Pensionskassen
18. November 2013

Alternative für Deutschlands Anleihen: das BVV-Wahlprogramm

Der Niedrigzins lässt Renditen schwächeln, stärkt aber die Innovationskraft. Die Wartezeit auf höhere Anleihenkupons verkürzt sich der BVV mit Absolute-Return-Mandaten, Finanzierungen und Infrastruktur. Zudem haben Immobilien und Private Equity an Bedeutung gewonnen. Die gewonnenen Erfahrungen sind ermutigend.

Interview mit Rainer Jakubowski

Herr Jakubowski, der Niedrigzins stresst Ver­sicherungen und Altersvorsorgeeinrichtungen, hilft aber Banken. Halten sich denn bei einer Pensionskasse für Bankangestellte die Vor- und ­Nachteile des Niedrigzinses die Waage?
Natürlich freuen wir uns, wenn es unseren Mitgliedsunternehmen gut geht. Außer dieser Freude kann ich der Zinsentwicklung aber nichts Positives abgewinnen. Denn für unsere Wiederanlage, aber auch für alle Sparer und Versicherte ist die Situation bedauerlich  Es ist bemerkenswert, dass dieser verheerende ­Zustand in der öffentlichen Diskussion nicht stärker thematisiert wird.

Weisen Banker als gut ausgebildete Büroangestellte biometrische Besonderheiten auf?
Eigentlich nicht. Wir merken aber, dass Bankangestellte viel arbeiten.

Sie sind seit zwölf Jahren im BVV-Vorstand. Der Niedrigzins ist also nicht Ihre erste „heiße“ Kapitalmarktphase. Rückblickend auf die Kapitalmarktbewegungen scheint Solvency II nicht mehr besonders dramatisch.
Die vergangene Dekade bescherte uns kein gutes Kapitalmarktumfeld. Diese Krise ist die schlimmste seit rund 80 Jahren – und sie ist noch nicht vorbei. Der Renditerückgang ­bescherte uns zwar stille Reserven, aber auch ein sehr schwieriges Wiederanlageumfeld.
In einer solchen Phase kommt Solvency II natürlich zur Unzeit. Besonders nachteilig ist aber an Solvency II, dass es für Institutionen wie die unsrige eine ungeeignete Systematik ist. Zumindest im Moment hat sich die Sol­vency-II-Problematik aber etwas entspannt.

Ist nun der Punkt erreicht, wo man als Institutioneller umdenken und neue Wege in der Kapital­anlage beschreiten muss?
Das machen wir permanent, und das ­dürfte auch generell für institutionelle Investoren ­zutreffen. Aber wir brauchen natürlich aus ­verschiedenen Gründen einen relativ hohen Bestand an Anleihen. Ein wichtiger Grund ist die Planbarkeit der GuV. Es braucht planbare Erträge, wenn man jedes Jahr mindestens vier Prozent liefern muss. Diese liefern außer Mieterträgen nur Kupons. Das ideale Investment für eine Altersvorsorgeeinrichtung sind also Anleihen. Darum warten wir natürlich wieder auf auskömmliche Kuponerträge.
Der zweite wesentliche Grund ist das regulatorische Umfeld. Ich stimme zu, dass die kommenden Jahre gute Aktienjahre sein ­könnten. Seit Einführung der Stresstests sind wir aber bei Risiko-Assets limitiert. In der Neuanlage vor allem in Aktien zu investieren, ist aufgrund der Stresstest-Systematik nicht zielführend. Zudem sind Aktien alles andere als ertragssicher. Darum warten wir sehnsüchtig darauf, Anleihen mit auskömmlichen Kupons kaufen zu können.

Eine zu späte Erfüllung einer Sehnsucht labt aber nicht mehr. Der BVV hat sich ja auch ­bereits in Richtung alternatives Fixed Income, wie Absolute-Return-Mandate, Kreditvergabe, Finanzierung von Immobilien und Infrastruktur, geöffnet. Dient dies zur Überbrückung der Wartezeit? 
Wir haben in den vergangenen zwei ­Jahren stark vom direkten in den indirekten Bestand umgeschichtet. Aber das Volumen dieser ­Absolute-Return-Mandate in unserem indirekten ­Bestand ist keine dauerhafte Lösung. Diese Mandate haben eine Art „Sparstrumpf-­Funktion“ und resultieren auch daraus, dass Alternativen fehlen. Deren Volumen wird sich auch wieder reduzieren.
Unter dem Strich sind wir mit diesen Mandaten zufrieden. Aber trotz des Absolute-­Return-Anspruchs  hatten die Mandate in den Monaten Mai bis August 2013 Schwierigkeiten. Es gibt Manager, die sagen, dass sie in jedem Umfeld Rendite erwirtschaften. Ich bin aber schon immer davon ausgegangen, dass es ein Bias zu sinkenden Zinsen gibt. Dies haben die vergangenen Monate bestätigt.

Welche Strategien verfolgen die Absolute-­Return-Manager, und wer kann Absolute Return besonders gut?
Wir haben im Fixed-Income-Segment mehrere Absolute-Return-Manager. Diese verfolgen die unterschiedlichsten Ansätze. Die­jenigen, die bei der Performance herausragen, sind eher Boutiquen.

Streben Sie denn dafür beim Thema „Kreditvergabe für Immobilien und Infrastruktur“ ein längerfristiges Engagement an?
Auch dieses Thema ist eine Reaktion auf das schwierige Marktumfeld, resultiert aber auch aus der strukturellen Gegebenheit, dass die Banken sich aus Eigenkapitalerwägungen zumindest aus der langfristigen Finanzierung zurückziehen. Diese Asset-Klasse passt wunderbar zu unserem Kerngeschäft und wird von uns verstärkt adressiert.
Der strukturelle Wandel ist auf Dauer ­gegeben, und für unser Geschäftsmodell war es schon immer richtig, lange Durationen auch auf der Aktivseite zu suchen. Nur haben bislang eben Banken diesen Finanzierungs­bedarf gedeckt.

Wie hat sich in den vergangenen Monaten die Asset-Allokation verändert?
Es gab die erwähnte Umschichtung innerhalb von Anleihen von direkt in indirekt. ­Außerdem erschlossen wir uns noch vorsichtig neue Asset-Klassen, wie Finanzierungen von Immobilien und Infrastruktur sowie ­Infrastruktur-Equity. Es entspricht unserer Philosophie, uns Neues langsam im Sinne von vorsichtig zu erschließen.

Im Rückblick kam es öfter zu Extremereignissen als erwartet. Die daraus entstehenden ­Bilanzierungsnöte lassen sich über Overlays und illiquide Assets mildern. Eine ­vorbeugende Maßnahme ist die Bildung von Reserven. Was ist der Weg des BVV? 
Wenn es die Marktverhältnisse erlauben, versuchen wir natürlich die Reserven zu stärken. Bei unseren neuen Asset-Klassen ist eine Tendenz zu illiquideren Anlagen erkennbar. Aber es war auch schon immer unser auf Langfristigkeit beruhendes Geschäftsmodell, Liquiditätsprämien zu vereinnahmen – und zwar aus Überzeugung und nicht um Volatilität aus der Bilanz zu nehmen.
In Private Equity investieren wir seit 2008. Kurzfristig kann es aber auch Marktphasen ­geben, siehe Lehman, wo alles Illiquide ab­gestraft wird.
Außerdem schützen wir schon seit 2003 unsere Aktien mit einem Tail Risk Hedging, bei dem wir intern relativ häufig Derivatepositionen an die Marktverhältnisse anpassen. ­Dabei berücksichtigen wir die Signale eines Allokationsmodells, welches unterschiedliche Marktfaktoren misst.  Weiter engagieren  wir Manager, die uns vor Währungsrisiken schützen sollen.

Was kosten die Derivate an Performance?
Das ist schwer zu quantifizieren, da unser System nicht statisch ist. Teilweise arbeitet ­unsere Pensionskasse mit mehrjährigen Optionen. Wir haben ­also einen Zeitwertverfall. ­Insgesamt hat sich der Derivateschutz aber im Rückblick über die vergangenen Jahre hinweg bezahlt gemacht.

Der BVV kommt auf ein Anlagevolumen von 24 Milliarden Euro. Inwieweit wird ein internes Management sinnvoll?
Der Ansatz des BVV ist es auch hier, trotz der Gebühren auf externe Partner zu setzen, wann immer die Asset-Klasse spezielles Knowhow oder Infrastruktur in Form von IT-Systemen und Analysetools verlangt. Der BVV hat sozusagen ein aktiv gemanagtes Asset-Manager-Portfolio.
Ein Team für jede Asset-Klasse einzukaufen, halte ich nicht für effizient. Drei eigene Mitarbeiter für zum Beispiel Aktien zu ­beschäftigen, ist nicht sinnvoll, wenn man ­bedenkt, über welche Ressourcen auch an Systemen ein großer Asset Manager verfügt. ­Außerdem hätte man diese Mitarbeiter auch dann zu beschäftigen, wenn Aktien völlig ­unattraktiv erscheinen.

Zu beobachten ist ein Run institutioneller ­Gelder direkt oder indirekt in Wohnungen. Sind Wohnungsportfolien auch für den BVV ein Thema?
Das ist für uns ein schon älteres Thema. Wir machen aber kein Buy-and-Hold, sondern optimieren und privatisieren.
Über ein externes Mandat sind wir zum Beispiel in München und Hamburg investiert. Vor kurzem waren wir auch dabei, als hier in Berlin in der Nähe des Gendarmenmarktes ein neues Wohngebiet ­erschlossen wurde.

Welche Stadt halten Sie derzeit interessant für Wohnungsinvestments?
Berlin bleibt interessant. Diese Stadt hielt viele Jahre einen Dornröschenschlaf und ­wurde dann von der Finanzkrise wachgeküsst, weil viele sichere Häfen für ihr Geld suchten. Der Preisanstieg ist ein Phänomen der vergangenen zwei Jahre. Wir haben schon immer ­daran geglaubt, dass Berlin „kommt“, dass man darauf aber auch warten können muss. Darum war es immer wichtig, einen guten Mieter zu haben. Ohne Leerstand lässt es sich warten.

Wie investiert die Pensionskasse ansonsten in Immobilien?
Schwerpunktmäßig investieren wir über einen Immobilienmasterfonds. Hier verfolgen drei global tätige Asset Manager opportunitätsgetriebene Ansätze. Es gibt also keine aus­gefeilte Strategie mit bestimmten Quoten für Regionen oder Nutzungsarten. Dies macht aus unserer Sicht in den Immobilienmärkten keinen­ Sinn mehr. Wir wollen dort investieren, wo gerade ein Marktfenster aufgegangen ist. Es ist Immobilienmärkten eigen, dass sich ­diese für Opportunitäten öffnen, relativ schnell aber wieder schließen.
Weiter mögen wir es, wenn eine überzeugende Story besteht, wenn der Asset Manager also einen bestimmten Plan für die Immobilie verfolgt. Auch hier setzen wir nicht auf Buy-and-Hold. Wenn wir Erwerbsvorlagen erhalten, muss sich der Manager auch schon ­Gedanken über den Exit machen.

Eine andere erkennbare Entwicklung bei Institutionellen ist das Interesse an der Finanzierung von Infrastruktur und Immobilien. Dafür spricht der regulatorische Rahmen, aber nicht unbedingt die Rendite.
Im Moment stehen die Renditen in allen Asset-Klassen unter Druck. Aber bei unseren per heute zwei Mandaten für Immobilien­finanzierung liegt die Zielrendite in unserem Korridor zwischen vier und fünf Prozent. ­Genau genommen  brauchen wir mit Blick auf alle Anforderungen, wie zum Beispiel Rechnungszins, Eigenkapital oder Zinsreservestärkung, rund 4,7 Prozent.
Das ist im Moment, wo die Rendite in allen Asset-Klassen unter Druck steht, natürlich ­extrem schwer. Insbesondere, wenn man ein reines Seniorportfolio anstrebt. Zielführender ist bei der Immobilienfinanzierung eine ­gesunde Mischung von Senioritäten, wo ein Teil der Finanzierungen dann auch im Juniorbereich angesiedelt ist. Damit haben wir dank unserer Partner, die einen ansprechenden Track Record aufweisen, kein schlechtes ­Gefühl.

Sind Juniorkredite nach Solvency II nicht ­unattraktiv?
Bis auf weiteres besteht erst mal Solvency-II-Entwarnung. Wir haben uns auch nie an Solvency II orientiert, weil die dafür nötigen Kompromisse viel zu groß gewesen wären. Wir wollten immer erst einmal abwarten, was kommt, und dann schlimmstenfalls innerhalb von Übergangsfristen das Portfolio adjustieren. Es wäre ein Fehler gewesen, das Investmentverhalten lange im Voraus auf Solvency II abzustimmen. Die Auswirkungen für die ­Aktivseite wären extrem negativ gewesen. Es kann wirtschaftlich nicht richtig sein, im Niedrig­zinsumfeld lang zu gehen, um die ­Durationslücke zu schließen. Dann hat man dauerhaft niedrigste Renditen eingekauft und bekommt im Zinsanstieg noch Bewertungsprobleme. Ich bin heilfroh, dass wir nicht in diese Falle  gegangen sind.

Nach welchen Kriterien wägen Sie bei Infrastruktur zwischen Debt und Equity ab?
Wir haben Quoten für Infrastruktur-Equity und für Infrastruktur-Debt. Das sind zwei ­Asset-Klassen mit völlig unterschiedlichen Charakteristika.
Infrastruktur-Debt ist ein recht guter ­Ersatz für Staatsanleihen, die in der Vergangenheit einen hohen Anteil in den Fixed-Income-­Beständen hatten. Staatsanleihen waren für uns in den vergangenen drei Jahren eigentlich nicht investierbar, da sie entweder von der Rendite her nicht auskömmlich sind oder man Exposure zu den Peripherieländern bekommt. Letzteres will man nach der Griechenland-­Erfahrung nicht mehr. Heute wissen wir, wie schnell es zu einer „freiwilligen“ Umschuldung kommen kann.
Wer sich mit zehnjährigen Bundes­anleihen zu 1,2 Prozent eindeckt, bekommt aber das ­Risiko ebenfalls nicht richtig bezahlt. Schließlich haben wir in Deutschland Probleme mit der Demografie und der Verschuldung sowie ­eine wohl endliche Sonderkonjunktur.

Kann auch Infrastruktur aus den Piigs-­Ländern ein guter Staatsanleihenersatz sein?
Das hängt vom individuellen Investment ab. Schließlich hätte man kein reines Staats­risiko. Staatsrisiken der europäischen Peripheriestaaten zu meiden, heißt ja nicht, dass man nicht zum Beispiel in Versorgungsunternehmen oder in   ­Telekommunikationsunter­­­­­­nehmen mit starkem Auslandsgeschäft investieren kann. Warum nicht – auch wenn wir hier nicht über Infrastructure Debt reden – Anleihen ­eines irischen Versorgers kaufen? Auch wenn Irland pleitegeht, bräuchten die Iren immer noch Strom. Oder an der Emission eines spanischen­ Telekommunikationsunternehmens, das 70 Prozent seines Umsatzes in Latein­amerika macht, partizipieren?
Ähnlich sehe ich es für Infrastruktur­projekte. Wenn die wirtschaftlichen Eckdaten für eine Mautstraße oder einen Flughafen in Spanien stimmen, warum sollte man dann nicht investieren?


Oder in einen Solarpark in Spanien?

Ein gutes Beispiel – aber nicht für ein sinnvolles Infrastrukturinvestment. Wir haben in Solarparks nicht investiert, weil es für uns ­immer suspekt war, dass diese von staatlichen Subventionen abhängig sind. Es besteht also dergestalt ein politisches Risiko, dass die ­Subventionen gestrichen werden können. Das mögen wir nicht.

Wie investiert der BVV in Infrastruktur-Equity?

Jüngst haben wir uns, wie immer indirekt, zum Beispiel an einem Stromnetz im Euro­raum beteiligt.

Wie bekommt man denn ein Stromnetz in die Anlageverordnung?
Über eine entsprechende Verpackung. ­Infrastruktur muss anlageverordnungskompatibel verpackt werden. Momentan sieht es leider nicht so aus, dass eine Infrastruktur­quote eingeführt wird. Diese wäre in vielfacher Hinsicht wünschenswert.

Wie ausgereift sind denn die Gebührenmodelle von Equity-Infrastrukturfonds? Welche Zielrendite veranschlagen Sie?
Die Gebührenmodelle orientieren sich an Private-Equity-Investitionen. Wir hätten gerne eine zweistellige Rendite und die Hälfte davon in Cash als operatives, ausschüttbares jähr­liches Ergebnis.  Die Investments weisen per se auch immer eine sehr starke Cashflow-Komponente auf. Wenn das Investment mehr auf die Taube auf dem Dach als auf den Spatz in der Hand abzielt, wollen wir nicht inves­tieren.

Investieren Sie über gepoolte Infrastrukturfonds gemeinsam mit anderen Anlegern?
Nein, aufgrund von Erfahrungen aus der Vergangenheit konstruieren wir stets eigene Vehikel.

Welche Private-Equity-Segmente allokieren die Accounts?
Wir decken die gängigen Segmente und Regionen ab. Wir begannen etwas antizyklisch 2008 und investierten damals stark und ­relativ erfolgreich in Secondaries, so dass wir beim Portfolioaufbau den J-Curve-Effekt auch nur zwei bis drei Monate hatten. Diesem ­erfolgreichen Start ist es auch zu verdanken, dass wir bei Private Equity von Anfang an mit der Rendite sehr zufrieden waren. Wir sind aber letztlich immer noch im Aufbau. Jüngst haben wir einen dritten Manager beauftragt.

Was waren weitere Erfahrungen mit der Anlage­klasse „Private Equity“?
Renditen und Portfolioaufbau liegen im Zielkorridor. Zu uns als Pensionskasse passt auch, dass die Volatilität geringer ist als bei ­gelistetem Equity. Ich schätze an Private ­Equity, dass es um Investments im ursprünglichen Sinn geht, nämlich um die Finanzierung von Unternehmen. Aus meiner Sicht ist Private Equity ­eine ausgesprochen vielversprechende Asset-Klasse.

portfolio institutionell, Ausgabe 10/2013

Autoren:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert