Strategien
13. Oktober 2016

Active Share: nicht mehr nur für Aktien

Angesichts der derzeitigen Volatilität an den High-Yield-Märkten sollten­ Investoren ihre bisherigen Ansätze überdenken. Wer die „aktiven“ Risiken von Hochzinsanleihen-Portfolios versteht, wird auf Sicht eines Marktzyklus leichter attraktive risikoadjustierte­ Erträge­ erzielen, meint William J. Adams im Gastbeitrag.

William J. Adams ist Chief Investment Officer / Global Fixed Income bei MFS Investment Management in Boston. 
Traditionell achten Anleiheninvestoren auf den Tracking Error, also­ auf die Standardabweichung der Erträge gegenüber den Benchmarkerträgen, als Maß für das relative Risiko einer Strategie. Bei aktiven­ High-Yield-Strategien reicht der Tracking Error allerdings nicht immer­ aus, um sich ein vollständiges Bild von den Portfolio­risiken zu machen.­ Denn Portfolio und Benchmark unterscheiden sich strukturell.­

Die meisten High-Yield-Manager erzielen Renditen durch eine sorgfältige Einzeltitelauswahl. Deshalb konzentrieren sie sich auf einzel­wertspezifische Risiken und versuchen, das systematische ­Risiko, also das Marktrisiko, zu minimieren. Manchmal führt dies zu einem extrem niedrigen Tracking Error. Es entsteht der Eindruck, dass der Manager nicht genug von der Benchmark abweicht, also nicht genug Risiken eingeht. Zuletzt hat sich aber gezeigt, dass Einzelwert­risiken die Erträge von Hochzinsanleihen maßgeblich ­beeinflussen können, vor allem in sehr volatilen Marktphasen. Wie können Investoren also die einzelwertspezifischen Risiken in einem Portfolio korrekt beurteilen?

Bei Aktienportfolios betrachtete man in den vergangenen Jahren zunehmend den Active Share, also das Ausmaß, in dem sich die Portfolio- und Benchmarkpositionen unterscheiden. Wir sind der Meinung,­ dass der Active Share auch für die Risiko- und Ertrags­analyse von Anleihenportfolios relevant sein kann, vor allem bei Hochzinsanleihen. Denn er zeigt die Unterschiede zwischen Portfolio und Benchmark auf Einzelwertebene besser als der Tracking Error.

Ein Active Share für aktienähnliche Anleihenportfolios
Allerdings ist der Active Share eines Anleihenportfolios nur bedingt­ mit dem eines Aktienportfolios zu vergleichen. Bei Aktienportfolios ist der Active Share nützlich, weil hier unternehmensspezifische Risiken von großer Bedeutung sein können. Da manche Aktien zurzeit sehr volatil sind, ist der Active Share in Aktienportfolios oft von größerer Relevanz als in traditionellen Anleihenportfolios.
Hinzu kommt, dass die Zinsen oder andere nicht emittentenspezifische Risiken­ das Gesamtrisiko eines traditionellen Anleihenportfolios oft maßgeblich bestimmen. Der Active Share liefert dann nur wenige Erkenntnisse.­ Je aktienähnlicher aber ein Anleihenportfolio ist, desto sinnvoller ist es, den Active Share zu betrachten. Und gerade für High-Yield-Portfolios sind oft die gleichen Faktoren wie für Aktien relevant.­­ Dann stellt sich nur noch die Frage, welcher Active Share für ein High-Yield-Portfolio sinnvoll ist. Anleihenmanager müssen dazu nicht nur die Benchmark im Auge behalten, sondern auch darauf ­achten, wie stark sie große Benchmarkpositionen im Rahmen ihres Investment­-­ und Risikomanagementprozesses untergewichten ­dürfen. Je konzentrierter die Benchmark ist und je enger sich ein Port­folio an einer­ Benchmark orientieren muss, desto schwieriger ist es, einen hohen­ Active Share zu erreichen.

Wer beim Management eines Anleihenportfolios den Active Share nutzt, muss sich einige Dinge bewusst machen, die für Aktienport­folios nicht relevant sind. Zum Beispiel muss man sich die Frage ­stellen, ob man ihn auf Einzelwert- oder auf Emittentenebene ­berechnen sollte. Wichtig sind auch die Laufzeitenstruktur der ­Papiere eines Emittenten und die unterschiedlichen Spread-Durationen ­seiner Anleihen. Der Active Share wird auf Einzelwertebene immer höher sein als auf Emittentenebene, weil ein Emittent möglicherweise ­mehrere Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten, Zinsen und Coupons begibt.­ Dennoch: Das Ausfallrisiko und die realisierten ­Ausfallverluste bleiben die wichtigsten Faktoren für den langfristigen risikoadjustierten Ertrag von Hochzinsanleihen. Der Active Share auf Emittenten­ebene dürfte daher maßgeblich für die Langfrist-Performance sein.

Auf den Punkt gebracht: Active Share und Tracking Error
Der Active Share ist ein guter Anhaltspunkt für die Abweichung eines Portfolios von der Benchmark auf Einzelwertebene; der ­Tracking Error misst die relative Volatilität gegenüber der Benchmark. Zusammen geben die beiden Kennzahlen Aufschluss darüber, wie „aktiv“ ein High-Yield-Manager ist und welche Risiko- und Ertragsquellen er nutzt. Ein relativ hoher Active Share mit einem vergleichsweise ­niedrigen Tracking Error ist üblicherweise ein Hinweis auf einen­ ­aktiven diversifizierten High-Yield-Manager (siehe Abbildung: Credit Manager, oberer linker Quadrant).

Im Gegensatz dazu kann ein Manager, der vor allem auf systematische, gesamtwirtschaftliche Faktoren achtet, einen hohen Tracking Error haben, ohne stark von den Benchmarkpositionen abzuweichen (siehe Abbildung: Makro-Manager, unterer rechter Quadrant). Ein Credit-/Makro-Manager kombiniert beide Ansätze. Er betrachtet ­beides, die Einzelwerte und das gesamtwirtschaftliche Umfeld, und setzt sowohl auf erfolgversprechende Einzelwerte als auch auf systematische Faktoren. Bei „verkappten Indexfolgern“ sind sowohl der ­Active Share als auch der Tracking Error niedrig, obgleich sie behaupten, ihr Portfolio aktiv zu managen. Zum Vergleich: Bei einem reinen Indexfonds sind Tracking Error und Active Share fast gleich null.

Immer häufiger werden aktive Manager aufgefordert, sowohl ihre faktorspezifischen Risiken als auch ihre Einzelwertrisiken offenzu­legen. Der Tracking Error ist zwar das übliche Maß für das relative Risiko­ eines aktiven Portfolios. Bei High-Yield-Portfoliomanagern mit einem Einzelwertansatz ist es aber möglicherweise nicht das beste Maß. Hier kann der Active Share eine sinnvolle Ergänzung oder sogar eine Alternative zum Tracking Error sein.

Wie bei Aktienportfolios kann der Active Share auch bei Anleihenportfolios wertvolle Hinweise auf die Risiko- und Ertragsfaktoren ­liefern, vor allem wenn sie einzelwertorientiert gemanagt werden. Wichtig ist, dass ein diversifizierter High-Yield-Manager aktiv sein kein, auch wenn sein Portfolio einen niedrigen Tracking Error hat. Das Active-­Share-Konzept passt gut zum Investmentprozess bei Hochzinsanleihen. Beides ist darauf ausgerichtet, systematische ­Risiken zu meiden und durch eine gezielte Einzelwertauswahl ­möglichst hohe Erträge zu erwirtschaften.

portfolio institutionell, Ausgabe 09/2016

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