Strategien
25. Juli 2022

Asset Allocation mal anders

Was können Alternativen zur klassischen strategischen Asset-­Allokation nach Anlageklassen und Regionen sein? Die Kollegen vom Staatsfonds Temasek orientieren sich an Themeninvestments und suchen sich dafür passende Assets aus den liquiden und ­illiquiden Eigenkapital- und Fremdkapitaluniversen aus.

Mit umgerechnet rund 283 Milliarden Euro an Assets under ­Management gehört der singapurische Staatsfonds Temasek zu den größten Staatsfonds der Welt. Er hat einen starken Home Bias in Asien, wo er 64 Prozent seiner Kapitalanlage investiert hat. Schon bei dieser Betrachtung erscheint eine Diversifikation über verschiedene Weltregionen und Sektoren nicht das entscheidende Kriterium für den 1974 gegründeten Staatsfonds zu sein, der seit Auflegung eine durchschnittliche jährliche Rendite von 14 Prozent erwirtschaftet hat – vielmehr setzt Temasek statt einer klassischen strategischen Asset-Allokation (SAA) auf Themeninvestments. Die Anlagephilosophie orientiert sich an vier langfristigen Investmentthemen: „Volkswirtschaften im Umbruch, wachsende Bevölkerung mit mittlerem Einkommen, Vertiefung von komparativen Wett­bewerbsvorteilen und aufstrebende Champions“, heißt es auf der Unternehmenswebsite. Bei der Anwendung dieser vier Themen suchen die Kapitalanlageprofis des Anlageriesen nach wichtigen, strukturellen Trends, um die langfristige Portfoliokonstruktion zu gestalten und die Investmentaktivitäten zu steuern. Als solches hat der Fonds vier Trends identifiziert: Digitalisierung (hier wohl­gemerkt die englische „Digitisation“ in Form von sektorübergreifenden digitalen Technologien), nachhaltiges Leben in Form von Produkten und Dienstleistungen für mehr Nachhaltigkeit, Zukunft des Konsums in Form eines zukünftigen Wandels im Konsumenten­verhalten und als vierten Trend den demografischen Wandel mit seinen wachsenden Anforderungen durch längere Lebenspannen. „Digitalisierung und nachhaltiges Leben werden sich in vielen ­Sektoren durchsetzen“, erklärt der Fonds auf seiner Internetseite. Die beiden Trends Zukunft des Konsums und längere Lebensdauer (Longer Lifespans) spiegelten strukturelle Veränderungen in den Konsummustern und wachsende Bedarfe durch eine längere ­Lebensdauer wider. „Wir gehen davon aus, dass wir unser Portfolio zunehmend im Einklang mit diesen Trends gestalten werden. ­Dazu gehört ein intensiverer Austausch mit unseren Portfolio­unternehmen, um Bedrohungen und relevante Transformationsmöglichkeiten zu identifizieren.“

Das Anlageportfolio gliedert sich demzufolge in fünf größere ­Bereiche oder Sektoren auf: Die Investments in Finanzunternehmen stellen den größten Anteil des Portfolios mit 24 Prozent, ­danach folgen Telekommunikation, Medien und Technologie mit 21 Prozent, gefolgt von Transport und Industriesektor mit 19 Prozent, der Konsum- und Immobiliensektor mit 14 und der Bio­technologie- und Ernährungssektor mit zehn Prozent. Weitere acht Prozent des Portfolios sind in Multi-Sektoren-Fonds angelegt, vier Prozent in anderen, auch Fremdkapitalinstrumenten. Hinsichtlich der Asset-Klassen stecken 45 Prozent des Portfolios in illiquiden ­Instrumenten, wobei zehn Prozent in gelisteten Unternehmens­beteiligungen mit einem Anteil von mindestens 50 Prozent oder mehr investiert sind, sieben Prozent in Aktien von ­Unternehmen mit einer Beteiligungsquote von mindestens 20 Prozent. Bei 38 Prozent der gelisteten Investments hält der Staatsfonds weniger als 20 Prozent der Aktien eines Unternehmens oder es handelt sich um Barvermögen oder bargeldähnliche Bestände. Hinsichtlich der Verteilung auf Währungsräume beträgt der Anteil des Singapur-Dollars die Hälfte der Bestände, weitere 31 Prozent der Investments erfolgen in US-Dollar. Auch der Hongkong-Dollar ist stark vertreten mit elf Prozent. Weiter hält der Fonds fünf ­Prozent in indischen Rupien, aber nur ein Prozent in der ­chinesischen Festlandwährung Renminbi. Schaut man sich die konkreten Zahlen an, so beziehen sich alle genannten Werte auf den Jahresbericht von 2021, das Geschäftsjahr endete am 31. März.

In Sachen Nachhaltigkeit – einem der identifizierten Trends – macht der Fonds aktuell von sich reden. Anfang Juni ­berichtete ­Temasek vom Aufbau einer klimafreundlichen Investitions­plattform namens Genzero. Mit einem Commitment von fünf Milliarden Singapur-Dollar (3,39 Milliarden Euro) seitens Temasek soll Genzero weltweit Mittel für Firmen und Gründungen zur Ver­fügung stellen, deren Ziel der Kohlendioxid-Abbau ist. „Das ­Erreichen von Netto-Null-Emissionen weltweit erfordert bis 2030 den Einsatz von rund fünf Billionen­ Dollar jährlich“, erklärt Steve Howard, Leiter des Bereichs Nachhaltigkeit bei Temasek ­International laut einer Pressemitteilung. Dass das Investment auch dazu dient, die eigene Ökobilanz aufzubessern, bestreitet ­Temasek nicht. Genzero soll unter anderem­ helfen, die ­eigenen Nettoemissionen und die des Portfolios­ bis 2030 zu ­halbieren und bis 2050 auf ein Netto-Null-Portfolio hinzuarbeiten. Genzero soll ­zudem Dekarbonisierungs­lösungen katalysieren, die zur welt­weiten Bekämpfung des Klimawandels beitragen. Aus Investoren­sicht könnte das ein interessantes­ Feld der strategischen ­Beteiligungen eröffnen, das zunehmend auch von deutschen ­Investoren, insbesondere von ­Versorgungswerken ­besetzt wird. ­Institutionelle können so frühzeitig in Wachstums-, Klima-, Immobilientrends einsteigen und am Objekt mehr über den Markt und Chancen wie Risiken lernen. Kündigt sich für die Unternehmen dann der gewünschte wirtschaftliche Erfolg an, hat man bereits Kontakte und kann breiter in weitere Firmen einsteigen oder seine Anteile erhöhen. Am Beispiel von Genzero ­erhält Temasek so weitere Einblicke in die Welt der Klima-Start-ups, in die der Staatsfonds anschließend direkt oder ­indirekt weiter ­investieren könnte.

Risiken bei Wagniskapital

Dieser Ansatz erscheint interessant auch im Hinblick darauf, dass Temasek über seine thematische Asset Allocation versucht, frühzeitig Trends aufzuspüren und quasi vorzufühlen, auf das man sich an die Spitze der Entwicklung setzen will. Nicht länger Trends ­hinterherzulaufen, sondern sie selbst zu treiben, scheint das Ziel. Aber geht die Rechnung auch auf? Die Diversifikationsstrategien, die der modernen Portfoliotheorie nach Markowitz folgen, basieren ausschließlich auf historischen Daten. Unvorhersehbare ­Ereignisse wie Schwarze Schwäne oder vernachlässigte Risiken wie die ­Corona-Pandemie lassen sich schwer damit modellieren und ­verstehen, geschweige denn vorherberechnen. Insofern hat die ­moderne Portfoliotheorie einen blinden Fleck. Andererseits liefert sie den Beweis, dass im historischen Vergleich die Streuung des Vermögens das Gesamtrisiko des Portfolios zu senken vermag. Welche Risiken gerade im Venture-Kapitalmarkt lauern, zeigt ein aktuelles Investmentbeispiel des singapurischen Staatsfonds. Dass Temasek in Singapur eine große Bedeutung für die Start-up-Szene hat, ist bekannt. Nun rückt ein Skandal den Staatsfonds wie andere investierte Wagniskapitalgeber in schlechtes Licht, schreibt die Neue Züricher Zeitung Ende Mai. Bei dem ­E-Commerce-­Unternehmen Zilingo, das 2019 mit einer ­Bilanzsumme von 970 Millionen Euro kurz davor war, als Einhorn eingestuft zu werden, soll es zu „schwerwiegenden finanziellen Unregelmäßigkeiten“ gekommen sein. Fragen stellen sich nach der Werthaltigkeit der Bewertungen und Korruptionsverflechtungen wie Betrugsverdacht. Zudem sei das Unternehmen dadurch aufgefallen, dass es seit 2019 keine ­Jahresabschlüsse mehr präsentiert habe. Dass Temasek Equity-­lastig investiert, ist bekannt, aber wie sich das Portfolio in Fremd­kapital und Eigenkapital genauer aufteilt, darüber finden sich im letzten R­eview keine Angaben.

Temasek ist zudem über verschiedene Private-Equity-Töchter mit der regionalen Wirtschaft gut vernetzt. So gründete Temasek ­Holdings im Oktober 2021 eine Private-Equity-Plattform für den singapurischen Markt, die in lokale Zielunternehmen mit einer ­Bilanzsumme von einer bis fünf Milliarden US-Dollar als Portfolio­unternehmen investieren will. Die Firma namens „65 Equity ­Partners“ erwirbt Beteiligungen an lokalen Wachstumsunternehmen, die regional oder auch weltweit zulegen wollen.

Leidendes Big Tech

Noch ein kurzer Blick auf die größten Aktienpositionen von Temasek: Neben singapurischen Banken wie der DBS Group finden sich im Portfolio auch internationale Größen wie Blackrock, Paypal und Visa sowie der chinesische Versicherer Ping An auf der Liste der größten Aktienpositionen. Im Technologiesektor finden sich auf der Liste ganz oben Meituan, ein chinesisches E-Commerce-Unternehmen sowie der US-Computerhersteller Dell, IHS Markit sowie Tencent. Zudem verfügt Temasek über eine Drei-Prozent-Beteiligung am Aktienkapital von Bayer. Zuletzt war bekannt geworden, dass Temasek Pläne verfolgte, CEO Werner ­Baumann wegen ­dessen Management des Glyphosat-Skandals ­abzulösen, was scheiterte. Nach Berichten aus dem Mai 2022 hat Temasek im ersten Quartal verschiedene Umschichtungen vor­genommen: Der Staatsfonds erhöhte zuletzt seine Aktienbeteiligung an Amazon – Stichwort Verändertes Konsumentenverhalten (Future Consumption) als Themeninvestment. Ebenso stockt er bei der chinesischen E-Commerce-Plattform Pinduoduo auf. Bei Airbnb und der Telekommunikationsfirma Lumen Technologies reduzierte er seine Anteile. Zudem kommunizierte Temasek einen Einstieg beim kalifornischen Tech-Unternehmen Nvidia, der Rating-Agentur S&P Global und dem US-Unternehmen 1Life Healthcare. Wie stark die jüngste Baisse insbesondere am US-Markt für Technologie­aktien Temasek zugesetzt hat, ist (noch) nicht öffentlich.

Ob Themeninvestments als Alternative zur traditionellen SAA ­taugen? Renditen sind zwar eine Sache – Temasek ­erwirtschaftete im Anlagejahr 2021 fast plus 25 Prozent – Transparenz eine ganz andere. Temasek könnte beispielsweise dazu übergehen, alle Aktien­positionen ­offenzulegen, ähnlich wie es sein norwegischer Peer, der Government Pension Fund Global, tut. So ließe sich Trans­parenz auch beim Thema ­Nachhaltigkeit beweisen.

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