Recht, Steuer & IT
6. Juli 2023

Bafin gibt sich Strategie für Sustainable Finance

Aufsichtsbehörde für angemessene Proportionalität und „zuverlässigere Daten“ zu Klimarisiken. GDV: EU-Kommission plant derweil Entschlackung der Vorschriften für die Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Es tut sich dieser Tage viel in Sachen Nachhaltigkeitsregulatorik und Sustainable Finance. So hat die Bafin gestern ihre Sustainable Finance-Strategie veröffentlicht. Zudem endet morgen die Konsultationsphase für ein erstes Set an European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die die EU-Kommission im Juni auf Basis der Vorlage der Efrag (European Financial Reporting Advisory Group) veröffentlicht hatte. Derweil hat das ISSB (International Sustainability Standards Board) in der vergangenen Woche zwei neue Standards (IFRS 1 und IFRS 2) für die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf internationaler Ebene veröffentlicht.

Beim Thema Nachhaltigkeit sieht sich die Bafin, die hierin einen von insgesamt zehn Schwerpunkten für die nächsten Jahre sieht, mit einem derzeitigen Schwerpunkt auf dem E (Environmental) von ESG und hier insbesondere auf dem Klimawandel – dies sei bedingt durch den Regulierungsstand und den verfügbaren Daten. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Aufsicht sieht die Behörde laut einer Mitteilung zur Sustainable-Finance-Strategie eher als Mittelfristziel.

Die Bafin legt Wert darauf, zu betonen, sie behandele ESG-Risiken zudem als Teil ihrer regulären Aufsicht über Unternehmen der Finanzbranche. Auch verfolge sie keine eigenen umwelt-, sozial- oder wirtschaftspolitischen Ziele oder lenke Finanzflüsse.

Hoffnung aus CSRD und EU-Reporting-Standards

Als fünf Handlungsschwerpunkte benennt die Aufsichtsbehörde in ihrer Sustainable-Finance-Strategie als ersten Punkt eine risikoorientierte und praxistaugliche Regulierung, zweitens zuverlässigere Daten zu finanziellen Klimarisiken und drittens ein angemessenes Management von umweltbezogenen finanziellen Risiken. Hinsichtlich der Datenlage zu Klimarisiken erhofft sich auch die Bafin eine bessere Datengrundlage durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).  Dazu zählt die Behörde insbesondere die geplanten European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Als vierten Punkt nennt die Bafin die „Prävention und Bekämpfung von Greenwashing insbesondere durch verlässliche Informationen für Anlegerinnen und Anleger“.

Klimarisiken keine neue Risikoart

Finanzielle Klimarisiken betrachten die Aufseher nicht als neue Risikoart, sondern entlang der etablierten Risikokategorien (Kredit-, Markt-, Liquiditäts-, operationelle inklusive Haftungs- beziehungsweise Reputationsrisiken, versicherungstechnische Risiken, strategische Risiken). Bei den finanziellen Klimarisiken existierten jedoch spezifische Herausforderungen für das Risikomanagement: Es sei teilweise noch unklar, wie sich Nachhaltigkeitsrisiken in etablierte (vor allem finanzielle) Risikokategorien des Aufsichtsrechts übertragen lassen. Außerdem seien wesentliche Variablen zum Teil mit hohen Unsicherheiten behaftet. Dies führe vor allem bei einem langfristigen Betrachtungshorizont zu einem breiten Spektrum an Szenarien.

Interessant für institutionelle Anleger erscheint, dass sich die Behörde ausdrücklich zur Praxistauglichkeit und zum Proportionalitätsprinzip äußert: „Bei der Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens setzt sich die Bafin als integrierte Finanzaufsichtsbehörde für Konsistenz zwischen den verschiedenen Finanzmarktsektoren, für angemessene Proportionalität und für Praxistauglichkeit ein.“

EU-Kommission will Berichtspflichten reduzieren

Die Details der Nachhaltigkeitsberichterstattung fordern alle Beteiligten. Selbst unter den Aufsehern herrsche inzwischen eine gewisse Skepsis ob der Flut an neuen regulatorischen Vorgaben, berichtet der GDV von seiner Regulierungskonferenz, die am Dienstag in Berlin stattfand. „Wir sind in einer Phase, in der wir ganze viele Akteure zu überfordern drohen, nicht nur intellektuell, sondern auch in der Umsetzung“, sagte Frank Grund, Chefaufseher für Versicherungen bei der Finanzaufsicht Bafin. Der Elan der Branche, sich den Herausforderungen durch den Klimawandel zu stellen, könne durch zu viel Bürokratie erlahmen. Grund warnte zugleich vor unrealistischen Hoffnungen seitens der Öffentlichkeit: „Ich habe die Sorge, dass die Erwartungen der Politik und der Menschen schneller steigen, als sie die Aufsicht und die Versicherer erfüllen können.“

Der Regulierungswind hat sich gedreht – auch in Brüssel. Kürzlich hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, die Nachhaltigkeitsberichtspflichten um ein Viertel reduzieren zu wollen. Dieses Ziel beziehe sich vor allem auf Vorgaben, die sich überlappen, erklärte Alexandra Jour-Schröder, stellvertretende Generaldirektorin bei der EU-Kommission, auf der GDV-Regulierungskonferenz in Berlin. „Man kann aber nicht sagen, dass wir jetzt alle Offenlegungspflichten abschaffen.“

Keine Vorgaben für einzelne Sektoren

Die EU will sich bei der Ausarbeitung der Details zur Nachhaltigkeitsberichterstattung zunächst auf allgemeine Standards beschränken und auf sektorale Vorgaben verzichten. „Wir haben uns von der ambitionierten Idee verabschiedet, alles sofort zu machen“, sagte Jour-Schröder, stellvertretende Generaldirektorin bei der EU-Kommission, auf der GDV-Regulierungskonferenz in Berlin. Beim Versicherungsverband stieß von der Leyens Initiative auf Zustimmung. „Gute Regulierung muss stimulieren und darf wirtschaftliche Tätigkeit nicht abwürgen“, sagte Norbert Rollinger, Präsident des GDV, der gleichzeitig Vorstandvorsitzender der R+V-Versicherung aus Wiesbaden ist. Er unterstrich die Bereitschaft der Versicherungsbranche, den ökologischen Umbau der Wirtschaft mitzugestalten. „Transformation ist unsere DNA“, betonte Rollinger.

Forderungen von Klimaschützern, die Versicherer im Rahmen der Überarbeitung von Solvency II zu mehr Klimaschutz-Investitionen zu verpflichten, erteilte Petra Hielkema, Chefin der europäischen Versicherungsaufsicht Eiopa, eine Absage. Dies stehe im Widerspruch zum risikobasierten Ansatz von Solvency II, so Hielkema.

Autoren:

Schlagworte: | | |

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert