Recht, Steuer & IT
31. Mai 2011

BDO: Solvency II führt zu personellen Engpässen

Das sagt Thomas Volkmer, Versicherungsexperte bei dem Wirtschaftsprüfer. 

KÖLN – Die Umsetzung von Solvency II wird, sollte es keine wesentlichen Veränderungen mehr am Regelwerk geben, aller Voraussicht nach zu personellen Engpässen beziehungsweise zum Überdenken der Personalressourcen bei etlichen Versicherern führen.

Davon ist Thomas Volkmer, Leiter des Branchencenters Versicherungen der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am Standort Köln überzeugt. „Die Komplexität von Solvency II, gerade in der Steuerung der eigenen Risikoposition im Verhältnis zu den aufsichtsrechtlichen Eigenmitteln, ist im Laufe der Zeit so gestiegen, dass viele Versicherer das Regelwerk nicht mehr vernünftig handhaben können“, sagte Volkmer im Gespräch.

Die großen Marktteilnehmer, die IFRS-Abschlüsse anfertigen und eine umfangreiche Risikoberichterstattung besitzen, seien eher in der Lage, die neuen Aufgaben nach Solvency II in ihre Arbeitsabläufe zu integrieren. „Für die kleineren und mittleren Versicherer entsteht jedoch ein kaum zu bewältigender, exorbitanter zusätzlicher Aufwand, der möglicherweise mit Boardmitteln nicht mehr zu bewältigen ist“, fügte der BDO-Versicherungsexperte hinzu.

Wie viele andere Branchenexperten sieht Volkmer Probleme bei der Anwendung des Standardmodells, wozu vor allem kleine und mittlere Versicherer gezwungen sind, da sie kein eigenes internes Modell entwickeln können. „Die Anwender des Standardmodells sind höheren Kapitalanforderungen ausgesetzt, weil Risiken pauschal und nicht entsprechend der individuellen Risikodisposition bewertet werden.

Volkmer beschreibt diesen Effekt am Beispiel der Immobilienanlage. „Bei der Risikokapitalhinterlegung von Immobilien spielt es nach derzeitiger Kalibrierung keine Rolle, wo diese sich befinden. Ganz gleich, ob in der Frankfurter Innenstadt mit sichereren Renditen oder in vergleichsweise risikoträchtigeren Investitionsstandorten, wie zum Beispiel in Osteuropa, der Versicherer muss jeweils das gleiche Risikokapital vorhalten“, sagte er.

_Versicherer dürften sich vor Aktien und Immobilien scheuen

Das hat seiner Auffassung nach Konsequenzen für die Kapitalanlage. Wenn ein Versicherer ohnehin schon eine geringe Solvabilitätsquote besitze, werde er sich weiter aus Aktien und Immobilien zurückziehen, weil diese Assetklassen eine vergleichsweise hohe Unterlegung mit Eigenmitteln erfordern.

So rechnet Volkmer damit, dass etliche Versicherer zum Beispiel ihre Engagements in Immobilienspezialfonds künftig reduzieren werden. Diese Umschichtungen innerhalb der Kapitalanlage stehen im Widerspruch zur Situation vieler Versicherungsgesellschaften. „Die Lebensversicherer mit ihren langfristigen Garantien, die teilweise über mehr als 30 Jahre gewährt werden, müssten aufgrund der derzeitigen Zinsniveaus eigentlich risikobehaftetere Investments ihrem Kapitalanlageportfolio beimischen, weil sie allein mit den gegenwärtigen sicheren Kapitalmarktzinsen festverzinslicher Titel die nötigen Erträge nur schwerlich erwirtschaften können.“

Lebensversicherer mit einer starken Ausrichtung auf Risiko- oder fondsgebundene Verträge seien von den gestiegenen Eigenkapitalanforderungen nach Solvency II allerdings weniger stark betroffen als Anbieter von klassischen LV-Policen mit Garantien und Zinsänderungsrisiken.

Verbesserungen erwartet Volkmer für die Schaden- und Unfallversicherer, die ohnehin schon eine vergleichsweise gute Solvenzkapitalausstattung besitzen: „Deutsche Versicherer verfügen über eine Schwankungsrückstellung, die nach den bisherigen Kriterien den Eigenmitteln nicht zugerechnet werden konnte. Allein aufgrund deren zukünftigen Einbeziehung ergibt sich eine Stärkung der Eigenmittel und eine Verbesserung der Solvabilität.“

Nachdem vor allem kleine und mittlere Versicherer Kritik an der Komplexität von Solvency II geäußert haben, erwartet er zwar Änderungen im Detail, aber nicht an den Grundsätzen. „Die Auslegung des Proportionalitätsprinzips, wonach die Komplexität der Art und dem Umfang der Risiken eines Versicherer angemessen sein muss, könnte noch einige Entlastung bringen, weil die Anforderungen von Fall zu Fall reduziert werden. Die deutschen Lebensversicherer bleiben aber wegen ihres speziellen Geschäftsmodells in besonderer Form betroffen“, prognostiziert der BDO-Versicherungsexperte.

Daher kann er sich vorstellen, dass es in den Versicherungskonzernen eine Konzentration auf wenige Rechtsträger gibt, um durch Verschmelzungen die Komplexität zu verringern. Außerdem erwartet er bei weiteren kleinen Versicherern, dass sie das Neugeschäft einstellen („Run-Off“) oder sich von bestimmten Risiken, mit hohen Eigenkapitalanforderungen, trennen. „Solvency II wird der Konsolidierung neue Impulse verleihen“, ist Volkmer sich sicher. Er verweist zudem darauf, dass künftig die Solvabilität öffentlich ausgewiesen werden muss und damit die Markttransparenz der Säule 3 zu einer stärkeren Vergleichbarkeit mit entsprechenden Folgen für den Wettbewerb führt.

Vor allem in der Säule 3 gibt es seiner Meinung nach noch deutlichen Nachholbedarf. Zu den neuen aufsichtsrechtlichen Anforderungen aus diesem Teil von Solvency II gehören beispielsweise eigenständige Berichtspflichten gegenüber der Aufsicht und den Stakeholdern, die konsistente und aggregierte Informationen innerhalb des Reportings erfordern und hohe Anforderungen an die IT-Systeme der Versicherer stellen.

portfolio institutionell newsflash 01.06.2011/kmo/jan

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