Recht, Steuer & IT
25. Januar 2024

Auch niedrig bezahlte Jobs mit bAV beglücken

Die über vier Millionen Beschäftigten in Mini- und Midijobs in Deutschland sind eine weitgehend unterschätzte Zielgruppe, die über ganz eigene bAV-Gestaltungsoptionen erreicht werden kann. Nun ändern sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Und auch die reine Beitragszusage versprüht Charme.

Mit Hilfe des digitalen Rentenkompasses sehen Kunden der Allianz Lebensversicherung schon heute, wie viel Geld ihnen voraussichtlich nach Steuern und Sozialabgaben netto im Alter bleiben wird. Männer „wünschen“ sich nach Allianz-Umfrage eine Nettorente von 2.803 Euro im Monat, Frauen lediglich 2.213 Euro. Die meisten orientieren sich dabei an der Empfehlung, mit 80 Prozent der ­aktuellen Bezüge im Ruhestand zu planen.

Von solchen Beträgen können die aktuell rund 4,2 Millionen geringfügig entlohnt Beschäftigten nur träumen. Bei den sogenannten Minijobbern kommen nach dem „Mindestlohngesetz“ ab 2024 nur 538 Euro brutto pro Monat zusammen (bisher: 520 Euro). 80 ­Prozent davon machen rund 430 Euro als „Wunschrente“, was im Alter nichts anderes als Grundsicherung bedeuten würde, trotz 2024 von zwölf auf 12,41 Euro pro Stunde dynamisiertem Mindestlohn. ­Ohne Betriebsrente oder andere Einkommensquellen ist also Alters­armut vorprogrammiert.

„Mit dem Mindestlohngesetz ­ergeben sich auch in der bAV neue Wirkungsmechanismen – mit teils gegenläufigen Effekten für Unternehmen und Beschäftigte“, weiß Fabian von Löbbecke, Vorstandsvorsitzender von HDI-Pen­sionsmanagement und im Vorstand der HDI-Lebensversicherung für Neugeschäft Leben und bAV verantwortlich. HDI hat dazu ­Berechnungen für dauerhaft gewerblich Beschäftigte angestellt.

Zum Minijob: Die Entgeltgrenze gemäß Paragraph 8 Absatz 1 Nummer 1 SGB IV orientiert sich am gesetzlichen Mindestlohn, beträgt ab 2024 besagte 538 Euro monatlich. Arbeitnehmer sind versicherungsfrei in der Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegever­sicherung. In der gesetzlichen Rentenversicherung besteht grundsätzlich Versicherungspflicht. Nur Pflichtversicherte haben Anspruch auf Entgeltumwandlung und unmittelbare Riester-Förderung. Arbeitgeber zahlen pauschal 28 Prozent SV-Beiträge (plus 2,0 Prozent Pauschalsteuer). Wird die Minijob-Grenze regelmäßig überschritten, geht der Minijob-Status verloren und geht in die Midi-Zone über.

Zum Midijob: Ab 2024 gilt für Midijob-Arbeitsverhältnisse weiter eine monatliche Entgeltobergrenze von 2.000 Euro (neue Untergrenze: 538,01 Euro). Die Arbeitsentgelte unterliegen sowohl für Unternehmen als auch für Beschäftigte der Beitragspflicht in allen SV-Zweigen.

Um Beschäftigte zu entlasten, ist die Beitragsaufteilung in diesem Übergangsbereich durch das Mindestlohngesetz seit Oktober 2022 neu geregelt: Beschäftigte werden sukzessive steigend, zwischen 1,5 und 20,4 Prozent, mit Sozialabgaben belastet, erwerben dennoch volle SV-Leistungsansprüche. „Spiegelbildlich“ schmilzt der Arbeitgeberanteil mit steigendem Einkommen 2023 von 28 Prozent auf 20,4 Prozent ab.

Beschäftigte mit Mini- und Midijobs haben grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung und gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss. In der Rentenphase gilt für beide Gruppen zwar grundsätzlich die volle Steuer- und Beitragspflicht, doch erwartet der HDI wegen der eher geringeren Entgeltumwandlungsbeiträge und somit auch niedrigen bAV-Leistungen keine nennenswerte Belastung für die Betriebsrente – nach Berücksichtigung der Freigrenze beziehungsweise des Freibetrages für GKV-Pflicht­versicherte von rund 176 Euro pro Monat 2024 (nach Paragraf 226 SGB V). „Auch die Steuerbelastung dürfte in diesen Zielgruppen im Rentenalter nicht all zu hoch sein“, schätzt Diplom-Mathematiker Fabian von Löbbecke. Erhebliche Unterschiede gebe es aber in der Anwartschaftsphase.

Zur Minijob-Anwartschaftsphase: Wegen der Pauschalsteuerzahlung des Arbeitgebers ergeben sich für Entgeltumwandler keine Steuervorteile. „Bei 50 Euro monatlicher Entgeltumwandlung reduziert sich der Aufwand durch 3,6 Prozent eingesparten ­Rentenbeitrag lediglich um 1,80 Euro, geht – bei statischen Rechengrößen – nach 30 Jahren aber mit einer um 15,68 Euro geringeren gesetzlichen Altersrente einher“, rechnet von Löbbecke vor.

Auf Arbeitgeberseite mindern 50 Euro Entgeltumwandlung den Aufwand inklusive Pauschalsteuer um 15 Euro (30 Prozent). „Diese Ersparnis könnte über den Pflichtzuschuss (15 Prozent) hinaus liquiditätsneutral als AG-Zuschuss zur bAV weitergereicht werden“, ermuntert der bAV-Experte. „Wenn der gesetzliche AG-Zuschuss auf 30 Prozent verdoppelt wird, lohnt sich eine Entgeltumwandlung im Minijob, weil damit der Verlust von gesetzlichen Anwartschaften auf Altersrente durch die bAV mindestens kompensiert wird“, so von Löbbecke.

Beispiel 2023: Ein Arbeitnehmer (40) wandelt monatlich 50 Euro Entgelt plus 30 Prozent Arbeitgeber-Zuschuss (gesamt: 65 Euro) bis Endalter (67) in einen Anspruch auf bAV aus einer Direktversicherung um. „Daraus ergibt sich eine mögliche dynamische und SV-freie Gesamtrente von monatlich gut 116 Euro samt Überschüssen“, rechnet von Löbbecke vor.

Zur Midijob-Anwartschaftsphase: Hier erfolgt 2024 eine variable Verteilung der Beitragslast im Übergangsbereich zwischen 538,01 und 2.000 Euro. Folge: Das verbleibende Gehalt ist durch eine Entgeltumwandlung in eine geringere „Beitragsstufe“ einzuordnen. „Somit realisieren Beschäftigte nicht nur eine Steuer- und SV-Ersparnis, sondern reduzieren auch ihren Beitragsanteil für das verbleibende Einkommen“, betont von Löbbecke.

Letztlich erzielen Midijobber sogar eine höhere SV-Ersparnis als voll SV-pflichtige Arbeitnehmer. Auch hier mindert die Entgeltumwandlung die GRV-Anwartschaft. In der Regel führt der AG-Zuschuss von 15 Prozent zuzüglich der SV- und Steuerersparnis aus der Entgeltumwandlung trotz Rentenminderung zu einer höheren Leistung als eine private Altersversorgung bei gleichem Nettoaufwand, rechnete von Löbbecke aus.

Da die Überschreitung der Minijob-Grenze seit dem Mindestlohngesetz nicht mehr zu einem sprunghaften Anstieg der Sozialabgaben führt, ist bei einer Gehaltserhöhung eine Entgeltumwandlung nicht mehr erforderlich, um in der für den Arbeitnehmer günstigen Minijobzone zu verbleiben. Löbbecke nennt für Arbeitnehmer mit geringem Arbeitsentgelt auch alternative Gestaltungsmöglichkeiten, etwa die Riester-Förderung in der Direktversicherung: Für den geringen Eigenbeitrag durch die Riester-Zulagen ergäben sich überzeugende Förderquoten und durch die Finanzierung der Beiträge aus dem Nettoeinkommen gebe es keine Minderung der GRV-Ansprüche. Künftige Renten seien zudem SV-beitragsfrei.

Auch die Einbindung der Geringverdienerförderung (gemäß Paragraph 100 EStG) für ergänzende bAV-Bausteine, die der Arbeitgeber finanziert, habe Charme. „Unternehmen sind gut beraten, auch kleine Jobs effizient zu fördern“, meint von Löbbecke und plädiert für den Ausbau der Geringverdienerförderung mit dynamischen Einkommensgrenzen und höheren Förderbeträgen. Apropos: Die aktuelle Geringverdienerförderung hat sich seit Anfang 2020 nicht geändert: Zahlt der Arbeitgeber bei Arbeitnehmern mit maximal 2.575 Euro Bruttoeinkommen mindestens 240 Euro und maximal 960 Euro pro Jahr selbst in die bAV, kann er 30 Prozent von der Lohnsteuer behalten. Beiträge aus Entgeltumwandlung sind jedoch nicht begünstigt.

Trotz Zinsanstieg sind die Renditen bei versicherungsförmigen bAV-Lösungen weiterhin wenig attraktiv – kein Wunder bei 0,25 Prozent Rechnungszins für Garantiemodelle. Auch Geringver­diener können zunehmend auf kapitalmarktnahe Angebote ausweichen. Während in der industriellen bAV dazu zahlreiche interne Lösungen existieren, insbesondere Direktzusagen, setzen kleine und mittelständische Unternehmen zunehmend auf tarifvertragliche Lösungen, etwa im Versorgungswerk Metallrente.

Es gibt auch ein paar tariflich organisierte Sozialpartnermodelle (SPM). Nach dem Start mit der Energiebranche und der Chemieindustrie haben nun Privatbanken und Finanzdienstleister einen Tarifvertrag zur bAV mit reiner Beitragszusage vereinbart. Der Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes, Verdi und der Deutsche Bankangestellten-Verband wollten zum 1. Dezember starten. Bei Redaktionsschluss lag die Zustimmung der Aufsichtsbehörde Bafin allerdings noch nicht vor.

Für die organisatorische Abwicklung ist der BVV-Pensionsfonds des Bankgewerbes exklusiv zuständig. Das Produkt will man in zwei Varianten anbieten: eine chancen- und eine sicherheitsorientierte, wobei auch in der sicherheitsorientierten Variante keinerlei Garantien ­geboten werden. Auf Nachfrage hieß es vom BVV, dass man in der sicherheitsorientierten Variante Rückdeckungsversicherungen des BVV-Versicherungsvereins (Pensionskasse) als Kapitalanlage nutzt. Damit dürfte keine renditestarke Anlage möglich sein.

Übrigens: Die Talanx-Gruppe, ursprünglich mit der Idee des ersten SPM überhaupt an die Öffentlichkeit gegangen, aber bis heute ohne praktische Umsetzung geblieben, ist von der Idee der reinen Beitragszusage nach wie vor überzeugt, wartet aber für 2024 geplante „Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen für das SPM ab, um sie in unserem weiteren Vorgehen bezüglich unseres Haustarifvertrages berücksichtigen zu können“, so von Löbbecke auf Nachfrage.

Autoren:

Schlagworte: | | |

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert