Schwarzer Schwan
30. September 2016

Assets mit morbidem Charme

Langsam aber sicher nimmt die Suche nach „alternativen Investments“ etwas skurrile Züge an!

Nachdem sich eben erst der Bundesverband Alternative Investments (BAI) in Bonn zu Wort gemeldet hat, um institutionellen Investoren nun die neue Anlageklasse „Glasfasernetze“ schmackhaft zu machen, was bei den Adressaten mehr Fragen aufwirft, als durch den BAI beantwortet werden können, schürft der Asset Manager Harley Investments ebenfalls in der Tiefe nach alternativen Assets. Die Anlageidee der Briten sieht so aus: Im Großraum London werden allmählich die Parzellen auf Friedhöfen knapp. Und das ist zur Abwechslung mal kein Scherz. Wäre es da nicht interessant und auch unter Renditeaspekten und Korrelationsüberlegungen attraktiv, in den wohl letzten neuen Friedhof zu investieren, der für den Raum Greater London gerade östlich der Metropole entsteht? 
Rendite mit Tiefgang 
Die neue Ruhestätte hat ihre Pforten gerade erst eröffnet. Und wenn man den Angaben von Harley Investments Glauben schenken darf, balgen sich schon bald Millionen von Londonern um die letzten freien Parzellen. Die im Herzen von London bestehenden Ruhestätten sind zwar noch nicht bis auf den letzten Platz gefüllt, doch sie sind laut Harley für Einheimische reserviert. Gerade für die Zugereisten aus dem Finanzsektor, die zudem nicht auf den letzten Penny achten müssen, bietet sich mit dem neuen Friedhof die wohl letzte Chance auf eine beschauliche Grabstelle. Das Interesse sei jedenfalls ganz arg groß. 
Wer jetzt zuschlägt und sich ein Örtchen für die letzte Ruhe sichert, könne sich, so Harley, auch das derzeitige Preisniveau sichern. Das klingt, als sei auch hier – wie im klassischen Immobilienmarkt – mit anziehenden Preisen zu rechnen. Auch Investoren, die noch nicht an die letzte Ruhe denken, sollen zum Zug kommen: Im Angebot sind 2.500 Grabstellen zum Preis von jeweils 2.400 Pfund. Ein Schnäppchen! Anbieter Harley stellt „hohe Renditen binnen zwei bis fünf Jahren“ in Aussicht. Schließlich wird der Wert leerer Gräber auf 3.750 Pfund taxiert. Aber Achtung: Als Investor muss man mindestens vier Grabstellen kaufen, darunter läuft nichts. Eventuell entwickelt sich ja aber auch ein Grabstellen-Zweitmarkt. Wer von diesem etwas morbidem Investment noch nicht ganz überzeugt ist, nun, der bekommt von Harley Investments ein unschlagbares Kaufargument kredenzt: „Es gibt eine klar definierte Exit-Strategie“, so die Briten! Was damit wohl gemeint ist? 
Fassen wir zusammen: Der Bundesverband Alternative Investments und ein britischer Sachwertespezialist empfehlen Anlagen, die beide einige Meter unter der Erde liegen. Da drängt sich zunächst einmal die Frage auf, wie man sich hier als möglicher Fremdkapitalgeber die Besicherung vorstellen soll? Dienen etwa die Glasfaserkabel beziehungsweise die Särge als Collateral? Wurde eventuell der Leichnam des Milliardärs Friedrich Karl Flick damals also gar nicht entführt, sondern nur auf eine Besicherung zugegriffen? Während sich beim Thema „Glasfasernetze“ zudem für Investoren die Frage stellt, wem das Land eigentlich gehört, auf dem die Kabel verlegt werden, hat man als Eigenkapitalgeber bei Gräbern absoluten Freiraum bei der Landnutzung. Denkbar ist beispielsweise, dass man durch die Ausrichtung spektakulärer Gothic Partys oder nach ein paar Jahren mit dem Ausbuddeln von Goldzähnen ein nettes Zubrot verdienen kann. Geklärt werden muss jedoch noch, wer das Asset Management übernehmen soll. Graf Dracula? Oder besser Frankenstein? Oder doch besser der Abenteurer Rüdiger Nehberg? Denn er hat den unbestreitbaren Vorteil, dass er erstens keine fiktive Figur und zweitens noch am Leben ist. Was ihn für den Job prädestiniert? 
Nun, sein Berater und Freund Klaus Denart war es, der im Jahr 1962 in einem zum Boot umgebauten vier Meter langen Sarg auf dem Blauen Nil durch Äthiopien schipperte, wie der Survival-Künstler Nehberg, der dieses Schwarzen Schwan mit seinem Lächeln ziert, im Buch „Echt verrückt!“ schreibt: „Tausend Kilometer unbezwungenes Wildwasser. Enge Schluchten, weite Täler. Aber unbewohnt. Keine Menschen. Dafür Tsetsefliegen und Malariamücken. Sie halten das Gebiet menschenfrei.“ Auch erschien den Beteiligten die Reise im Sarg sicherer, als mit einem Kanu aus schnödem Kunststoff auf einem Fluss unterwegs zu sein, in dem es von Krokodilen nur so wimmelt. Klaus Denart hat das Abenteuer jedenfalls überlebt und später den Outdoor-Ausrüster Globetrotter gegründet. Wäre er damals von den Krokodilen in Äthiopien verspeist worden, hätte er keinen Sarg gebraucht: Kein Rücktransport nach Deutschland. Kein Sarg. Also auch kein Geschäft für Friedhofsspekulanten. 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein erlebnisreiches Wochenende. 
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