Immobilien
8. Juli 2016

Barrierefrei investieren

Der Deutsche Stiftungstag in Leipzig bot den Rahmen für eine Diskussionsrunde zum Thema Immobilien-Investments. Knappheitsfaktoren und Mietpreisentwicklungen als Aufhänger.

… Betreiber, Betreiber, Betreiber

Wer sich bereits seit zehn Jahren mit altersgerechtem Wohnen und Pflege beschäftigt, ist die Aachener Grundvermögen, die einst ­unter Beteiligung kirchlicher Stellen gegründet wurde, um zunächst institutionellen Anlegern der katholischen Kirche in Deutschland ­eine Alternative zum eigenen Immobilienerwerb zu bieten. Heute zählt zum Produktangebot unter anderem ein auf den Erwerb und die Verwaltung von Altenpflegeeinrichtungen in Deutschland ausgerichteter AIF-Spezialfonds. Ergänzend werde in betreutes Wohnen und in neue Betreuungskonzepte, wie beispielsweise Quartiersobjekte, ­investiert. Ein Fokus liegt momentan auf neuen Wohn- und vor allem Betreuungssituationen, berichtete Geschäftsführer Georg Heinze: „Wir investieren für ältere Menschen in zentrale Standorte, wo diese ein neues Zuhause finden und trotzdem je nach Bedarf professionell von mobilen Diensten versorgt werden können.“ Aus Sicht von ­Investoren bestehen hier interessante Immobiliensubsegmente, die zur Diversifikation und wegen ihrer Stetigkeit prinzipiell gut in eine Allokation passen. „Wohnen hat gegenüber anderen Real-Estate-­Segmenten den Vorteil, dass die Konjunktursensitivität gering ist. Wohnen muss man immer“, erklärte Michael Hepers. Außerdem ­betonte der Bereichsleiter Asset Management der Evangelischen Bank, dass diese beiden Segmente dem Bedarf von Anlegern entsprechen, auf sehr lange Zeiträume investieren zu können. Durch die ­Investorenbrille betrachtet sei es erfreulich, dass klare Trends ­bestehen, für die es aber noch ein sehr geringes Angebot gibt. Das macht es schwer, zunächst einmal ein Investment – bei sinkenden Ankaufsrenditen – zu finden.

„Wir haben uns viele Studentenwohnheime angeschaut“, berich­tete Verka-Vorstand Ewald Stephan. Mit dem Nachhaltigkeitsziel der Pensionskasse kollidieren jedoch regelmäßig die Mietpreisvorstellungen der Betreiber. „Natürlich haben wir eine Verpflichtung ­gegenüber unseren Rentnern und Anwärtern. Nachhaltig zu investieren, ­beinhaltet für uns aber auch, bezahlbaren Wohnraum anzubieten.“ Fündig wurde die Verka dagegen beim betreuten Wohnen, wo man sich über einen ­Spezialfonds mit einem kleineren Betrag an entsprechenden Objekten beteiligt hat. „Sehr wichtig ist es dabei, darauf zu achten, ob der ­Betreiber gemäß den eigenen Wertvorstellungen ­handelt“, so ­Stephan.

Ebenfalls investiert ist die Gothaer. Die ­Versicherung will über ­einen spezialisierten Investmentfonds mit dem Betreiber Casa Reha ein Pflegeheimportfolio mit einem Zielvolumen von 200 Millionen Euro Eigenkapital aufbauen. In zwölf Pflegeeinrichtungen, davon acht in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, sind bereits rund 144 ­Millionen Euro investiert. Um Reputationsrisiken zu reduzieren, sieht der ­Investmentansatz vor, eine hohe Pflegequalität zu ­prämieren. Die Renditeerwartung liegt bei fünf Prozent.

Achtung: Staatsrisiko!

Zu den Analysen über den Betreiber, mit dem der Fonds einen Vertrag über 20 bis 25 Jahre schließt, zählt auch, dass dieser solvent bleibt, aber auch seine Mitarbeiter anständig bezahlt. Darauf wies Norbert Schulte-Mattler, Vorstandsvorsitzender der Philips Pensionskasse, zur Funktionsweise von Sozialimmobilien in der diesjährigen Januar-Ausgabe von portfolio institutionell hin: „Kritisch wird es, wenn der Betreiber in Konkurs geht, das Betreuungspersonal abgeworben wird oder Prüfer Mängel feststellen. Es kann also mit solchen Spezialimmobilien durchaus viel passieren.“ Neben dem Betreiber­risiko empfiehlt Schulte-Mattler auch – wie bei jeder Immobilie – auf den Standort zu achten: „Wichtig ist, dass der Fonds in solche Häuser investiert, die eine möglichst dauerhafte Vollbelegung erwarten ­lassen und dass diese Häuser in demografisch interessanten und einkommensstarken Gegenden liegen.“

Speziell ist bei Sozialimmobilien natürlich wie erwähnt das Staatsrisiko. Dieses beginnt schon bei der Entwicklung. „Wir würden gern bezahlbaren Wohnraum schaffen“, so Georg Heinze. „Aber uns ­fehlen die Grundstücke.“ Beeinflusst werden die Renditen von Vater Staat aber insbesondere im laufenden Betrieb. Xavier Jongen erklärt: „Bei den Wohnsegmenten ist sowohl auf Mikro- als auch auf Makroebene die Politik eines der größten Risiken.“ Bezüglich altersgerechtem ­Wohnen erwähnt Jongen die Rentenreform, bezüglich studentischem Wohnen die Asyl- und Immigrationspolitik. Entgolten werden politische und Betreiberrisiken laut Jongen beim studentischen Wohnen mit einem Spread zum klassischen Wohnen von im Durchschnitt 50 bis 100 ­Basispunkten. In der Vergangenheit waren es 100 bis 150 ­Basispunkte. Besonders hoch ist der Spread heute damit nicht mehr. Dafür ist ­jedoch die Liquidität im Wohnbereich relativ groß. „Auch wenn sich nicht jede Gebäudestruktur für einen Umbau eignet: Mittels Umbauten zwischen normalen Wohnungen, Pflege, Student oder auch ­Hotels sowie zwischen großen und kleinen Einheiten zu wechseln, ist ­einfacher, als aus Gewerbeimmobilien Wohnungen zu machen“, ­erläuterte Jongen. Auf solche Umbaumöglichkeiten zu achten, ist bei solchen Investments wichtig. „Pflegeeinrichtungen haben einen­ ­Lebenszyklus von rund 25 Jahren. Wie die Erfahrung zeigt, muss man danach diese Immobilien mit neuen Ideen wieder aufbauen“, so ­Georg Heinze. Prinzipiell fallen die Baukosten für Barrierefreiheiten natürlich im Neubau geringer als im Umbau aus.

Speziell für Stiftungen ist wichtig, dass man trotz Abschreibungen mit den Umbauten auch dem Gebot des (realen) Kapitalerhalts gerecht wird. Allein über Miete und Pacht dürfte der Kapitalerhalt nicht immer gesichert sein. Relevanter als das Stiftungsrecht waren für das Stiftungspublikum jedoch offenbar gesellschaftliche Aspekte, die auch schon von Margot Käßmann aufgeworfen wurden. Das Auditorium brachte sich insbesondere mit Wortmeldungen in die Debatte ein, die auf eine Durchmischung von Jung und Alt abzielten ­beziehungsweise, dass reine Altenquartiere verhindert werden. Dies war auch im Sinne von Ewald Stephan, der, um Vereinsamungen ­vorzubeugen, Konzepte für Mehrgenerationenhäuser und für die ­Einbindung der älteren Generation und deren Wissen in die Gesellschaft wünschte. Georg Heinze brachte hierfür Quartiersmanager mit dem Selbstverständnis eines Kümmerers ins Spiel. Ein großes Argument für kombinierte Wohnformen ist auch, dass sich begehrter Wohnraum nicht beliebig vermehren lässt.

Aufgeworfen wurde auch die interessante Grundsatzfrage, ob der soziale Charakter von Wohnen überhaupt Profitgedanken erlaubt. ­Widersprechen schließlich mittlerweile nicht Staatsanleihen ebenfalls dem Profitgedanken und sollten sich zudem nicht auch einmal die Babyboomer mit Generationengerechtigkeit befassen? In seiner ­Replik wies Michael Hepers daraufhin, dass sich mit diesen Über­legungen weder der große Bedarf an neuem Wohnraum noch die ­Verpflichtungsseiten vieler großer Kapitalanleger (auf-)lösen. Mehr im Sinne von Hepers wäre vielmehr die Lösung der auf Kombina­tionen abzielenden gesellschaftlichen Anliegen: „Wünschenswert ­wäre, wenn Quartiere mit dem öffentlichen Nahverkehr zusammengebracht werden und insbesondere zwischen Generationen ein ­Miteinander entsteht – und das alles bezahlbar. Aber davon sind wir noch ganz weit weg.“ Eine wichtige Erkenntnis der ­Diskussionsrunde: Sozialimmobilien sind insbesondere wegen ihrer Langfristigkeit und der hohen Nachfrage eine sehr interessante Asset-Klasse. Am Ende muss sie – auch im Sinne der Rendite – aber auch dem Präfix ­„Sozial“ gerecht werden.

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