Immobilien
13. Februar 2023

Betreutes und gefördertes Wohnen bieten auch Investoren Unterschlupf

Auch am Markt für Pflegeimmobilien sinken Kaufpreise, während Betreiberrisiken steigen. Eine weitere Nische bietet das Segment gefördertes Wohnen. Förderprogramme der Länder und ­Kommunen bieten günstige Zinsen deutlich unter Marktniveau.

Das Jahr 2022 mit seinen Verwerfungen an den Kapitalmärkten und rasant steigenden Zinsen hinterlässt auch Immobilienanleger nicht ohne Blessuren. Investoren suchen deshalb nach Nischensegmenten, die sich in der Krise als resilient erweisen. Gestiegene Baukosten, ein massiver Anstieg der Finanzierungskosten und ­dadurch bedingt ausbleibende Transaktionen kennzeichneten ­jedoch auch das vergangene Jahr am Gesundheitsimmobilienmarkt, der den Immobiliendienstleistern Savills und CBRE zufolge neben Ärztehäusern und Kliniken auch Pflegeimmobilien mit ­einschließt. Das Transaktionsvolumen schrumpfte in 2022 Savills und CBRE zufolge um 33 ­respektive 35 Prozent auf 2,3 respektive 2,4 Milliarden Euro. Investoren warten auch hier ab, wie sich die Kaufpreise­ und damit Renditen in naher Zukunft entwickeln.

Sowohl bei Pflegeimmobilien als auch bei betreutem Wohnen ­werden Marktexperten zufolge die Preise nachgeben oder tun dies schon. Zu Renditen und Kaufpreisfaktoren diskutierten die ­Gesprächsteilnehmer einer Online-Pressekonferenz Mitte Januar zum Thema: „Quo vadis Senioren- und Gesundheitsimmobilienmarkt?“, die von PB3C organisiert wurde. Während CBRE für ­Pflegeimmobilien von einer im Vergleich zum Vorjahr um einen halben Prozentpunkt ­gestiegenen Spitzenrendite von 4,4 Prozent ausgeht, widersprachen andere Teilnehmer der Konferenz dieser Schätzung. „Eine solche Spitzenrendite sehe ich auf dem Markt überhaupt nicht“, sagte Nikolai Schmidt, Managing Director ­Transaction Health Care bei Swiss Life Asset Managers. Wegen der Vervierfachung der ­Finanzierungskosten, die auch über eine ­Indexierung der Pachtverträge schwer aus­zugleichen sei, da viele Betreiber zur Leistung ­dieser Überkompensation derzeit nicht in der Lage seien, bewegten sich die Kaufpreis­faktoren bereits um fünf bis sechs Faktoren nach unten. „Und dies, obwohl unsere ­Investoren in ihren Renditeanforderungen bereits um 100 Basispunkte nach unten gegangen sind. Das heißt, wir ­liegen aktuell bei Ankaufs­faktoren vom 16,5- und 19fachen. Alles, was darüber ­hinaus geht, ist einfach nicht möglich“, so Schmidt.

Nicht „in fallendes Messer greifen“

Auch Jens Nagel, Geschäftsführer der schwedischen Immobiliengesellschaft Hemsö in Deutschland, glaubt, dass Kaufpreise für ­Pflegeimmobilien im Bestand in Deutschland weiter sinken ­werden, so wie es in Finnland und Schweden teilweise schon ­geschehen sei. „Es waren noch nicht ansatzweise so viele Bestands­objekte jemals auf dem Markt wie derzeit. Und was in 2023 passieren­ wird und auch schon in 2022 teilweise passiert ist: Der Verkäufer­markt ist zum Käufermarkt geworden.“ Kaufpreise, die das 18fache überstiegen, sind Nagel zufolge kaum noch möglich. Er verwies auf die Zurückhaltung der Investoren, die die jährlichen Bewertungen im Blick haben müssten und daher scheuten, „in ein fallendes Messer zu greifen“. Das Risiko weiter fallender Kaufpreisfaktoren und in der Folge sinkender Bewertungen in den ­Folgejahren eines Kaufs wollten viele Investoren zu Recht nicht in Kauf nehmen. Bei Projektentwicklern sei es dagegen kaum noch möglich, für das 20fache ein Pflegeheim zu bauen und noch eine Marge zu verdienen. Gerald Klinck, seit 2022 Chief Executive ­Officer von dem Projektentwickler und Spezialisten für stationäre Pflegeimmobilien Cureus, schätzte zum Beispiel einen Abschlag von zehn Prozent auf Multiples vom 26fachen als ­realistisch ein. Aktuell kämpften viele Betreiber mit gestiegenen Personalkosten, hohen Energiekosten und dem Fachkräftemangel. Viele Beschäftigte, die der Pflege einmal den Rücken kehrten, ­kämen nicht wieder zurück, so Nagel von Hemsö. „Das ist eine Analogie zur Gastronomie-Branche nach der Pandemie.“ Und so erwarteten die Experten der Online-Konferenz, dass Insolvenzen­ der Betreiber und auch der kleineren, privaten ­Eigentümer von Pflegeheimen zunehmen könnten, ­sollte die Politik nicht gegensteuern. Auch bei Core-­Neubauten werden die Preise nachgeben. „Die Kaufpreisrallye ist vorbei“, schreibt zum Beispiel auch das auf Pflege­immobilien ­spezialisierte Makler- und Beratungshaus Terranus. Die Kaufpreisfaktoren, die bei Core-Neubauobjekten Ende 2021 noch bei über dem 25fachen lagen, würden heute fünf bis zehn Prozent günstiger gehandelt als noch im Vorjahr. Terranus-­Geschäftsführer Markus Bienentreu: „Wir sehen zunehmend ­Preisabschläge, im betreuten Wohnen etwas weniger stark als bei Pflegeheimen.“ Er rechnet hier jedoch nicht mit weiteren starken Preisabschlägen: „Ich erwarte nur noch moderate Abschläge.­ Die kommenden, zu erwartenden Zinssteigerungen hat der Markt ­bereits weitgehend eingepreist.“ Als Hedge gegen den Preisverfall sieht Bienentreu vor allem drei Faktoren: „Stimmen Standort, Konzept und der Mietpreis, ist das Betreiber­risiko als unter­geordnet anzusehen, denn dann finden Sie notfalls auch ­wieder einen ­neuen Betreiber, der einspringt.“ Vor ­allem Innenstadtlagen mit guter Verkehrsanbindung und Objekte mit gutem energetischem Zustand versprächen Werthaltigkeit. ­

Investoren wenden sich derweil dem noch kleinen Segment des ­betreuten Wohnens zu. „Betreutes Wohnen ist ein weites Feld“, weiß Bienentreu. Es reiche von barrierefreien Wohnungen mit niederschwelligen Unterstützungsleistungen bis hin zu Mischformen zwischen stationärer Pflege und Wohnen. In Misch­formen aus stationärer Pflege, betreutem Wohnen mit ambulanten ­Angeboten von Pflegediensten und Physiotherapeuten investiert zum Beispiel die Real Blue als nachhaltige Kapitalverwaltungs­gesellschaft mit ­ihrem Immobilienfonds Senior Living, einem Artikel­-8-Fonds nach Offenlegungsverordnung. Die 2021 gegründete ­Tochtergesellschaft des Immobilienberaters Drees&Sommer aus Stuttgart legt den ­Fokus hierbei auf Objekte mit Single-­Tennant-Konstellationen, bei denen ein Betreiber die verschiedenen ­Angebote im Haus bündelt, wie die stationären Plätze, das ­betreute Wohnen oder die Tages­pflege. Zugleich sei beim betreuten ­Wohnen die Regulatorik ­weniger streng als nach den 16 Landesheimgesetzen, die für ­klassische Pflegeheime gelten. „Die Klientel ist eine ­andere, ­perspektivisch zielen wir auf Bewohner ab 65 plus, deren Kinder ausgezogen sind und die mit eventuellem leichten Pflegebedarf selbstbestimmt ein heimatnahes Umfeld suchen“, so ­Michael ­Eisenmann, Geschäftsführer Portfoliomanagement & Konzeption, von Real Blue. Er beobachtet bei Neubauprojekten Kaufpreis­faktoren, die bei wohnnahen Konzepten etwas höher ­liegen als die von klassischen Pflegeheimen. „Unsere Spannbreite liegt im Neubaubereich bei integrierten Konzepten je nach Objekt zwischen dem 22fachen und 27fachen.“ Das Angebot sei limitiert und der Markt erwartbar ­resilient. Die Real Blue zielt hier auf ­Immobilien mit hohen energetischen Standards ab. „Unser Primärziel als ­Artikel-8-Fonds ist die Energetik, der Carbon ­Footprint geht mit den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens konform. Als ­Sekundärziel verfolgen wir das soziale Ziel der ­Teilhabe“, erläutert Prof. Dr. Robert Göötz, Real-Blue-Geschäfts­führer für den Bereich Risikomanagement & Organisation. „Wir zielen hier auf absolute Barrierefreiheit und Innenstadt-nahe ­Lagen ab, die eine Teilhabe der Senioren am öffentlichen Leben ­ermöglichen.“

Mietpreisgebundener Wohnraum wird attraktiver

Durch günstige Finanzierungskonditionen der Förderprogramme der Länder und Kommunen könnte ein weiteres Nischensegment an Attraktivität gewinnen: das geförderte ­Wohnen. So hat die Industria Wohnen GmbH Ende 2022 eine Studie ­veröffentlicht, die Bulwiengesa in ihrem Auftrag zum Segment des geförderten Wohnungsbaus durchgeführt hat. Die Studie gibt ­einen Überblick über den Markt und zeigt Förderbeispiele aus den verschiedenen Bundesländern. Demzufolge sind nach Kosten und Leverage und mit entsprechenden Förderprogrammen ­Ausschüttungsrenditen von bis zu vier Prozent möglich. Je nach Bundesland gibt es zinsvergünstigte Darlehen von unter einem Prozent Verzinsung und/oder Tilgungszuschüsse von 17 bis 30 Prozent. „Die Förderlandschaft verlangt Investoren ­einiges ab. Es gibt, grob geschätzt, etwa 150 ­verschiedene Förderprogramme der Länder, Kommunen und ­Regionen“, berichtet ­Arnaud Ahlborn, Geschäftsführer von ­Industria, die selbst ­Mischkonzepte mit teilweise hohem Anteil an gefördertem Wohnraum umsetzt, in Einzelfällen sogar Objekte mit ausschließlich geförderten Wohnungen baut. „Die Investoren ­fragen das auch aus ESG-Gründen zunehmend nach.“ Die Förder­bedingungen ­unterschieden sich je nach Bundesland auch stark und so ziehe es Investoren häufiger nach Bayern oder Baden-Württemberg, wo die Bedingungen für Investoren günstiger seien als zum Beispiel in die Stadt Frankfurt, die für gefördertes Wohnen ­einen Passivhausstandard voraussetzt. „Hier hat Frankfurt die ­große Wunschliste ausgepackt und fordert den höchsten energetischen Standard für preisgemindertes Wohnen. Wie sich das für ­Investoren rechnen soll, ist mindestens fraglich“, so Ahlborn. Er beobachtet, dass ­Anleger auch wieder Interesse an 100 Prozent ­gefördertem ­Wohnen hätten, was vor sechs, sieben Jahren noch nicht denkbar gewesen sei. Die Mietpreisbindungen können je nach Land und ­Förderprogramm unterschiedlich ausfallen. Nach dem Gesetz über die Wohnraumförderung in Bayern zum Beispiel endet die Bindung jedoch spätestens nach dem zehnten Kalenderjahr nach der Rückzahlung des Darlehens. Für ­Investoren ist ­wichtig zu wissen, dass es keine staatlichen Mietausfallgarantien gibt. In manchen Fällen gebe die Kommune sogar vor, welche ­Mieter ­einziehen dürfen. Für institutionelle Anleger sei daher die freie Mieter­auswahl ein wichtiges Kriterium, so Ahlborn.

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