Versicherungen
16. Juli 2014

Auswirkungen der Lebensversicherungsreform auf Anleger

Unmittelbar nachdem der Bundestag und der Bundesrat das Gesetz zur Reform von Lebensversicherungen gebilligt haben, streicht die Württembergische Leben die Dividende. Verliert der Sektor für Investoren nun an Reiz?

Mit dem Gesetz zur Reform von Lebensversicherungen will die Regierung die Versicherungsbranche und deren Kunden vor den Folgen der Niedrigzinsphase schützen. Nachdem der Bundestag und der Bundesrat das Gesetz zur Reform von Lebensversicherungen im Juli gebilligt haben, dürften die neuen Regeln, mit denen die unter den Niedrigzinsen leidenden Lebensversicherer stabilisiert werden sollen, noch im laufenden Monat in Kraft treten.
Ein Teil des Reformpakets betrifft den Garantiezins. Zum 1. Januar 2015 sinkt der Satz, mit dem bei klassischen Lebens- und Rentenversicherungen der Kapitalstock verzinst wird, bei Neuabschlüssen von derzeit 1,75 auf 1,25 Prozent. Mit der Reform wird auch die viel diskutierte Beteiligung von Kunden, deren Vertrag ausläuft, an den Bewertungsreserven neu geregelt. Während ausscheidende Versicherungsnehmer bislang zur Hälfte an Bewertungsreserven beteiligt werden mussten und aufgrund der milliardenschweren Buchgewinne auf Anleihen mit besonders üppigen Zahlungen rechnen konnten, wird die Beteiligung nun zur Freude der Assekuranz unter bestimmten Voraussetzungen erheblich beschnitten. Das betrifft allerdings nur die Bewertungsreserven auf festverzinsliche Wertpapiere. So dürfen die Versicherer an ausscheidende Kunden künftig nur noch jene Reserven zur Hälfte auskehren, die den sogenannten Sicherungsbedarf übersteigen. Dabei handelt es sich um jenen Betrag, der im jeweils aktuellen Zinsumfeld erforderlich ist, um die zugesagten Leistungen und Garantien zu sichern. Im Gegensatz dazu bleiben abtrünnige Kunden an den Bewertungsreserven von Aktien oder Immobilien uneingeschränkt zur Hälfte beteiligt. Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) treten die Veränderungen mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft. 
Zwar gilt die Reform in erster Linie der Versichertengemeinschaft. Gleichwohl gehen mit den Veränderungen Aspekte einher, die sich auch auf Aktionäre und Inhaber von Anleihen von Versicherungen auswirken können. Um sicherzustellen, dass die Lebensversicherer ihre Garantieverpflichtungen auch bei dauerhaft niedrigen Zinsen erfüllen können, hat der Gesetzgeber kurzerhand eine Ausschüttungssperre für Dividenden beschlossen. Mit diesem Instrument soll sichergestellt werden, dass keine Mittel kurzfristig an die Aktionäre abfließen können, falls die Unternehmen die Gelder mittel- und langfristig zur Sicherung der Garantien benötigen. Können die Garantiezusagen erfüllt werden, steht einer Auszahlung nichts im Weg. Ausgenommen von der Ausschüttungssperre sind Unternehmen, die zu einer Muttergesellschaft gehören und mit dieser einen Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen haben. Sie dürfen laut Angaben des GDV ihren Gewinn weiterhin abführen. Nach Einschätzung von Analysten spielt das Thema weder bei der Talanx, bei Munich Re noch beim Allianz-Konzern eine Rolle. 
Laut DZ-Bank beispielsweise dürften sich aus dem Lebensversicherungs-Reformgesetz zunächst kaum Auswirkungen auf die Allianz ergeben. Denn die unter bestimmten Umständen vorgesehene Ausschüttungssperre greift nicht, weil bei der Allianz Leben ein Gewinnabführungsvertrag besteht. Auch wird die zu dem Gesetzespaket zählende Anhebung der minimalen Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Risikoüberschüssen von 75 auf 90 Prozent die Profitabilität (und damit den Aktienkurs, Anmerkung d. Red.) „voraussichtlich nicht erkennbar beeinträchtigen“.
Württembergische streicht Dividende
Insofern sind Befürchtungen, wonach der Versicherungssektor für Anleger uninteressant werden könnte, fehl am Platz. Warum aber sollte man überhaupt in Aktien eines Versicherers investieren? Wenn man sich vor Augen führt, dass sowohl die Allianz als auch Munich Re eine Dividendenrendite von jeweils 4,6 Prozent aufweisen, ist die Frage beantwortet. Ohne Dividenden verlören die Titel an Reiz; doch das steht auch gar nicht zur Debatte, wie sich der Gesetzgeber im Vorfeld der Entscheidung bewusst gewesen sein dürfte. Infolge des Lebensversicherungs-Reformgesetzes wird nun aber beispielsweise die Württembergische Lebensversicherung trotz erwarteter Gewinne bis auf Weiteres keine Dividende mehr zahlen. Mit Hilfe der künftigen Thesaurierung der Gewinne soll die Eigenkapitalbasis nach Unternehmensangaben „weiter gestärkt“ werden. Die Württembergische gehört zu gut 83 Prozent dem Finanzkonzern Wüstenrot & Württembergische, die restlichen knapp 17 Prozent entfallen auf den Streubesitz. Geschadet hat die Ankündigung den wenig gehandelten Anteilsscheinen bislang aber nicht.
Ceteris paribus profitieren die Inhaber von Versicherungsanleihen, wenn Ausschüttungen gestrichen werden. Denn die Substanz der Unternehmen wird geschützt, während die Wahrscheinlichkeit pünktlicher Zinszahlungen zunimmt. Ohnehin muss ein solcher Effekt immer im Kontext des jeweiligen Unternehmens hinterfragt werden. Per Anfang 2011 hatten europäische Versicherungen 36 Milliarden Euro an Vorzugsanleihen und 85 Milliarden Euro in Form nachrangiger Anleihen begeben. 
Nach Einschätzung der Bundesbank könnte die Änderung der Kundenbeteiligung an den Bewertungsreserven ebenso wie die Begrenzung der Dividendenausschüttung an Aktionäre die Stabilität der Lebensversicherer stärken. Die Zahl gefährdeter Unternehmen reduziere sich so. Gleichwohl müssten die Lebensversicherer selbst einen Beitrag leisten, etwa indem sie ihre Eigenmittelpolster aufstocken. Aus Aktionärssicht ließe sich argumentieren, dass der Gesamtwert des Unternehmens, der sich zum Teil aus dem Wert der künftigen finanziellen Überschüsse ergibt, durch eine Ausschüttungssperre sinkt. Sprich, Aktien von Versicherungsgesellschaften, die die Dividende streichen, drohen Kursverluste; dadurch sinken die Chancen, bei Bedarf eine erfolgversprechende Kapitalerhöhung durchführen zu können. Sollte die Stärkung des Eigenkapitals durch Kapitalerhöhungen vorgenommen werden, könnten auch durch Verwässerungseffekte Nachteile für Aktionäre entstehen. 
portfolio institutionell newsflash 16.07.2014/Tobias Bürger
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