Traditionelle Anlagen
9. Oktober 2020

Auf neuen Wegen

Aktien, Immobilien und Infrastruktur werden für Anleger ­immer relevanter. Nach wie vor herausfordernd bleibt jedoch die ­Umsetzung. Bei Aktien spielen Faktorprämien eine immer ­größere ­Rolle und nicht zuletzt dieses Jahr zeigt, dass Volatilität ein sehr ­kritischer Punkt ist. Für Real Assets wird die Rendite- und Zugangs­problematik immer größer.

Man lernt nie aus – auch nicht, wenn man wie DJE-Vorstand Dr. Ulrich Kaffarnik seit drei Jahrzehnten auf den Kapitalmärkten aktiv ist. „2020 ist definitiv das verrückteste Jahr in meiner langen ­Berufskarriere. Die Geschwindigkeit, in der der Aktienmarkt im Februar und März erst fiel und sich dann wieder erholte, war ­einmalig. Das war ein doppelt historisches Ereignis.“ Für solch ­heftige Marktbewegungen brauchen Aktieninvestoren gute Nerven und vor allem eine klare Strategie. Wie dies aussehen kann, ­erläuterten auf dem Aktienpanel Stefan Seewald, Geschäftsführer der Oberfrankenstiftung, und Dr. Michael Olschewsky, Portfoliomanager für das Depot-A der Hamburger Sparkasse.

Der eine oder andere VAG-Anleger dürfte gerade in diesem ­besonderen Aktienjahr Stiftungen um ihre Anlagefreiheiten ­beneiden. „In diesem Marktumfeld tun wir uns als Stiftung aber auch nicht leicht“, erklärt Stefan Seewald, der auch darauf verweist, dass sich die Aktienquote der Oberfrankenstiftung auf 60 Prozent beläuft. „Da wir aber keinen 31.12., sondern einen unendlichen ­Anlagehorizont haben, und Volatilität für uns kein Risiko ist, ­konnten wir durchhalten und im März sogar nachkaufen. Wir ­haben die Kurseinbrüche als Chance verstanden.“ Im Rückblick sei das erste Halbjahr in Summe nicht schlecht verlaufen. Umgesetzt wird die Allokation in Bayreuth über eine konsequente Bottom-up-Strategie. Eine wichtige Nebenbedingung bei der Titelauswahl ist für die Stiftung, die Dividendenrendite des Portfolios zu ­optimieren. Schließlich benötigt eine Stiftung Ausschüttungen, um ihrem ­Stiftungszweck nachkommen zu können. Die Einzeltitelselektion hat der Stiftung auch geholfen, dass, trotz der vielen Dividendenkürzungen im Markt, die ordentlichen Erträge auf dem Niveau wie im Jahr 2019 sind. Im Depot-A der Hamburger Sparkasse spielen dagegen Faktor­prämien – nämlich im Wesentlichen Value, Size, Momentum und Quality – eine sehr wichtige Rolle. Dieser Ansatz habe sich auch im ersten Halbjahr bewährt.

Systematische Diversifikation von Faktorprämien

Wichtig in der Umsetzung von auf Faktorprämien fokussierten ­Ansätzen ist die Streuung der ­Prämien. Möglichst viele Faktoren sollten genutzt und vor allem ­optimal miteinander kombiniert werden, um zum Ziel zu kommen. Schließlich haben verschiedene ­Faktoren unterschiedliche Eigenschaften, die erst in der systematischen Diversifikation ihre ­Vorteile ausspielen. Hier bestehen Parallelen zur Strategischen Asset Allocation über einzelne Asset-Klassen. Skeptisch sehen die Faktorprämien-Spezialisten auf dem ­Panel ­dagegen den Ansatz, einzelne Faktoren zu timen und entsprechend zu wechseln. Als Brüder im Geiste erwiesen sich in der ­Diskussionsrunde Michael Olschewsky und Thomas Kieselstein von Quoniam Asset Management.

Das Quant-Haus fährt ein ­strategisches Gewichtungsschema und sieht wie bereits erwähnt das Faktortiming skeptisch. Kieselstein führt aus, dass Faktortiming die gleichen ­Herausforderungen wie Markttiming hat – und dazu noch einen gewichtigen Nachteil: „Für Faktortiming muss man die Einzeltitel handeln. Markttiming lässt sich dagegen über Futures gestalten, was deutlich günstiger ist“, ­erklärt Quoniams Thomas Kieselstein.

Momentum, Quality und Growth waren Trumpf

Zudem ist auch die Marktentwicklung in den vergangenen Jahren und insbesondere in den vergangenen Monaten ein sehr ­gutes ­Argument – für alle, die sich kein Faktor­timing zutrauen – für ­eine diversifizierte Faktorstrategie: Fünf Wachstumstitel machen nun ein Viertel des amerikanischen ­Aktienmarktes aus und zogen den Gesamtmarkt im Alleingang nach oben. Über Momentum, Quality und Growth konnte man an dieser Performance partizipieren. Mit den Faktorprämien Size oder Value dagegen nicht. Diese Renditeunterschiede zeigen sich auch, wie der kurzfristig als Moderator eingesprungene Michael Wolfram anmerkt, in den Asset Manager Searches von ­Bfinance: „Je nach Value- oder Growth-Ausrichtung des Asset ­Managers zeigen sich Performance-Unterschiede von zehn bis 20 Prozent.“

Liquidität hebt Aktienbewertungen

Eher auf der Seite der Skeptiker steht Quant-Spezialist Thomas Kieselstein auch bezüglich Faktor-ETFs und neuer Datenquellen: „Bei Faktor-ETFs besteht nun ein sehr breites Angebot und manche Produkte sind sehr durchdacht. Diese Produkte brauchen aber ein sehr tiefes Verständnis.“ Kieselstein nennt als Beispiel, dass die verschiedenen Umschichtungszeitpunkte bei Momentum-ETFs zu sehr großen Performance-Unterschieden führen können. Zudem: Nutzt ein Asset Owner Faktor-ETFs, muss dieser auch selbst über die Gewichtung entscheiden. Bezüglich neuer Daten merkt Kieselstein an, dass diese allenfalls für den kurzfristigen Anlagehorizont beziehungsweise für Tradingansätze helfen. Wirklich nützlich ­seien neue Daten nur, wenn man diese nicht nur abgreift, sondern auch die Frage beantworten kann, wie man die Daten besser ­nutzen kann als der Wettbewerber. „Ansonsten geht man wahllos vor.“

Die ganz große Frage ist aber: Wie kann man künftig noch Per­formance erzielen? Auf einem Aktien-Panel lautet die Antwort ­natürlich schnell: Aktien. Ulrich Kaffarnik kann diese Wahl aber auch begründen: „Für höhere Erträge müssten wir höhere Aktienbewertungen bekommen. Diese wären mit Blick auf die Zinsen und dadurch, dass sich die große Liquidität perspektivisch auf dem Aktienmarkt niederschlagen wird, auch gerechtfertigt. Das wird das große Thema für das nächste Jahrzehnt.“ Besonders optimistisch ist Kaffarnik für den Telekommunikationssektor. Dieser ­könnte schon durch seine Dividendenrendite die Liquidität ­anlocken. Apropos Dividendenrendite und Optimismus. Seinen Geistesbruder findet Kaffarnik in Seewald. Seewald sagt: „Für die langfristigen Aktienperspektiven sind wir sehr optimistisch. Ich könnte mir vorstellen, dass die Stiftung bei ihrer strategischen ­Aktienquote auch einmal deutlich über 60 Prozent hinausgeht.“ Den richtigen Zeitpunkt für weitere Zukäufe zu timen sei aber schwierig. In diesem Punkt sind sich die Stockpicker-Fraktion und die Quants einig.

Der Charme von Real Assets

Für andere Anleger(gruppen) ist Volatilität jedoch sehr wohl ein ­Risiko. Diese Anleger schätzen stetige Ausschüttungen und den ­Inflationsschutz von unternehmerischen Beteiligungen genauso, sie sind aber zu bilanzsensitiv, um größere Aktienportionen zu verkraften. Diese Investoren sind darum mehr an Infrastruktur und Immobilien interessiert. Auch letztere Asset-Klasse benötigt ­immer mehr Unternehmergeist – wie auf dem Real-Asset-Panel zu ­erfahren war. „Wir erwerben nicht lediglich die besten und neuesten Objekte, um diese dann lange zu halten“, erklärt Dr. Stefan Krausch, der bei der Meag das Immobilienportfolio der Munich Re steuert. Die Meag betreibt auch aktive Wertschöpfung. „Wir entwickeln ­bestehende Gebäude oder reißen ab und bauen ganz neu. So schaffen wir Werte, ohne von Marktpreisentwicklungen abhängig zu sein.“

Grundsätzlich sieht Krausch für die Zukunft eine große Bedeutung für Real Assets. Bei der Meag spiegelt sich dies auch darin wider, dass man nun Immobilien, Infrastruktur, Renewables, Private Equity und Forst und Agrar unter einem gemeinsamen ­Alternatives-Asset-Dach vereint hat. An Assets under Management sind damit 22 Milliarden Euro unter diesem Dach gebündelt. Diese sollen künftig weiter wachsen.

Eher vorsichtig blicken dagegen zwei andere Panelisten auf Immobilien. Martin Dürr von Faros, der als Consultant Kunden unter ­anderem bei der Wahl von Immobilien- und Infrastrukturfonds ­berät und als Treuhänder auch selbst über die Fondswahl ­entscheidet, gibt zu bedenken, dass Asset Manager nun dazu ­tendieren, sich aus Renditegründen auf höhere Risikostufen zu ­begeben. „Dafür brauchen die Fondsmanager aber auch zusätz­liche Skills. Der Investor muss aufpassen, ob diese Fähigkeiten auch gegeben sind.“ Auch im Lager der Immobilienskeptiker ist derzeit Eberhard Haug von der EnBW: „Momentan sind wir bei ­Immobilien sehr zurückhaltend.“ Besonders kritisch sieht ­Eberhard Haug Büros und Retail.

Grundsätzlich schätzt man bei dem Ver­sorger Real Assets aber sehr und man hat in Karlsruhe auch als Zielquote je zehn Prozent für Immobilien und Infrastruktur. „Wir investieren direkt von der ­Bilanz und müssen somit Marked-to-Market ­bewerten. Unsere ­Real Assets Immobilien, Infrastruktur und Private Equity machen nur Quartalsbewertungen, die zudem – insbesondere bei Dachfonds – mit Verspätung erfolgen. Das bringt Stabilität.“ Kapitalanlage ­betreibt der Versorger aus Baden-Württemberg für die Betriebs­renten und den Rückbau der Kernkraftwerke.

Eine andere Entwicklung auf dem Immobilienmarkt ist aber auch, dass dieser in den vergangenen Jahren deutlich an Vielfalt gewonnen hat. Viel mehr Segmente stehen beispielsweise den Investoren offen. Bei Logistik handelt es sich sogar um einen „Superstar“, so Berater und Moderator Hermann Aukamp. Auf der Bühne ­repräsentiert wurde dieser Superstar von Natalie Weber vom ­Spezialisten LIP ­Invest. Wie dieser Markt boomt zeigt sich auch ­darin, dass LIP zwar erst seit drei Jahren aktiv ist, in dieser Zeit aber bereits 500 ­Millionen Euro an Eigenkapital einsammeln und 800 Millionen Euro in deutschen Logistik-Immobilien platzieren konnte. Dies sollte – auch zu attraktiven Renditen – auch weiter möglich sein. Zwar sind Logistikimmobilien gefragter denn je und es kommen immer mehr Akteure auf den Markt, berichtet Natalie Weber. „Für uns zahlt sich aber unser langjähriges Netzwerk aus, über das wir schneller und günstigere Off-Market-Deals generieren können. Teilweise liegen hier die Renditen noch über fünf ­Prozent.“ In ­Bieterverfahren ­würden dagegen die Renditen teilweise schon auf unter vier ­Prozent schrumpfen.

Große Spielwiese

Geographisch fokussiert ist LIP auf Deutschland. „Deutschland ist der größte Logistikmarkt in Europa und große Märkte sind stabiler als kleinere“, so Weber. Die vielen Logistikregionen in Deutschland ermöglichen LIP auch eine geographische Diversifizierung. Auf ­eine breite Streuung legt der Logistikmanager aber auch Wert ­bezüglich der verschiedenen Logistikimmobilientypen sowie nach Nutzer, Sektoren, Alter und Größe. Weber: „Es ist uns wichtig, eine breite Diversifizierung in den Fonds zu haben.“

Deutlich größere Wahlmöglichkeiten als ein Spezialist hat jedoch ein Allrounder wie die Meag. Auch Stefan Krausch erwähnt den Nutzen von ­lang­jährigen Beziehungsnetzwerken, und ergänzt, dass man darüber hinaus „eine breite Klaviatur“ spielen könne. „Es gibt ­Opportunitäten, die sich identifizieren und ergreifen lassen. Dafür haben wir ­verschiedene ­Instrumente: Equity und Debt, wir können direkt oder über die Börse investieren, wir sind in allen ­wesentlichen Nutzungsarten aktiv und wir können in Europa oder global investieren. Wir stehen vor inter­essanten Zeiten.“

Für Infrastruktur sprechen viele Aspekte

Noch etwas mehr als Immobilien versprüht Infrastruktur den Charme von Stabilität, Sicherheit, Diversifikation, Inflationsschutz, langen Durationen sowie vor allem von laufenden und stetigen Ausschüttungen. Diese Eigenschaften werden künftig eher noch mehr gefragt sein, meint Igor Lukin von Allianz Capital Partners, ACP, auf der Jahreskonferenz als Vertreter des für direkte ­Infrastrukturinvestments verantwortlichen Teams der Allianz. „Ich gehe davon aus, dass diese Krise den Appetit von Versicherungen und Pensionskassen auf stabile Assets erhöht hat – und finden kann man diese im Infrastrukturbereich. Für die Allianz – und nun auch für Drittinvestoren – hat ACP etwa 20 Direktinvestments in beispielsweise Gasnetze, Mautstraßen oder digitale Infrastruktur getätigt. Dabei handelt es sich um langfristige Buy-and-Hold-­Ansätze, die dazu dienen, die langfristigen Verbindlichkeiten der Versicherung zu matchen. „Es gibt sehr wenige Produkte, die eine so lange Duration bieten können wie langfristige Infrastruktur-­Assets“, so Lukin.

Weniger charmant ist für Investoren jedoch, dass auch bei Infrastruktur die Renditen schwinden. „Wir sind froh, dass wir bereits vor sieben Jahren begonnen haben, in Infrastruktur zu investieren. Mittlerweile würden wir uns aber andere Renditeniveaus ­wünschen“, sagt Eberhard Haug. Damals hat die EnBW renditebedingt einen Ersatz für Staatsanleihen gesucht und in Infrastruktur gefunden. „Dem Staat Geld für Zinsen zu leihen oder Geld für ­Gebühreneinnahmen für den Betrieb einer Autobahn zu geben hat das gleiche Risiko. Letzteres wird aber besser bezahlt“, erläutert Eberhard Haug das Kalkül der EnBW.

Der Staat als Chance und Risiko

Vater Staat könnte nun dazu beitragen, wieder neue Renditemöglichkeiten zu schaffen – zumindest theoretisch. „Jeder Infrastruktur­manager präsentiert uns Grafiken zum Infrastructure Spending Gap. Es fehlen Milliarden, was für Finanzinvestoren eine Chance sein könnte. Aber nur wenn die benötigten Projekte auch politisch investierbar gemacht werden“, sagt Martin Dürr, der hier wenig ­optimistisch ist. Igor Lukin, der auch eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage sieht, plädiert darum für gemeinsame ­Lobby-Arbeit bei der Politik. Entsprechende politische Beschlüsse könnten in Europa aber auch in den USA das Universum an Investitionsmöglichkeiten deutlich vergrößern. Allerdings sind für ­Infrastrukturinvestoren nicht alle Erfahrungen mit dem Staat positiv. „Die Politik spielt bei Infrastruktur eine wichtige Rolle und das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt“, mahnt Eberhard Haug. „Wir gehen lieber mit der Privatwirtschaft in Projekte als mit der Politik. Gerade wenn man aus dem Ausland kommt, ist ein Finanzinvestor schnell der Buhmann.“

Aktien, Immobilien und Infrastruktur bleiben attraktiv

Die positiven Eigenschaften von Immobilien und Infrastruktur werden bleiben und mit immer weiter sinkenden Zinsen und ­steigender Inflation immer noch attraktiver werden. Dies gilt ­jedoch nicht für den Markt allgemein. Auch Infrastruktur hat mit Flughäfen ein Problemsegment. Was Investoren von den beiden ­Eigenkapital-Panels mitnehmen können: Für Aktien ist ein ­Zutrauen und vor allem eine Langfristigkeit erforderlich, wie es bei Immobilien und Infrastruktur Usus ist. Für die beiden Real Assets braucht es für Real Deals Flexibilität bei den Instrumenten und ­gute Netzwerke – und wohl aber auch Realismus, was die künftigen Renditen betrifft.

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