Recht, Steuer & IT
15. November 2013

Administration im neuen Zeitalter

Die Investmentbranche hat ein neues Grundgesetz. Ob das KAGB – wie ursprünglich gedacht – dem Anlegerschutz dient oder eher eine Bevormundung der Investoren ist, darüber scheiden sich die Geister. Die Rechnung für die Zusatz­kosten aus dem Regelwerk werden die Anleger aber nicht zahlen. Mehraufwand und Kosten haben die Anbieter.

Seit dem 22. Juli ist in der Investmentbranche nichts mehr, wie es einmal war. Umgewöhnen ist angesagt: Der deutsche Spezialfonds heißt nicht mehr Spezialfonds und die Kapitalanlagegesellschaft nicht mehr Kapitalanlagegesellschaft. Schuld ist das neue Grundgesetz der Investmentbranche, das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB). ­Anders als im „alten“ Investmentgesetz ist nicht der Fonds selbst Gegenstand der Regulierung, sondern die Tätigkeit des Fondsmanagers ­beziehungsweise Fondsverwalters, der nun Kapitalverwaltungs­gesellschaft (KVG) heißt, wenn ihn die Bafin als solche zulässt. Doch damit nicht genug. Für jedes Investmentvermögen muss eine von der KVG unabhängige externe Verwahrstelle mit der Verwahrung der Ver­mögenswerte beauftragt werden. Geschlossene Fonds alter Prägung benötigen erstmals – wie dies bei offenen Fonds Usus ist – eine ­Verwahrstelle. Bekanntlich mangelte es bis zur Einführung des KAGB am 22. Juli in Deutschland an einem einheitlichen Regulierungs­ansatz für Fonds für gemeinsame Anlagen.

Dem KAGB liegt der „materielle Fondsbegriff“ zugrunde, wonach grundsätzlich jede vertragliche und gesellschaftsrechtliche Struktur erfasst sein kann, sofern ein Investmentvermögen gegeben ist. Als Investmentvermögen­ gilt „jeder Organismus für gemeinsame Anlagen,­ der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger­ zu investieren und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist“. Neben offenen, geschlossenen und Hedgefonds gehören beispielsweise auch Private-Equity-Fonds dazu. Damit stehen nun sämtliche Fondsmanager und Investmentfonds unter einer Aufsicht. Laut den Juristen von Taylor Wessing reicht der Regelungsbereich infolge dieser offenen Definition von Investmentvermögen außerordentlich weit.

Einen geschichtlichen Überblick und eine erste KAGB-Interpretation machte am ersten Tag der portfolio masters Roman Trageiser von RGT & Friends Consult. Wie Christian Hogrebe von der Caceis-Bank in seinem Vortrag hervorhob, wurde in den vergangenen 18 Monaten kein Thema in der Fondsbranche so intensiv diskutiert wie die AIFM-Richtlinie, die in Deutschland über das KAGB umgesetzt wird. Zwischen dem ersten Entwurf vom 26. Juni 2012 und der Beschlussfassung des Bundestags am 16. Mai 2013 lagen elf Monate, die von großer Unsicherheit für die Anbieter von offenen und geschlossenen Fonds geprägt waren. Als Umsetzungszeitraum für Marktteilnehmer standen zwischen Beschluss und Inkrafttreten des KAGB lediglich zwei Monate zur Verfügung – plus einem Übergangszeitraum von einem Jahr nach Inkrafttreten. „Investoren­ sind die Gewinner der Regulierung. Einziger Malus ist das fehlende Steueranpassungsgesetz“, merkte Hogrebe an, für den das Fehlen der Besteuerungsgrundlage ein Desaster ist. ­Dadurch sei das KAGB wie eine vierspurige Autobahn, bei der man aber nicht alle Spuren nutzen kann, weil der ­Bürgermeister das Band nicht durchgeschnitten hat. „Es ist nur zu hoffen, dass das Steuer­anpassungsgesetz schnell kommt.“

Anlegerschutz oder Bevormundung?

Triebfeder hinter der Einführung des KAGB war sowohl „Madoff“ als auch die Finanzmarktkrise. Aus europäischer Sicht habe das Ziel im Vordergrund gestanden, einen vergleichbaren euro­päischen Rahmen für die Investmentbranche zu schaffen. Der Caceis-Mann ­merkte an, dass der Anlegerschutz im Fokus des Gesetzgebers stand. Gleichwohl gebe es am Markt unterschiedliche Meinungen dahingehend, ob das KAGB nun dem Anlegerschutz dient oder vielmehr einer Bevormundung des Anlegers gleichkommt. Christian Hogrebe bezeichnete die Einführung des KAGB als einschneidendes Ereignis für die Branche und wies darauf hin, dass 25 bestehende ­Gesetze wegen des KAGB angepasst werden müssten, etwa das ­Handelsgesetzbuch, das Aktiengesetz und das Pfandbriefgesetz, um nur einige zu nennen.

Für jeden Spezialfonds ein Verkaufsprospekt

Für Christian Wutz, Geschäftsführer der Société Générale Securities­ Services (SGSS) in Deutschland, die den Antrag zur ­Zulassung als KVG bisher noch nicht gestellt hat, ist das KAGB „viel alter Wein in neuen Schläuchen“. Die damit verbundenen Kosten ­seien aber nicht zu unterschätzen. Diese würden allein auf KAGen-Seite deutlich über den 85 Millionen Euro liegen, die ein entsprechender Ausschuss im Bundesfinanzministerium geschätzt hat. „Das ist eine politische Zahl“, so Wutz. Allein die Einmalkosten würden sich auf drei Millionen Euro für jede KAG belaufen. Dass der „gute, alte Spezial­fonds“ neuerdings „offener inländischer Spezial-AIF mit ­festen Anlagebedingungen“ heißt, könne man Wutz zufolge schmunzelnd hinnehmen. Eine Konsequenz aus der Umbenennung sei, dass die Bezeichnung nun in sämtlichen Verträgen überarbeitet werden muss. Dieser Aufwand sei noch hinnehmbar. Wenn man sich allerdings vor Augen führe, welcher Arbeitsaufwand auf die Asset-­Management-Seite und die KAGen beziehungsweise KVGen im Hinblick auf die neue Prospektpflicht einprasselt, könne den Akteuren das Lachen vergehen. Wutz zufolge muss künftig für jeden Spezialfonds ein Verkaufsprospekt erstellt und mit der Bafin abgestimmt werden, auch wenn der Fonds nicht öffentlich zum Verkauf an­geboten wird. Das sei einer der größten Wermutstropfen, der nach der ­monatelangen Diskussion um das KAGB übrig geblieben sei.

Mit dieser Anforderung gehe ein erhebliches Maß an Bürokratie einher, betonte Wutz. Bei der SGSS mit ihren fast 650 Spezialfonds müssen demnach 650 Prospekte erstmals erstellt werden. Angesichts zahlreicher Insourcing-Mandate liegt die meiste Arbeit primär bei den Kunden. In dem Zusammenhang müsse der Asset Manager ein­gebunden werden. Nach Darstellung von Wutz gilt es zunächst, alle involvierten Asset Manager zu bitten, ihre Anlagestrategie aus­zuformulieren. Das sei allerdings schon deshalb schwierig, weil man immer wieder mit kleinen Nischenanbietern in Amerika oder Asien zu tun habe, die es nicht gewohnt sind, Prospekte zu erstellen. Der ­gesamte Prozess sei sehr zeitaufwendig und koste viele Ressourcen. Wutz stellte die Sinnhaftigkeit für den Endinvestor infrage. Dass sich die zusätzlichen Kosten, die sich aus dem KAGB ergeben, an Investoren­ zumindest teilweise weitergeben lassen, daran hat der SGSS-Geschäftsführer Zweifel: „Der deutsche Markt ist umkämpft. Können Sie in einem solchen Marktumfeld Preissteigerungen durchsetzen? Nein!“ Das gelinge nur für Leistungen, die dem Investor auch einen Mehrwert bringen. Das sei beim KAGB nicht der Fall.

Alles muss genehmigt werden

Mit dem KAGB kommt es laut Wutz auch zu einer Einführung einer­ Genehmigungspflicht durch die Bafin für wesentliche ­Änderungen der Vertragsbedingungen, wie etwa Änderungen der ­Anlagestrategie oder Änderungen der Kostenklauseln. Diese sind künftig­ der ­Finanzaufsicht vorab vorzulegen – sie erhält ein ein­monatiges Wider­spruchsrecht. Die bestehende Möglichkeit zur kurzfristigen Anpassung der Anlagestrategie und die Flexibilität der ­Anlageform „Spezialfonds“ werden somit für wesentliche Änderungen eingeschränkt. Für bestehende Spezialfonds müssen die an das KAGB angepassten Vertragsbedingungen der Bafin im Rahmen des Erlaubnisantrags als AIF-KVG vorgelegt werden, erläuterte Wutz. Aufseiten der Spezialfondsanleger komme es zu einer Reihe von Veränderungen. Ein Aspekt­ sei der zunehmende administrative Aufwand bei der Verwaltung von Spezial-AIF angesichts der Genehmigungs­bedürftigkeit von Anlagebedingungen und der Erfordernis umfangreicher Anleger­informationen. Anteile an offenen Spezial-AIF ­dürften nur noch von „professionellen Anlegern“ gemäß der Definition der Mifid-Richtlinie sowie von „semi-professionellen Anlegern“ erworben werden. Positiv zu werten sei, dass nun auch natürliche ­Personen, wie etwa Family Offices, bei Vorliegen der Voraussetzungen Anleger in ­Spezial-AIF werden können. Was die Depotbanken betrifft: Sie ­werden künftig als „Verwahrstelle“ bezeichnet, wobei zwischen Ogaw- und AIF-Verwahrstelle unterschieden werden müsse. Während die ­Pflichten der Ogaw-Verwahrstellen weitgehend unverändert bleiben, erstrecken sich die der AIF-Verwahrstelle sowohl auf verwahrfähige als auch nicht verwahrfähige Vermögensgegenstände.

Auswege aus dem Niedrigzinsumfeld

Ingo Biermann, Head of Sales and Relationship Management Institutional Investors bei BNP Paribas Securities Services, beleuchtete in seinem Impulsvortrag die Anforderungen institutioneller Investoren im Bereich Alternative Investments und gab einen Überblick über die Vielfalt in diesem Anlagesegment. Im Hinblick auf Markttrends unterstrich Biermann, dass viele Banken aufgrund von Basel III ­gezwungen seien, sich aus der Finanzierung syndizierter Kredite oder auch aus dem Flugzeug-Leasing zurückzuziehen. Gegenüber dem Auditorium skizzierte der BNP-Paribas-Referent, dass sich bis zum Jahr 2017 weltweit ein Finanzierungsbedarf von etwa 17 Billionen ­Dollar an neu zu finanzierenden Projekten auftürmen werde, der für institutionelle Investoren als Investmentgelegenheit durchaus interessant sei. Allerdings machte Biermann keinen Hehl daraus, dass ­diese Thematik für zahlreiche Anleger aus Deutschland Neuland sei, mit dem sie sich zunächst einmal intensiv beschäftigen müssten.


Lieber vorne dabei als später im Stau stehen

Würde Bertolt Brecht noch leben, hätte ihn das KAGB und die eher abwartende Haltung der Branche wohl zu folgender Aussage ­inspiriert: „Stell dir vor, es ist Regulierung, und keiner geht hin.“ Die Ausnahme von der Regel: die Hansainvest, die schon am 22. Juli den Antrag auf die KVG-AIF-Erlaubnis gestellt hat. „Uns ist klar, dass noch vieles offen und der Diskussionsbedarf mit der Bafin zu Aus­legungsfragen entsprechend hoch ist. Um diese Auslegungsfragen aber mitgestalten zu können und um zu vermeiden, dass man bei ­einer späteren Antragstellung vor dem Ultimo im Juli 2014 in Zeitnot kommt, wenn alle einreichen müssen, haben wir den Antrag bereits gestellt“, erklärte Hansainvest-Geschäftsführer Dr. Jörg Stotz in der zweiten Gesprächsrunde. Zu den noch offenen Auslegungsfragen zählt zum Beispiel die Drei-Objekt-Grenze: Ist ein Windpark mit drei Masten oder eine Immobilie mit zwei Garagen schon ausreichend diversifiziert?­ Auch die Abgrenzung von offenen und geschlossenen (Spezial- und Publikums-)Fonds ist noch nicht definitiv. Mit diesem Knackpunkt der KAGB-Umsetzung setzte sich Guido Schlikker von Pricewaterhouse Coopers auseinander: „Gemäß der europäischen Aufsichtsbehörde Esma ist ein Fonds offen, wenn er mindestens einmal vor Beendigung ein Rückgaberecht gewährt. Damit kann sich die Kommission aber nicht anfreunden.“ Ein großer Knackpunkt ist ­natürlich auch noch das fehlende Steueranpassungsgesetz. Davon dürfte­ nicht zuletzt der Standort Luxemburg profitieren. Für diesen spricht aus Schlikkers Sicht auch die größere Flexibilität. Aus der Sicht von Stotz liegt dagegen die deutsche Regulierung in den ­Punkten Genehmigungsgeschwindigkeit und Kosten vorn.

Neben all diesen Unsicherheiten kann Karsten Ehlen von der Zurich­ Deutschland aber auch in den AIFMD mit Blick auf die Haftungs­fragen einen klaren Vorteil erkennen. „Die Haftungssituation­ für Depotbanken hat sich verschärft“, so Ehlen. „Der Global Custodian­ haftet nun auch offiziell für die Unterverwahrung. Diese Klarstellung kommt den Anlegerbedürfnissen entgegen.“ Die Zurich-Gruppe hat sich mit dem Aspekt der Unterverwahrung ihrer Global Custodians sehr intensiv auseinandergesetzt. „Als wir manche Bank nicht mehr als ganz sicher angesehen haben, haben wir unseren Auswahlprozess überarbeitet. Wichtig ist, dass der Global Custodian sein Risiko­management und Haftungsfragen im Griff hat“, so Ehlen.

Über Haftungs­fragen hinaus kann Ehlen im KAGB aus Zurich-Sicht keine weiteren Effekte erkennen – auch nicht bezüglich eines Mehrs an standardisierten­ Reporting-Daten für das Risikomanagement. „Die großen Events hätten nicht durch eine bessere Auswertung von Ex-post-Daten vermieden werden können“, sagte Ehlen ­während der Gesprächsrunde auf den portfolio masters. Diese ­schützen, insbesondere wenn sie getürkt sind, auch nicht vor Betrug. Ebenfalls dürfte die Inspektion der Räumlichkeiten einen Fall „­Madoff II“ nicht ausschließen. Erfolgreicher Betrugsschutz, so die Gesprächsrunde, ist immer noch die eigene Due Diligence – und diese hat nichts mit dem Gesprächsrahmen zu tun. Diesem Punkt kann man sich ­anschließen, wenn man bedenkt, dass Madoff in diversen in ­Deutschland und Luxemburg regulierten Fonds enthalten war. Im ­Auditorium wurde der AIMFD jedoch durchaus ein besserer Betrugsschutz attestiert, da Vor-Ort-Besuche durch die Depotbank nun ­obligatorisch sind, vor allem weil, wie Ingo Biermann anmerkte, bei Verlust eines Vermögensgegenstands nun unverzüglich eine Ersatzpflicht durch die Depotbank besteht.

portfolio institutionell, Ausgabe 10/2013

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