Traditionelle Anlagen
10. Mai 2021

Aus 25 wurden fünf Prozent

Absinken der Aktienquote innerhalb von 20 Jahren. DVFA kritisiert Regulatorik als „in Teilen prohibitiv“.

In einem aktuellen Positionspapier äußert sich der DVFA, der Verband der Investment Professionals in Deutschland zum Aktionsplan der EU-Kommission für eine Kapitalmarktunion. Durch die Covid-19 Krise sei das für die EU zentrale Projekt zur Stärkung des Kapitalmarktes allerdings in den Hintergrund gerückt. Der Fokus liegt derzeit primär auf staatlicher Unterstützung und Intervention, um die Krise einzudämmen. „Die massive finanzielle Unterstützung über die Staatshaushalte, so wichtig und richtig sie kurzfristig gewesen sein mag, kommt nun an ihre Grenzen,“ erläutert Ingo Ralf Mainert, stellvertretender Vorsitzender des DVFA e.V. „Um diese Krise zu überstehen und wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu gelangen, dürfen wir die Leistungsfähigkeit des Staates nicht überfordern.“ Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass der Bankensektor durch eine zu erwartende Insolvenzwelle zeitverzögert belastet und die Kreditvergabefähigkeit tendenziell einschränken werden wird. „Deshalb sollten wir jetzt die Kapitalmärkte in Richtung eines einheitlichen EU-Finanzbinnenmarktes weiterentwickeln, sie stärken und als Motor zur Überwindung der Krise aktiv nutzen“, betont Mainert.

Im Rahmen des EU-Aktionsplans zur Kapitalmarktunion werden insgesamt 16 Aktionsfelder adressiert. Der DVFA begrüßt die Initiative zur Kapitalmarktunion ausdrücklich. Insgesamt sind die Vorschläge der EU nach Ansicht des DVFA jedoch zu abstrakt formuliert. Deshalb wurden hierzu sieben konkrete Forderungen erarbeitet. Das Themenfeld Green Finance und das im Rahmen der EU-Taxonomie angestrebte Klassifikationssystem für mehr Nachhaltigkeit wurde bewusst nicht adressiert, da Green Finance als gesetzt angenommen wird. Hierzu gibt es auch einen überwältigenden Konsens. Dem DVFA geht es vielmehr um die darüber hinaus gehende, grundsätzliche und nachhaltige Stärkung der Kapitalmarktfinanzierung.
Unter den sieben angeführten Positionen findet sich allem voran die Forderung, die Solvency-II- Kapitalanforderungen und HGB-Bilanzierungsvorschriften zu überprüfen, um höhere Aktienquoten zu ermöglichen. „Die Eigenkapitalmärkte sind die Basis für die Überwindung der Coronakrise und zur Entwicklung weiteren Wachstums. Dabei hat die Versicherungsbranche aufgrund ihres enormen Anlagebedarfs eine sehr hohe Bedeutung für den Kapitalmarkt. Vor diesem Hintergrund sollten die Solvabilitätsanforderungen (Solvency II) sowie die Bilanzierungsvorschriften nach dem Handelsgesetzbuch zeitnah überprüft werden, um bei der Bewertung insbesondere von börsennotierten Aktien dem langfristigen Anlage-Modell der Versicherer besser Rechnung zu tragen“, heißt es in dem Papier. In den letzten zwanzig Jahren sei der Aktien-Anteil in den Portfolien der deutschen Lebensversicherer von reichlich 25 Prozent auf zuletzt nur noch knapp fünf Prozent gesunken. „Hier wirkt die Regulierung nach Ansicht des DVFA in Teilen prohibitiv. Dies gilt umso mehr, da die Versicherungswirtschaft – wie alle anderen Kapitalsammelstellen auch – mit einem extremen und nachhaltigem Niedrigzinsumfeld konfrontiert sind.“

Auch sollen die Regeln für das Delisting von Unternehmen EU-weit harmonisiert werden, wünscht sich der DVFA: „Deutschland ist eines der wenigen Länder in Europa, bei denen ein Delisting alleine durch den Beschluss des Vorstands herbeigeführt werden kann. Zum Schutz der Aktionäre sollte ein Delisting aber nur erfolgen dürfen, sofern mindestens 75 Prozent des Stammkapitals auf einer Hauptversammlung diesem Vorschlag folgen. Dies wäre ein wichtiger Beitrag für die weitere Harmonisierung der Aktienmärkte in Europa.“

Investments in illiquidere KMU fördern

Außerdem sieht der DVFA weiteren Handlungsbedarf bei den Regelungen für das Segment der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU). Trotz großer Anstrengungen, insbesondere auf der Angebotsseite, sei es in den letzten Jahren nicht gelungen, die Anzahl der Börsengänge im KMU-Segment zu erhöhen. „Deshalb sollte zukünftig verstärkt auf strukturelle Verbesserungen auf der Nachfrageseite gesetzt werden“, hebt Thorsten Müller, Vorstandsmitglied des DVFA, hervor. Außerdem solle die Praxis, dass liquiditätsschwächere Werte heute im Investmentprozess systematisch eliminiert würden, überdacht werden. „Diese unter Risikogesichtspunkten nachvollziehbare Fokussierung auf Handelsliquidität sollte gelockert werden, weil sie das „Nachwachsen“ von vielversprechenden börsennotierten Gesellschaften behindert. Ohne Zweifel ist eine hohe Liquidität positiv und die Funktion der Liquidität spendenden Market Maker wichtig. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die börsennotierte Aktie ein Investitionsinstrument darstellt, das auf den langfristigen Anlagehorizont ausgelegt ist. Durch eine weniger restriktive Handhabung könnten wieder mehr Investments in jüngere und aufstrebende, aber eben auch liquiditätsschwächere Werte gelenkt werden“, so einer der Punkte des Positionspapiers. Zudem wird eine deutliche Reduktion oder sogar temporäre Aussetzung der Kapitalertragsteuer auf Dividenden und Zinsen für KMU-Titeln gefordert.

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