Recht, Steuer & IT
3. Februar 2014

Beklagte Verkehrsbetriebe zerren Anwälte vor Gericht

Die Berliner Verkehrsbetriebe haben sich mit Kreditderivaten verspekuliert. Vor Gericht streitet das Unternehmen gegen JP Morgan und hat dabei auch die Rechtsanwälte von Clifford Chance im Visier.

Die verhängnisvolle Transaktion liegt schon einige Jahre zurück. Mit Hilfe sogenannter Cross-Border-Leasing-Geschäfte hatten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die in der Bundeshauptstadt fast alle U-Bahnen, Straßenbahnen und Bus-Linien betreiben, von 1997 bis 2002 neue Fahrzeuge finanziert. Nach Angaben der Legal Tribune verkauften die Berliner diese an US-Investoren, um sie im Gegenzug zurück zu mieten. Um die Risiken aus diesem Geschäft zu reduzieren, ließen sich die BVG auf eine Transaktion mit Kreditderivaten ein, die als Sicherheiten gedacht waren. 2007 übernahm das Unternehmen von JP Morgan ein Portfolio mit Collateralised Debt Obligations (CDO) im Volumen von 157 Millionen Euro. 
Das Geschäft entpuppte sich aber als Flop, woraufhin die Berliner fällige Zahlungen an JP Morgan verweigerten. Vor einem Londoner Gericht verklagt die Bank die BVG bereits seit 2008 auf Zahlung der ausstehenden Millionen. Allerdings ist die BVG nicht nur Beklagter, sondern tritt selbst als Kläger auf. Denn das Gericht verhandelt auch die Ansprüche der BVG gegen die Kanzlei Clifford Chance. Hier geht es einerseits um die Frage, wer im Rahmen der CDO-Transaktion und einer von Clifford Chance abgegebenen Legal Opinion Mandant der Kanzlei war – JP Morgan oder die BVG. Die BVG sind der Auffassung, Mandant von Clifford Chance gewesen zu sein. Außerdem sehen sich die BVG nicht umfangreich genug über Rechtsrisiken aufgeklärt. 
Verkehrsbetriebe fühlen sich getäuscht
Nach Angaben von Juve.de, einem auf Nachrichten aus der Welt der Wirtschaftsanwälte spezialisierten Portal, erhebt die Verkehrsgesellschaft schwere Vorwürfe gegen Clifford Chance. So fühlen sich die Berliner von den deutschen Anwälten über die Risiken des CDO-Geschäfts und über das Bestehen eines Mandatsverhältnisses getäuscht. Die BVG stützt sich bei ihren Vorwürfen auf Telefonmitschnitte zwischen den beteiligten Clifford-Anwälten um den Frankfurter Partner Dr. Marc Benzler und den Bankern von JP Morgan. Sie sollen Anhaltspunkte liefern, dass den Juristen durchaus bewusst war, dass die BVG glaubten, direkter Mandant von Clifford Chance zu sein. Die Kanzlei habe aber gezielt nicht auf dieses Missverständnis hingewiesen, argumentieren die Verkehrsbetriebe. Laut Juve.de wunderten sich die BVG, dass auf einer Rechnung von Clifford Chance JP Morgan als Leistungsempfänger benannt wurde. Auf Nachfrage hätten die Anwälte und Banker aber die Bedenken eines BVG-Mitarbeiter zerstreut. 
Die Kanzlei wiederum sieht sich zu Unrecht beschuldigt und schreibt in einer Stellungnahme: „Die von uns abgegebene Legal Opinion wies in ihrer Einleitung ausdrücklich darauf hin, dass JP Morgan unser Mandant war und BVG nur der Kunde von JP Morgan, an den die Legal Opinion als Dritter gerichtet war. Das wurde von BVG damals verstanden und akzeptiert.“ Die BVG zweifelt heute an ihrem Verständnis für die Transaktion. In ihrer Verteidigungsschrift bezeichnen sie sich als „naiv in Bezug auf komplexe Finanzderivate“. Auch läge der Abschluss einer CDO-Finanztransaktion außerhalb des Ermessensspielraums eines öffentlichen Transportunternehmens wie der BVG und sei damit nichtig. Das sollen die Clifford-Anwälte auch erkannt, aber verschwiegen haben, weil sie als Berater von JP Morgan deren Interessen verfolgt hätten. 
Kreditderivate für Bahnbetreiber
In den mitgeschnittenen Telefongesprächen zwischen Clifford-Anwalt Benzler und den Protagonisten bei JP Morgan soll der Jurist den BVG-Finanzexperten als „nicht kompetent“ das Geschäft zu verstehen bezeichnet haben. Zudem sei die Transaktion „unüblich für solch ein staatliches Unternehmen“. Ein Hinweis hierauf sei aber „nicht Teil unseres Mandats oder unserer Beratung“. Man werde das „reduzieren auf eine total schematische Kernaussage, dass die Verträge, die uns präsentiert wurden, handwerklich korrekt sind“. Konfrontiert mit diesen Vorwürfen argumentiert Clifford Chance: „Die Legal Opinion hat ausdrücklich klargestellt, dass sie nur bestimmte Fragen behandeln würde und andere nicht. Auch diese wurde von BVG verstanden und akzeptiert“, zitiert Juve ein Schreiben der Kanzlei. 
Das Verfahren gilt als Präzedenzfall für ähnlich gelagerte Streitfälle zwischen internationalen Banken und deutschen Kommunen sowie deren Tochtergesellschaften. Bei dem Prozess, der nach einem Grundsatzentscheid des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2011 nicht im Heimatland des Angeklagten, sondern in London verhandelt wird, sind 40 Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil wird vermutlich erst im Sommer gefällt werden. 
portfolio institutionell newsflash 03.02.2014/Tobias Bürger
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