, den wir seit Ende vergangenen Jahres zu verzeichnen haben, hat sich auf ­unsere Verbindlichkeiten ausgewirkt, aber diese Auswirkungen sind geringer geworden, weil wir die Absicherung der Inflation und ­insbesondere des Zinsrisikos verstärkt haben.“ Für Hedges war es die Unsicherheit um den Brexit, die den Rückgang der Zinsen ­stimulierte. „Der Zinsrückgang wird auch durch die globale Verlangsamung verstärkt, aber der größere Treiber in Großbritannien ist wahrscheinlich der Brexit“, fügt Hedges hinzu. „Sicherlich wäre unser Defizit ­um ­einiges größer gewesen, wenn wir die Absicherung nicht in den letzten zwei Jahren deutlich erhöht hätten.“ Dies ist ein Trend, der sich durchgesetzt hat. Laut einer Umfrage von Hymans Robertson aus dem Jahr 2018 sind inzwischen mehr als 75 Prozent der von ­Defined-Benefit-Schemes gehaltenen Vermögenswerte gegen Zins- und Inflationsrisiken abgesichert. In den letzten zwei Jahren haben Defined-Benefit-Schemes des privaten Sektors rund 100 Milliarden Pfund an fiktivem Zinsänderungsrisiko hinzugefügt, so die Berater von Hymans Robertson.

Währungsrisiken nehmen zu

Einer der deutlichsten Indikatoren dafür, dass institutionelle Anleger mit potenziellen Herausforderungen durch den Brexit konfrontiert werden könnten, war der starke Rückgang des Pfunds, der die ­Währung in diesem Sommer auf ein 28-Monatstief drückte. Ein schwächeres Pfund könnte aber auch eine Chance sein. „Der ­Rückgang des Pfunds hat sich positiv auf unsere Auslandsaktiva ausgewirkt, da der relative Wert von US-denominierten Anlagen gestiegen ist“, sagt Hedges. Er fügt hinzu, dass das Team erwägt, eine gewisse Währungssicherung vorzunehmen. „Wir halten 20 Prozent unseres Portfolios in privaten Märkten, also in illiquiden Anlagen wie Private Equity, Infrastruktur, Privatkredite, Immobilien, in Europa und Asien“, ergänzt Hedges. „Das ist ein globales Portfolio, aber ein großer Teil davon ist in US-Dollar denominiert, was wir nicht abgesichert haben, weil es schwierig ist. Zum Beispiel weiss man bei einem Private-Equity-Fonds nicht, wann man das Geld einzahlt. Man weiß nicht, wie viel Geld man zurückbekommt und man weiß nicht, wann man es zurückbekommt“, erläutert CIO Hedges. Hedges weiter: „Eines der Dinge, die wir in Betracht ziehen, da wir den starken Rückgang des Pfunds ­gesehen haben, ist, einen Teil des Währungsgewinns abzusichern. Wir haben etwa 600 bis 700 Millionen in Dollar-nominierten Aktien, und ein Rückgang des Pfunds um zehn Prozent erhöht den Betrag ­effektiv um ­etwa 70 Millionen Dollar, sodass es langsam eine ­relevante Größenordnung erreicht, bei der es Sinn macht, für einen gewissen Zeitraum abzusichern“, sagt er. „Wir erwägen, unsere Strategie mit ­einem Overlay von Currency Forwards zu ergänzen, um einen Teil der Gewinne zu sichern.“

Ärgerlich wäre dann jedoch, wenn das Pfund weiter fällt. Aber Wetten darauf abzuschließen, wie der Brexit den Wert des Pfunds ­beeinflussen könnte, könnte eine Strategie sein, die schwieriger an risikoaverse Treuhänder zu verkaufen ist, gibt Hedges zu. „Wann immer Sie diese taktischen Wetten eingehen, sind Sie der Ansicht, dass das Pfund Sterling unterbewertet ist. Zwar ist es wahrscheinlich unterbewertet, aber die Frage ist, wie viel weiter es gehen könnte und wie lange. Wir wissen es nicht. Das ist das Problem bei taktischen Entscheidungen. Es ist etwas, worüber wir nachdenken“, fügt er hinzu. Dennoch ist er der Ansicht, dass diese Strategie bei einigen Schemes auf der Tagesordnung stehen könnte. „Eine Overlay-Strategie auf der Makroebene hinzuzufügen, ist sicherlich eine Strategie, an die Pensionsfonds ­gerade denken“, so Hedges. „Solange sich die ­Verhandlungsbereitschaft der britischen Regierung nicht grundlegend verändert hat, sehe ich keine große Trendwende beim Pfund Sterling. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es im Moment eher einen schmerzhaften Brexit als ein Austrittsabkommen geben wird“, prognostizierte Hedges diesen August.

Paradoxerweise haben die britischen Rentensysteme trotz der ­makroökonomischen Widrigkeiten, denen das Vereinigte Königreich seit der Abstimmung über den Austritt aus der EU ausgesetzt ist, ihr ­Finanzierungsniveau verbessert. Getragen von der quantitativen ­Lockerung und den starken Aktienmärkten haben insbesondere DB-Modelle in den vergangenen zehn Jahren einen soliden Anstieg der Vermögenswerte verzeichnet, welcher den Anstieg der ­Verbindlichkeiten kompensiert hat. 2018 hatten die britischen Defined-Benefit-Schemes laut dem Pension Protection Fund einen Überschuss von 117,1 Milliarden Pfund – eine relativ komfortable Position im Vergleich zu dem Überschuss von 41,1 Milliarden Pfund, den sie vor vier Jahren hatten.

DB-Schemes profitieren von ausländischen Aktien und Gilts

Da die meisten Pension Schemes vor allem in ausländische Aktien ­investiert sind, profitieren sie vom fallenden Pfund. Zudem haben die ­höheren Rentenrenditen von Gilts sich positiv auf die Berechnung der Verbindlichkeiten von DB-Schemes ausgewirkt. Folglich scheint sich The Pensions Regulator (TPR) dem Brexit-Risiko mit einer typisch britischen „Abwarten und Tee trinken“-Haltung zu nähern. „Wir ­haben unseren neuen Aufsichts­ansatz genutzt, um uns von einigen der wichtigsten Schemes ­erläutern zu lassen, was sie zur Vor­bereitung auf den Brexit tun. Sie haben ­berichtet, dass sie aufgrund ihrer ­langfristigen ­Anlagestrategien und Risikomanagementkonzepte ­generell zuversichtlich sind, dass sie ­jede kurzfristige Volatilität ­überstehen werden, falls sie eintreten sollte.­ Schemes berichteten auch, dass sie – wo angebracht – mit den Arbeit­gebern über das Covenant-Risiko gesprochen haben“, so ein TPR-Sprecher.

Harter Brexit führt zu höheren Verbindlichkeiten

Viel wird jedoch davon abhängen, mit welcher Art von ­Brexit das Land konfrontiert ist. Ein No-Deal-Brexit könnte einen weiteren – wenn auch vorübergehenden – Anstieg des Pensionsvermögens ­bewirken, doch die positiven Auswirkungen würden durch einen ­starken ­Anstieg der Verbindlichkeiten aufgehoben, prognostiziert ­Toby Nangle, Head of Global Asset Allocation beim Vermögens­verwalter Columbia ­Threadneedle. Das Defizit läge insgesamt bei rund 55 Milliarden Pfund. Durch einen weicheren Brexit könnten Pension Schemes ­dagegen mit einem Überschuss von 85 Milliarden Pfund rechnen.

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