Pension Management
27. Juli 2020

Alterssicherung auf Renditejagd

Die Alterssicherung muss im andauernden Niedrigzinsumfeld neu aufgestellt werden. Der verstärkte Einstieg in renditestärkere ­Anlagen ist trotz Corona-Crash kaum umkehrbar.

Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos, denn das Angebot ­renditestarker und nachhaltiger Kapitalanlagen wächst. Damit könnten viele Anbieter auf lange Sicht das Tal der Tränen in der ­Altersvorsorge hinter sich lassen. Allerdings schaffen das wohl nur die finanzstarken Anbieter. Beispiel Lebensversicherung: Die ­Allianz passt seit Jahren die Kapitalanlage an die lange ­Niedrigzinsphase an – mit weltweit diversifizierten Anlageklassen, überdurchschnittlicher Aktienquote und alternativen Investments. Vor einigen ­Wochen kam die „Private Finance Police“ (PFP) auf den Markt, mit der Kunden in Reinform an der Entwicklung ­alternativer Investments im Sicherungsvermögen der Allianz teilhaben – also an nicht-börsengehandelten Anlagen wie Infrastruktur oder Renew­ables. Der Anteil soll mittelfristig auf bis zu ein Drittel der Kapitalanlage ausgebaut werden. Die PFP-Verträge ­spiegeln die Entwicklung ­eines Referenzportfolios, das im Sicherungsver­mögen bestehende alternative Anlagen abbildet und über 1.000 Einzel­projekte umfasst. Nach Kapitalanlagekosten ­betrage die langfristige Renditechance fünf bis sieben Prozent.

Die Offerte des Marktführers offenbart einen Trend zu höheren ­Risiken statt Garantien in der Altersvorsorge. Das hatte sich auch bei den Themen der bAV-Handelsblatt-Tagung in Berlin widergespiegelt, die wegen Corona von März auf November verschoben wurde. portfolio institutionell fragte bei einigen Experten nach, wie die Alterssicherung im Niedrigzinsumfeld aussehen könnte. „Für mich ist Altersvorsorge untrennbar mit der Sicherung vor existenzgefährdenden Risiken verbunden, was nur in kollektiven Alters­sicherungssystemen funktioniert“, meint Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Das SPD-geführte Haus setzt sich „für eine starke gesetzliche umlagefinanzierte Rente sowie für gute kapitalgedeckte ­Zusatzrentensysteme auf kollektiver Basis ein“.

Zu viele Köche verderben den Brei

Was letztere betrifft, so werden in immer kürzeren Intervallen neue, als Obligatorien angelegte Modelle, vorgeschlagen – wie ­Extrarente, Vorsorgekonto und Deutschlandrente. „Viele dieser ­Vorschläge sind nicht ausgegoren“, kritisiert Georg Thurnes, ­Vorstandschef der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba). Die Modelle konzentrierten sich auf die ­Ansparphase und seien hinsichtlich des rechtlichen Umfelds und insbesondere der Leistungen „bestenfalls sehr unspezifisch“, warnt Thurnes. „Die Deutschlandrente ist einfach, günstig, renditestark und sicher“, betonte dagegen der kürzlich verstorbene, hessische Finanzminister Thomas Schäfer, ein Protagonist der Deutschlandrente. Über ihren staatlich organisierten Deutschlandfonds (mit Opt-out) ließe sich die Riester-Rente wirklich reformieren, hoffte Schäfer.

Die Wahlfreiheit bei der Deutschlandrente beschränkt sich ­lediglich auf die Art des Vorsorgeproduktes, kritisiert das Deutsche ­Institut für Altersvorsorge (DIA). „Am Ende läuft es auf eine Beitragserhöhung für Arbeitnehmer in einer Pflichtvorsorge hinaus, auf die obendrein noch SV-Beiträge entrichtet werden müssten – ohne ­paritätische Beteiligung der Arbeitgeberseite“, meint DIA-Sprecher Klaus Morgenstern. Zudem drohe, dass ­damit Entgeltumwandlungen kannibalisiert werden. In die Kritik stimmt Aba-Mann Thurnes ein: Kosten rechne man schön, weil der gesamte administrative Aufwand auf die Arbeitgeber verlagert wird und die Kosten der Auszahlungsphase und meist auch deren Ausgestaltung ­negiert werden. Die Entscheidung zur Riester-Reform wälzte die Politik auf die Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ ab. Die Kommission schlägt unter anderem vor, Geringverdiener in der bAV besser zu fördern und zugleich die Fördergrenze zu ­dynamisieren. Bei Riester-Produkten (auch Riester-bAV) soll eine modifizierte Garantie mit angemessenem Verhältnis von Renditechancen, Sicherheiten und Risiken erlaubt werden statt der bisherigen vollen Beitragsgarantie. Hapert es bis 2025 an ausreichender Verbreitung der zusätzlichen Altersvorsorge, werden ­verpflichtende Lösungen mit der Möglichkeit der individuellen Befreiung (Opt-out) bei Vorliegen einer gleichwertigen Vorsorge empfohlen.

Gründe für verschärfte Manndeckung von Pensionskassen

„Die bAV wird derzeit durch die niedrigen Zinsen auf eine harte Probe gestellt“, sagt Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der Bafin. In seinem Statement für portfolio institutionell betont er, dass die Behörde für die Aufsicht von drei bAV-Wegen zuständig ist: Direktversicherungen, Pensions­kassen und Pensionsfonds. „36 Pensionskassen stehen momentan unter intensivierter Aufsicht, weil sie ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden möglicherweise nicht dauerhaft erfüllen können“, legte Grund den Finger in die Wunde. Man ­dränge die betroffenen Kassen dazu, bei ihren Trägerunternehmen oder Aktionären finanzielle Unterstützung anzufordern. „Bei ­vielen Kassen ist dies auch schon erfolgt oder für den Bedarfsfall zu ­erwarten, was ich als sehr positiv ansehe“, so Grund weiter.

Doch die Bafin zieht die Daumenschrauben an. Die Behörde ­erwarte von allen regulierten Pensionskassen, die im Neugeschäft noch mit mehr als 0,9 Prozent Garantiezins operieren, diese Praxis ab 2021 einzustellen. Die Bafin will den Kassen unbefristet nur noch 0,25 Prozent Rechnungszins genehmigen. Die beabsichtigten Änderungen im PSV-Schutz für Pensionskassen werden zwar die Absicherung für die Versicherten verbessern. Allerdings können laut Grund bestimmte Ansprüche verbleiben, die nicht abgesichert seien, etwa solche aus bestimmten Eigenbeiträgen der Versicherten. „Absolute Sicherheit für Betriebsrenten gibt es nicht“, so der Aufseher. „Pensionsfonds sind in ihrer Kapitalanlage deutlich ­freier als Pensionskassen – sogar eine vorübergehende Unterdeckung des Sicherungsvermögens ist möglich“, erklärt Grund. Hier ­würden hauptsächlich nicht-versicherungsförmige Pensionspläne verfolgt. Im Falle einer Unterdeckung müssten Pensionsfonds einen Bedeck­ungsplan einreichen, aus dem hervorgeht, wie sie wieder zurück in die Spur finden wollen. Man darf gespannt sein, wie stabil die ­Pensionsfonds-Portefeuilles mit ihrer starken Aktienpräferenz aus der Corona-Krise kommen.

Wie lässt sich in dieser Gemengelage eine Pensionskasse überhaupt noch auskömmlich und ohne existenzbedrohende Risiken steuern? „Ging es lange nur um den besten Kupon auf den Schuldscheinen im Tresor und eine möglichst hohe ­Überschussbeteiligung für die Versicherten, so sind die sorgenfreien Jahre längst vorbei“, weiß Frank Oliver Paschen, Vorstand der Pensionskasse der ­Hamburger Hochbahn. „Etliche Kassen haben nicht nur auf der Aktivseite Probleme, sondern zum Teil auch Zinserfordernis, ­Biometrie und modernes Risikomanagement vernachlässigt.“ Kein Wunder: Gerade kleinere Kassen mit durchschnittlich fünf Mitarbeitern könnten heutzutage mit Bordmitteln die rasant steigenden regulatorischen Anforderungen kaum noch bewältigen. „Eine strategische Mindestgröße erscheint mir unerlässlich, doch der Weg dahin ist weit“, sagte Paschen zu portfolio institutionell. Ihm scheinen 500 Millionen Euro Bilanzsumme als Untergrenze angemessen. Das bringt nur knapp die Hälfte der Kassen auf die Waage.

Und der Rest? Eine Marktkonsolidierung müsse her, etwa durch Bestandsübernahmen, Fusionen und Abwicklung. Doch auch die größeren Kassen werden weiter um Substanz kämpfen müssen. Laut Paschen sind die meisten nur zu rund drei Prozent in Aktien allokiert, aber fast zu 50 Prozent in festverzinslichen Papieren mit gutem Kupon. Durch die massiven Fälligkeiten in den nächsten Jahren dürften einige die Bafin-Prognoserechnung nicht bestehen und müssten nun „alternative Anlagen suchen, die im Rahmen ­einer nicht mehr zeitgemäßen Anlageverordnung kaum zu finden sind“. Risikolosen Zins gebe es nicht mehr, aber das größte Risiko sei, im traditionellen Anlagestil fortzufahren. „Dann ist der ­schleichende Tod sicher, wenn nicht Trägerunternehmen immer wieder Einschüsse leisten sollen“, so Paschens Fazit.

Metallrente mit Pensionsfonds erfolgreich

Ein Blick auf erfolgreiche Versorgungswerke zeigt: Schon im Einkauf liegt der Gewinn. Die größte Einkaufsmacht hat die ­Metallrente. Heute organisieren dort über 46.000 Firmenkunden mit mehr als 786.000 Verträgen, die 2019 erstmals über 100 Millionen Euro jährlichen Neubeitrag beigesteuert haben, ihre bAV. Im Bestand für Verträge zur kapitalgedeckten Altersversorgung gab es 2019 zehn Prozent Wachstum – keine Spur der sonst üblichen Stagnation. Um die Risiken dieses großen Kollektivs zu verteilen, ­arbeitet die Metallrente mit einem Versicherungskonsortium ­zusammen, ­aktuell mit Allianz, Ergo, R+V und Swiss Life. Gerade der Metall-Pensionsfonds überzeuge dank moderner ­Kapitalanlage und guter Verzinsung. Der Zuwachs lag 2019 mit über 14.400 Neuverträgen 36 Prozent über dem Vor­jahresniveau. Die jährliche Performance von 5,9 Prozent (Anlagestrategie Dynamik) seit Auflage 2003 zeige, dass „Sparbuch, Tages- oder Festgeld keine Alternativen mehr sind für alle, die verlässlich für ihr Alter vorsorgen wollen“, erklärt Metallrente-Geschäftsführer Heribert Karch. Die bAV erziele aufgrund ihrer Kombination aus tarifvertraglichen Leistungen, Arbeitgeberzuschüssen und staatlicher Förderung eine attraktive Rendite.

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