Recht, Steuer & IT
22. Februar 2023

bAV-Fachdialog wird spruchreif

Der Fachdialog des Bundesarbeitsministeriums für eine breitere bAV-Marktdurchdringung hat gerade begonnen. Wir zeigen, was die wichtigsten Stakeholder sich wünschen und wie die Chancen auf Umsetzung stehen. Das Ergebnis soll Mitte 2023 in ein Gesetz gegossen werden.

Für die betriebliche Altersversorgung (bAV) könnte das neue Jahr zu einem Aufschwung führen wie lange nicht. Ähnlich wie 2002, als die Riester-Rente samt bAV geboren und vor allem der ­Anspruch auf Entgeltumwandlung gesetzlich festgeschrieben wurde. Oder wie 2018, als das Betriebsrentenstärkungsgesetz mit der Chance auf das Sozialpartnermodell in Kraft trat. Der Slogan lautet „Fachdialog zur Stärkung der Betriebsrente“, ausgelöst vom Bundes­arbeitsministerium (BMAS). Damit sollen viele Hürden abgebaut und endlich eine breitere bAV-Marktdurchdringung als rund 50 Prozent in der Privatwirtschaft erreicht werden, gab BMAS-Staatssekretär Rolf Schmachtenberg die Parole aus (siehe Ausgabe 12/2022).

Alle maßgeblichen Akteure konnten dazu auf Punkte aufmerksam machen, die aus ihrer Sicht geändert gehören. „Inzwischen sind ­alle Stellungnahmen eingegangen“, bestätigte Peter Görgen, BMAS-Referatsleiter Zusätzliche Altersvorsorge, im November auf der bAV-Handelsblatt-Tagung. Nach Sichtung der rund 300 Seiten starken Unterlagen von 25 Akteuren soll es bis in den Februar hinein Gespräche in kleineren Kreisen geben, bis März speziell mit den Sozialpartnern. „Am Ende folgt eine große Runde in Berlin, in der BMAS und BMF die Ergebnisse des Fachdialogs zusammenfassen und das weitere Vorgehen skizzieren“, blickte Görgen Anfang Januar 2023 voraus. Im späten Frühjahr folgt im Idealfall der Start des Gesetzgebungsverfahrens. Drei Bereiche stehen beim Fach­dialog im Blickpunkt, wie schon berichtet: Arbeitsrecht, Finanzaufsichtsrecht und Steuerrecht.

Konkret hat zum Beispiel das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS) – Zweigverein der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) – zum Fachdialog drei maßgebliche Ziele vorgeschlagen. Erstens müssten junge ­Menschen im Interesse der Generationengerechtigkeit wieder die Perspektive auf eine attraktive bAV erhalten. Dazu sollte Arbeit­gebern grundsätzlich erlaubt werden, überdurchschnittlich hohe Betriebsrenten nicht mehr in voller Höhe an die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes anzupassen, wie es bei unmittelbar ­zugesagten Versorgungsleistungen derzeit allgemein üblich ist. Im Gegenzug müssten Arbeitgeber die freiwerdenden Mittel den ­Anwärtern mit in der Regel deutlich niedrigeren bAV-Erwartungen zugutekommen lassen. „Ziel ist nicht, dass Arbeitgeber dadurch Mittel einsparen, sondern dass sie unter Wahrung ihres Dotierungsrahmens eine Umverteilung der Finanzierungsmittel zugunsten der aktiven Arbeitnehmer vornehmen können“, betont IVS-Vorstandschef Dr. Friedemann Lucius. „Diese Umverteilung kann einen konkreten Beitrag zu mehr Generationengerechtigkeit in der bAV leisten“, so Lucius weiter.

IVS für mehr Verlusttoleranz

Zweitens bräuchten Arbeitgeber Planbarkeit und müssten angesichts der großen Zeiträume, um die es in der bAV geht, gleichzeitig flexibel bleiben können, um besser auf Unvorhergesehenes zu reagieren. Dazu gehört laut IVS, den Risikoträgern im Bereich der versicherungsförmigen bAV eine sachwertorientiertere Kapital­anlage ohne zusätzlichen Kapitaleinsatz zu ermöglichen, indem Wertverluste aufgrund von Kapitalmarktschwankungen in ­stärkerem Umfang als bisher zugelassen werden. „Dazu muss mit aktuariellen Methoden nachgewiesen werden, dass etwaige Buchwertverluste über die Zeit mit hinreichender Sicherheit wieder ­aufgeholt werden können“, sagt Lucius. Dies könne in der bAV deutlich weniger restriktiv beantwortet werden als bisher erlaubt. Denn Versorgungsverpflichtungen wickeln sich erst über Jahrzehnte ab.

Es sei nicht zielführend, wenn Buchwertverluste, die sich im Zeitablauf mit hoher Sicherheit wieder ausgleichen, abgeschrieben werden müssen beziehungsweise verlustreiche Umschichtungen in der Kapitalanlage auslösen, durch die künftige Ertragschancen verbaut werden. Bislang laufe es stets auf eine risikoarme und ­insofern relativ ertragsschwache Kapitalanlage hinaus. „Das ist kontraproduktiv, davon müssen wir weg“, so Lucius. Die Fähigkeit zur Wertaufholung über die Zeit muss daher sowohl als Risiko­puffer wie auch als Maßstab zur Beurteilung der Frage einer dauerhaften Wertminderung anerkannt werden, fordert das IVS.

Drittens sei in der bAV in diesem Zusammenhang eine Kapital­anlage mit größeren Renditechancen bei Bestands- wie bei Neuzusagen notwendig. Nur so ist der gesteigerten Inflation und damit dem negativen Realzins, mit denen wir es auf absehbare Zeit zu tun haben werden, wirksam zu begegnen, stellt das IVS klar. ­Erneut wird daher die Forderung erhoben, das garantierte Mindestniveaus für die Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) abzusenken. „Nur eine Mindestleistung deutlich unter 100 Prozent des Beitragserhalts ermöglicht eine sachwertorientierte Kapitalanlage und ­damit die Chance auf höhere Renditen“, argumentiert Lucius. In Zeiten anhaltender negativer Realzinsen lasse sich nur auf diese Weise ein attraktives Leistungsniveau darstellen, ohne die Beiträge drastisch anheben zu müssen.

Fachdialog könnte im „Gesprächskreis bAV“ münden

Die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba) hat sich gleich mit einem 58-Seiten-Paket an Vorschlägen eingebracht (siehe Ausgabe 12/2022). Grundsätzlich erinnert man an den eigenen Vorschlag von 2011, einen dauerhaften „Gesprächskreis bAV“ einzurichten, in dem die zuständigen Ministerien (BMAS, BMF, BMJ), Sozialpartner und Betriebsrentenexperten ­gemeinsam nach Wegen des bAV-Ausbaus suchen und so den ­Gesetzgeber kontinuierlich in wichtigen Fragen beraten. „Wir ­würden es sehr begrüßen, wenn der jetzige Fachdialog in einen ­solchen ‚Gesprächskreis bAV‘ münden würde“, hofft Aba-­Geschäftsführer Klaus Stiefermann. Zugleich müsse die „Kannibalisierung der bAV durch jegliche Art von Staatsfonds unterbleiben“. Zum Arbeitsrecht wiederum schlägt die Aba neben der Erlaubnis einer Garantie unter 100 Prozent für die Beitragszusage mit Mindestleistung und mehr Generationengerechtigkeit ­insbesondere vor, die Rentabilität durch Entbürokratisierung zu erhöhen. ­Arbeitnehmer könnten mit der bAV von der Nachfragemacht des Arbeitgebers, kostengünstigen Strukturen und dem Risiko­ausgleich im Kollektiv so profitieren, wie es ein Einzelner nicht schaffe. Bürokratische Lasten, wie das im Nachweisgesetz erhärtete Schriftformgebot, erhöhen die Kosten ohne jeden Nutzen (siehe Ausgabe 09/2022). „Daher sollte das Schriftformerfordernis durch ein Textformerfordernis ersetzt werden, damit Arbeitgeber den umfangreichen Nachweispflichten wieder elektronisch nachkommen können“, sagt Stiefermann.

Rechtsunsicherheit besteht laut der Arbeitsgemeinschaft für ­betriebliche Altersversorgung immer noch in vielen Fällen, in ­denen Arbeitgeber schon lange vor der gesetzlichen Regelung ­Zuschüsse zur Entgeltumwandlung geleistet haben. Es sollte klargestellt werden, dass in diesen Fällen eine Anrechnung des bereits bestehenden Versprechens, einen Zuschuss zu zahlen, auf die ­gesetzliche Zuschusspflicht stattfinden kann, so die Aba. Zur ­Verbesserung der Portabilität vorhandener bAV-Verträge bei ­Wechsel des Arbeitgebers regt die Aba an, auch bei Unter­stützungskassen die Übertragung der Zusage an den Folgearbeitgeber oder eine private Weiterführung durch den Arbeitnehmer zu erlauben.

Auch die Lebensversicherer haben sich in den Fachdialog eingebracht. Änderungen sollten aus Sicht der Branche insbesondere in drei Punkten erfolgen: Erstens wird ebenfalls verlangt, das garantierte Mindestniveau für die Beitragszusage mit Mindestleistung abzusenken. Flexiblere Garantieanforderungen würden die Freiheit in der Kapitalanlage verbessern und die BZML für die Praxis wieder nutzbar machen. Die Regelungen zur beitragsorientierten Leistungszusage (BoLZ) seien dagegen „bereits sehr gut austariert, sodass kein Änderungsbedarf besteht“, heißt es in der Stellungnahme des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft. Zweitens sollte die Geringverdienerförderung (Paragraf 100 EStG) durch Dynamisierung der Verdienstgrenzen sowie der Förderhöhe weiter gestärkt werden.

Drittens plädieren die Versicherer für eine automatische Entgeltumwandlung. Der Weg: Auch ohne Tarifvertrag sollte künftig ein freiwilliges Opting-out-Modell ermöglicht werden. Letzteres lehnt die Aba, die bei allen Gesprächsrunden des Fachdialogs dabei ist, zumindest als staatliche Vorschrift ab und fordert zudem für betriebliches Opt-out mehr Rechtssicherheit und Teilnahmechancen nicht nur für neue Mitarbeiter. „Das bessere Opt-out ist die Arbeitgeberfinanzierung für alle“, bringt es Dr. Henriette Meissner auf den Punkt. In diesem Sinne sollte der Gesetzgeber gezielt Arbeit­geberfinanzierung und Matching-Modelle (Entgeltumwandlung plus Zuschuss des Arbeitgebers) steuerlich fördern, so die bAV-Chefin der Stuttgarter.

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