Investoren
15. Februar 2023

Talsohle bei Immobilienaktien noch nicht erreicht

Für das Jahr 2023 erwarten drei von vier Teilnehmern einer DVFA-Umfrage über alle Segmente und Regionen hinweg sinkende Preise. Bei Immobilienaktien sehen viele noch kein klares Signal für einen Einstieg.

Aktien börsennotierter Immobilienunternehmen standen im vergangenen Jahr unter Verkaufsdruck. So büßten etwa die Anteilsscheine von Deutschlands größtem privaten Wohnungsvermieter Vonovia innerhalb eines Jahres mehr als die Hälfte ihrer Marktkapitalisierung ein. Nach Jahren eines sehr guten konjunkturellen Verlaufs im Immobiliensektor hat die Branche massiv mit den Auswirkungen des Zinsanstiegs zu kämpfen, kommentiert die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA). Doch wie geht es mit der Branche und den Aktien weiter?

Der Verband hat seine etwa 1.400 Mitglieder im Rahmen einer weiteren „Monatsumfrage“ nach den Implikationen von hoher Inflation und Zinswende für die Immobilienallokation von Pensionskassen und anderen Investoren gefragt. Ein Ergebnis: Für das Jahr 2023 erwarten 71 Prozent der Teilnehmer über alle Segmente und Regionen betrachtet sinkende Preise. Überwiegend sollten die Korrekturen im Preisband von minus fünf bis zehn Prozent notieren, so die DVFA. Nur jeder zehnte Teilnehmer der Umfrage erwartet stärkere Einschnitte von über zehn Prozent.

Immobilienallokation dürfte nicht weiter zunehmen

Während der vergangenen zehn Jahre stieg im Durchschnitt die gesamte Immobilienquote – direkt und indirekt gehalten – von Anlegern, die in diverse Anlageklassen investieren, auf über zwölf Prozent bis Ende 2021. Für 2023 erwarten fast 50 Prozent, dass die Quote maximal gleichbleibt (27 Prozent) oder bereits sinkt (20 Prozent). Was die mittelfristige Perspektive betrifft, so glaubt sogar jeder vierte Befragte (25 Prozent) an eine sinkende und nur 21 Prozent an eine stabil bleibende Quote. Eine Steigerung der Immobilienallokation in diesem Jahr oder mittelfristig erwartet nur ein verschwindend kleiner Teil.

„Im Umfeld sinkender Renditeerwartungen für den Immobiliensektor erwarten unsere Mitglieder tendenziell eine Reduktion der Immobilienquote in den Portfolios von Multi-Asset-Investoren“, kommentiert Thorsten Müller, DVFA-Vorstandsvorsitzender und Mitglied der DVFA-Kommission Immobilien.

Anleihen werden vergleichsweise attraktiver

Nach Einschätzung der DVFA sind die Ergebnisse im aktuellen Marktumfeld nachvollziehbar. Anleihen und andere Anlageklassen „gewinnen an komparativer Attraktivität gegenüber Immobilien. Sinkende Immobilienbewertungen reduzieren das Fondsvermögen und das steigende Zinsniveau erschwert die Finanzierung“, argumentiert der Verband. Erschwert wird die Situation dadurch, dass Anschlussfinanzierungen teurer werden.

Aufgrund steigender Anforderungen an die Eigenkapitalquote seien teilweise Nachschüsse erforderlich. Entsprechend erwarten fast drei Viertel aller Befragten (73 Prozent), dass die Gesamtrendite in Form des Total-Return aus Wertänderungs- und Cashflow-Rendite von Immobilienanlagen dieses Jahr im Vergleich zu allen anderen Anlageklassen unterdurchschnittlich sein wird.

Investoren wechseln auf die Verkäuferseite

„Letztlich werden die bisher als Kapitalquellen bzw. direkt als Käufer auftretenden Pensionskassen bzw. andere Multi-Asset-Investoren vermehrt auf die Verkäuferseite wechseln und dem Markt so Liquidität entziehen – mit entsprechenden Auswirkungen für die Immobilienbranche“, so die DVFA. Einzelne Fonds berichteten bereits über rückläufige Kapitalzusagen im Vergleich zum Vorjahr. Offen sei, ob es sich hierbei lediglich um eine Zurückhaltung im Neugeschäft handelt oder ob im Jahresverlauf auch Kapitalrückgaben einsetzen werden. Das bleibe abzuwarten, kommentiert Prof. Dr. Sven Bienert von der Universität Regensburg. Er ist ebenso wie Thorsten Müller ein Mitglied der DVFA-Kommission Immobilien.

Unübersichtliche Lage bei Immobilienaktien

Bei den deutschen Immobilienaktien bleibe die Situation auch 2023 weiter unübersichtlich; das urteilt beinahe die Hälfte der Teilnehmenden (46 Prozent). 25 Prozent schätzen, dass die Bodenbildung bereits durchlaufen ist, ein knappes Drittel (29 Prozent) und damit sogar etwas mehr, erwartet die Talsohle jedoch erst im laufenden Jahr.

Trotz der bereits massiven Preiskorrekturen bei Immobilienaktien und dem allgemeinen Vorlauf im Vergleich zur Marktentwicklung bei Direktinvestments sehen die Investmentprofis noch kein klares Signal für einen Einstieg. Während der Mietmarkt durch Zuzug und Indexierungen gestützt werde, seien die Auswirkungen von rezessiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, hoher Inflation, steigenden Zinsen ebenso wie möglicher Druck auf das Preisniveau der Immobilienbestände weiterhin Unsicherheitsfaktoren.

Zinsentwicklung belastet Immobilien mehr als andere Anlageklassen

Die Zinsentwicklung belastet Immobilien im Vergleich zu anderen Anlageklassen überproportional negativ, sagen 70 Prozent der DVFA Investment Professionals. Überraschend: Nur fünf Prozent meinen, dass keine Belastung zu erwarten ist, weil der Zinsanstieg bei gleichzeitig hoher Inflation durch Indexanpassungen positiv für Immobilien sei. Das Votum ist somit eindeutig: Das Argument, die Inflation würde letztlich über die indexgesicherten Mieten den Wertausgleich bewirken, ist aus Sicht der Teilnehmer kritisch zu hinterfragen. Zu gravierend seien die negativen Implikationen des raschen und deutlichen Zinsanstiegs.

Und noch eine Erkenntnis hält die Umfrage bereit: Zwei Drittel der Befragten plädieren für eine Gesamtallokation (Direktanlage, Immobilien-Depot und indirekte Immobilienanlagen) von bis zu zehn Prozent. Immerhin jeder Dritte empfiehlt auch weiterhin eine Quote von über zehn Prozent.

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