Asset Manager
15. August 2013

„Asset Management ist letztendlich ein People Business“

Dr. Jochen Kleeberg, der geschäftsführende Gesellschafter des Beratungsunternehmens Alpha Portfolio Advisors, über die größten Fehler, die Investoren bei der Auswahl aktiver Asset Manager begehen.

Herr Dr. Kleeberg, worin besteht Ihrer Meinung nach der größte Fehler, den Investoren bei der Auswahl ihrer Asset Manager begehen?
Der wichtigste Fehler ist unserer 15-jährigen Erfahrung nach eine unvollständige Vorauswahl der Kandidaten. Diese ist oft durch persönliche Kontakte bedingt, durch Namen, die man gehört hat, oder durch Manager, die sich persönlich vorgestellt haben oder zufälligerweise anklopfen. Dadurch wird der ganze Prozess a priori wenig systematisch aufgesetzt. Die echten „Perlen“ bleiben häufig verborgen.
Wo sehen Sie weitere zentrale Fehler?
Die Auswahlkriterien werden oft unsachgemäß gewichtet und zum Teil werden wichtige Kriterien, welche die zukünftige Performance determinieren, auch schlicht übersehen.
Was meinen Sie mit „unsachgemäß gewichtet“? 
Damit meine ich beispielsweise, dass Investoren ganz besonders auf die historische Performance schauen. Hier liegt insoweit ein Fallstrick, als die historische Performance nicht nur durch das Können einer Investmentinstitution geprägt ist, sondern insbesondere auch durch zufällige Ereignisse. Wenn ein Manager in den vergangenen sechs oder zwölf Monaten hervorragend abgeschnitten hat, kann das überwiegend oder sogar ausschließlich daran liegen, dass er schlicht und einfach Glück gehabt hat.
Gibt es weitere Beispiele für falsche Gewichtungen der Auswahlkriterien?
Ja. Investoren lassen sich nicht selten von dem Eindruck leiten, den sie von den für sie zuständigen Vertriebsmitarbeitern eines Asset Managers haben. Doch so sympathisch und auch kompetent diese Personen im persönlichen Kontakt sein mögen, ist das für unsere Analysen letztlich nicht relevant, weil die Performance an anderer Stelle in der Organisation generiert wird.
Wirkt sich das bei „unsympathischen“ Personen auch in die andere Richtung aus?
Es kann in beide Richtungen wirken, beides kommt vor. In der Statistik nennt man so etwas „Noise“. Das kann Sie in die eine oder andere Richtung treiben, überlagert aber letztendlich die maßgebenden, performancerelevanten Faktoren. Letztlich muss die Auswahlentscheidung unabhängig sein vom Vertriebsteam, zumal dieses im Zeitablauf ja auch personellen Wechseln unterliegt.
Wo liegt Ihrer Meinung nach der dritte wichtige Fehler bei der Managerauswahl?
Der dritte wichtige Fehler ist die mangelnde Detailgenauigkeit im Auswahlverfahren. Beispielsweise differenzieren Investoren bei der Analyse der Performance meist nicht zwischen strukturellen Risiken, die ein Manager eingeht und die seine Performance treiben, und dem, was wir als „pures Alpha“ bezeichnen.
Würden Sie das an einem Beispiel erläutern?
Gerne. Nehmen wir an, ein Manager verwaltet ein globales Aktienportfolio mit Fokus auf Standardwerte. Nun hat dieser Manager dem Portfolio in den vergangenen zehn Jahren strukturell 20 Prozent Aktien aus den Emerging Markets beigemischt. Wenn Sie sich dieses Portfolio heute anschauen, weist es im Rückspiegel eine tolle Performance gegenüber der Benchmark auf. Wichtig für eine erfolgreiche Auswahlentscheidung ist aber der Blick nach vorne. Dazu müssen wir das strukturelle Risiko der Emerging-Markets-Beimischung von der Selektionsfähigkeit des Managers separieren. Nur letztere reflektiert letztlich seine originäre Leistung. Ist er tatsächlich in der Lage, innerhalb seines Risikoprofils – also 80 Prozent Standardwerte und 20 Prozent Emerging Markets – die richtigen Einzelwerte auszuwählen und zu vermeiden? Das ist die Kernfrage.
Sie reden hier nicht von taktischen, kurzfristigen Beimischungen?
Nein. Strukturelles Risiko heißt, dass ein Manager immer beziehungsweise strategisch von einer Benchmark wie dem MSCI World für globale Aktienportfolios abweicht, um zusätzliche Risikoprämien einzunehmen. Das kann kurzfristig enormen Stress verursachen, aber langfristig wird man für das höhere Risiko in der Regel entschädigt. Ich meine hier keine taktischen Positionen, mit denen ein Manager kurzfristige Opportunitäten nutzen möchte. 
Wie können Sie solche strukturellen Risiken identifizieren?
Wir analysieren die Performance über multivariate Stilanalysen. Das können Sie sich wie einen Röntgenschirm vorstellen, unter dem wir die Performance des Fonds über systematische Vergleiche mit verschiedenen Benchmarks durchleuchten. Dann können wir sehen, welche strukturellen Risiken ein Manager genommen und was für ein Alpha er generiert hat. Nicht selten sieht ein auf den ersten Blick exzellenter Track Record nach dieser Analyse nicht mehr so beeindruckend aus wie davor.
Haben Sie weitere Beispiele für die fehlende Detailgenauigkeit im Auswahlverfahren?
Investoren vergessen oft, dass man sich ein Investmentteam sehr genau anschauen muss. Das sollte über einen dezidierten Fragebogen und – ganz besonders wichtig – den persönlichen Kontakt mit den für den Investmentprozess relevanten Personen geschehen. Wir setzen das in der ersten Stufe über telefonische Interviews um und in der zweiten Stufe über Besuche vor Ort, wo wir uns die Teams, alle Schlüsselpersonen, die Systeme und so weiter anschauen. Das wird häufig versäumt, ist aber enorm wichtig, um ein umfassendes und authentisches Bild zu erhalten. Asset Management ist letztendlich ein People Business. Man muss beurteilen können, wer und was für den Investmentprozess von Bedeutung ist, und sich ein eigenes Bild davon machen, wie der Prozess tatsächlich gelebt wird.
Wo erscheint Ihnen außerdem noch mehr Detailgenauigkeit angebracht?
Ein weiteres Defizit ist, dass Anleger im Normalfall keine systematischen Kostenanalysen anstellen und damit am Ende oft zu hohe Verwaltungsvergütungen bezahlen.
Sind Investoren in dieser Hinsicht nicht sensibler geworden?
Sensibler schon, aber dieser Aspekt wird immer noch unterschätzt. Man sollte bedenken, dass die künftige Performance eines Managers auch bei sorgfältiger systematischer Auswahl stochastischen Einflüssen unterliegt und nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden kann. Die ausgehandelten Gebühren sind dagegen eine feste Größe. Wenn ich mich hier auf 15 Basispunkte verständige, sind das eben dauerhaft fünf Basispunkte weniger als 20 Basispunkte. Diese fünf Basispunkte kann der Investor in sein Alpha buchen, denn am Ende zählt das Netto-Alpha, also das Alpha nach Kosten.
Gibt es neben diesen drei zentralen Fehlern bei der Managerauswahl weitere kritische Punkte?
Wir beobachten häufig handwerkliche Schwächen im Mandatsprofil. Damit meine ich beispielsweise harte Restriktionen, mit denen Anleger den Handlungsspielraum ihrer Manager einschränken – wie ein Mandat für internationale Aktien, das keine Titel aus den Emerging Markets enthalten darf, oder ein Corporate-Bonds-Portfolio ohne High-Yield-Beimischung. Damit zwingt man den selektierten Asset Manager, quasi mit angezogener Handbremse zu fahren, so dass er sein volles Alpha-Potenzial nicht mehr entfalten kann.
Was schlagen Sie als Alternative vor?
Es ist besser, einem Manager ein Tracking-Error-Budget von x Prozent vorgeben, das er dazu nutzen darf, mit diesem Tracking Error eine möglichst hohe Outperformance zu erzielen. Harte Restriktionen sind nutzenökonomisch schädlich, weil man mit ihnen nicht das volle Potenzial eines Managers ausschöpfen kann.
Worauf sollten Investoren noch achten?
Sehr häufig vergessen Investoren nach der Managerauswahl, dass sie ihre Manager auch im Zeitablauf systematisch analysieren müssen. Asset Management ist keine statische Veranstaltung, sondern ein sehr dynamischer Prozess. Wir beobachten beispielsweise immer wieder, dass das verwaltete Vermögen in erfolgreichen Strategien stark ansteigt. Dies ist für das zukünftige Performancepotenzial des Asset Managers nachteilig, da das gestiegene Anlagevolumen die Handlungsspielräume dieses Managers einengt. Darüber hinaus kommt es vor, dass Schlüsselpersonen eine Asset-Management-Gesellschaft verlassen, Umstrukturierungen vorgenommen werden oder sich die Eigentümerstruktur verändert. Solche Faktoren können das Potenzial eines Asset Managers erheblich reduzieren. Deshalb ist es ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor, die Manager performanceorientiert zu begleiten. Da wir genau dies tun, empfehlen wir unseren Kunden auch mehrere Jahre nach der Mandatierung einen Managerwechsel, sofern dies ökonomisch angeraten ist.
Das Interview führte Ralf Kolbe. 
portfolio institutionell newsflash 14.08.2013
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