Pension Management
25. Oktober 2023

Betriebsrente mit wachsender Konkurrenz bei Benefits

Die bAV zeigt sich in den großen und mittleren Unternehmen ­robust, bekommt aber zunehmend Konkurrenz durch andere Zusatzleistungen. Neue Studien zeigen, dass sich Arbeitgeber zur Mitarbeiterbindung inzwischen breiter aufstellen.

Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Das gilt auch für kreative Benefits von Arbeitgebern. Deren Umfang gewinnt für die Fachkräftebindung weiter an Gewicht. Für 85 Prozent der Unternehmen steht die Bindung von Fachkräften im Fokus der Benefits-Strategie, bei der die Betriebsrente naturgemäß hoch im Kurs steht, aber längst nicht allein. Das zeigt die Benefits-Trends-Studie des HR- und Risikoberaters WTW, der dazu im Frühjahr über 5.200 Unternehmen in 95 Ländern befragt hat (Status quo, Effizienz, Ausrichtung und Planung für die kommenden zwei Jahre), darunter­ 100 Unternehmen mit insgesamt rund einer Million ­Mitarbeitern in Deutschland. Knapp die Hälfte der Unternehmen (47 Prozent) erwartet allerdings, dass die Inflation einen wesentlichen Einfluss auf ihre Benefits-Budgets hat. Das Benefits-Angebot wächst also nicht automatisch immer weiter, sondern muss ­zunächst auch verdient werden. Die angespannte Wirtschaftslage bringt Unternehmen laut WTW in ein Dilemma: Einerseits müssten sie Kosten sparen, andererseits möchten sie ihr Benefits-Angebot weiterentwickeln, um Talente zu binden und zu halten. Bei der Optimierung setzen Unternehmen vor allem auf Programme, die flexible Arbeitsregelungen (66 Prozent) sowie die Entwicklung und Karriere (46 Prozent) ihrer Mitarbeiter fördern. Für 38 Prozent der Arbeitgeber sei auch die Altersvorsorge ein wichtiger Aspekt – ein überraschend niedriger Wert. Über die Gründe ist in der Studie ­wenig zu erfahren: Fast vier von zehn Unternehmen haben ­demnach Maßnahmen ergriffen, um die Risiken bei ihren Pensions­plänen zu verringern. Die Lage in Deutschland wird nicht explizit ­ausgewiesen. International gibt es offenbar widerstreitende ­Tendenzen: Immerhin sehen 52 Prozent der Arbeitnehmer in der bAV ein Top-Benefit. Allerdings schätzen 58 Prozent der Firmen die Effektivität ihrer aktuellen Benefits-Strategie als nur gering ein, sagt Nicoletta Blaschke, Head of Health and Benefits bei WTW. „Die Benefits-Programme sind heutzutage sehr heterogen. Daher ist eine analoge oder statische Kommunikation nicht zielführend“, sagt Blaschke. Der Trend gehe klar in Richtung digitaler Kommunikationswege, abgestimmt auf die Wünsche der Mitarbeiter. „Das ­ermöglicht eine effektive Erfolgsmessung“, so die Expertin.

Einen klareren Blick auf Deutschland gibt die Studie „Benefits und Employer Branding“ der HR-Strategieberatung Lurse, die alle drei Jahre erscheint, zuletzt im Dezember 2022. Sie liefert eine Übersicht der gefragtesten Zusatzleistungen von 59 Unternehmen aller Größenklassen. „Firmen werden zunehmend kreativ, wenn es um Benefits für ihre Mitarbeiter geht“, hat Studienautorin Elke Tausch, Senior Consultant bei Lurse, beobachtet. Das reiche vom Ladeplatz fürs Elektroauto über ein Netflix- oder ein Spotify-Abo und Bezahlung eines Personal-Trainers bis zur Möglichkeit, im Auslands-Homeoffice zu arbeiten. In Zeiten des Fachkräftemangels sind diversifizierte Formen der Wertschätzung besonders gefragt. Nahezu alle befragten Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern laut Lurse flexible Arbeitszeitmodelle an. Dabei gehören Teilzeitarbeit (100 Prozent für ­Angestellte) sowie Homeoffice (100 Prozent) zum Standard. In 54 Prozent der Firmen können Angestellte anteilig, also mit einer ­fest definierten Anzahl maximaler Tage, von zu Hause ­arbeiten. Die Benefits zu Urlaub und Arbeitszeitmodellen wurden im Vergleich in den vergangenen zwei Jahren am häufigsten ausgebaut, so Tausch. Das heißt aber nicht, dass die Firmen Basics bei den Benefits vernachlässigen wollten. So wird 100 Prozent der ­Angestellten eine ­Betriebsrente angeboten, aber etwas weniger (96 Prozent) den Mitgliedern der Geschäftsführung. Eine finanzielle AG-Beteiligung an der bAV bieten 63 Prozent für Angestellte und 67 Prozent für die Geschäftsführung. In Großunternehmen finden sich häufiger ­Matching-Pläne, in kleineren Firmen sind Arbeitnehmer-finanzierte­ Modelle stärker vertreten (siehe Grafik). Eine ­wichtige Zusatzleistung ist auch die Gehaltsfortzahlung bei Krankheit über die gesetzliche Sechs-Wochen-Frist hinaus. Da differenziert knapp ein Drittel der Unternehmen grundsätzlich zwischen den Mitarbeitergruppen – bei Angestellten nach Dauer der Gehaltsfortzahlung (46 Prozent; 2019: 30 Prozent), zudem nach Dauer nach der Betriebszugehörigkeit (24 Prozent; 2019: 20 Prozent). Bei den ­Benefits zur Absicherung der Mitarbeiter ist neben bAV und ­Gehaltsfortzahlung auch die Unfallversicherung weit verbreitet (58 Prozent für alle Mitarbeiter). Rund ein Viertel der Unternehmen hat weitere Versicherungsangebote eingeführt, etwa eine Pflege-, Berufsunfähigkeits- oder Krankenzusatzversicherung.

Am meisten bewegen sich die Arbeitgeber beim Angebot laut ­Lurse in den Bereichen Mobilität, Urlaub/Arbeitszeitmodelle, Gesundheit und Absicherung. Ein Beispiel: Der Düsseldorfer Henkel-Konzern führte für seine tariflich Beschäftigten 2021 ein flexibles und voll digitales Benefits-System ein. Die Beschäftigten können sich ihr Paket individuell zusammenstellen, organisiert über den Tarifvertrag „Moderne Arbeitswelt“. Jeder kann mit dem sogenannten Zukunftsbetrag des Unternehmens – derzeit 23 Prozent des ­persönlichen Monats­gehalts – eine Auswahl treffen. Per Auto-­Enrollment können ­Mitarbeiter 4,0 Prozent ihres Gehalts in Altersversorgung umwandeln. Über 80 Prozent stärken so ihre bAV.

Der Stellenwert der arbeitgeberfinanzierten bAV hatte Lurse ein Jahr zuvor in der Studie „Benchmark bAV“ thematisiert. Untersucht wurde diese in 55 großen und mittelständischen Unternehmen. Ergebnis: Die durchschnittliche bAV-Leistung der Firma für Sachbearbeiter beträgt nach 42 Jahren im Schnitt 4,8 Prozent des letzten Bruttoeinkommens, im Management 6,7 Prozent (nach 22 Jahren). „Für eine gute Absicherung müssten die Leistungen der arbeitgeberfinanzierten bAV mehr als verdoppelt werden“, ­relativiert Miroslaw Staniek, Managing Partner bei Lurse. Zur ­Ergänzung eigneten sich Matching-Pläne und Angebote zur ­Entgeltumwandlung mit Opting-out-Optionen.

Grafik: Arbeitgeberfinanzierte bAV nach Mitarbeitergruppen
Arbeitgeberfinanzierte bAV nach Mitarbeitergruppen

Immerhin: In 75 Prozent der Betriebe besteht ein Tarifvertrag mit Gültigkeit auch für die bAV, in knapp 13 Prozent ein Haustarifvertrag (siehe Ausgabe 9/2022). Die Wertschätzung tarifvertraglich ­geregelter bAV zeigt sich aktuell beim größten Branchenversorgungswerk Metallrente. Unter dem Dach von Tarifverträgen ­organisieren mehr als 52.000 Firmenkunden (+ 2.020) mit gut 907.000 Verträgen ihre bAV über die Metallrente (Stand: Ende 2022). Damit ist Metallrente erneut deutlich stärker gewachsen als der Gesamt­markt der versicherungsförmigen bAV (siehe Ausgabe 3/2023). „Wir organisieren aktuell mehr als jede 20. Direktversicherung in Deutschland“, sagt Geschäftsführer Hansjörg Müllerleile. Es sei ein unschlagbarer ­Benefit, als gemeinsames Versorgungswerk der Tarifparteien­ zu agieren und damit Arbeitgebern und ­Beschäftigten Orientierung in einem unübersichtlichen Markt zu geben. „Unsere Angebote übernehmen diese Leuchtturmfunktion über die Branchen der Metall- und Elektroindustrie hinaus“, betont Müllerleile. Reichlich acht Millionen Arbeitnehmer hätten bereits Zugang zur Metallrente.

Die bAV als maßgebliche Zusatzleistung zu stärken, ist Anliegen des „Fachdialogs zur Stärkung der Betriebsrente“ beim Bundesarbeitsministerium gewesen (siehe Ausgabe 4/2023). Dabei ging es vor allem um Erleichterungen in den Bereichen ­Arbeits-, Finanzaufsichts- und Steuerrecht. Der Fachdialog wurde Ende Juni abgeschlossen. „Die Ergebnisse werden derzeit noch ausgewertet“, heißt es aus dem Ministerium. Ob darauf ein gesetzgeberischer Wumms folgt, bleibt abzuwarten. Viele der diskutierten rechtlichen Probleme würden jedoch gar nicht angepackt, ist hinter vorgehaltener Hand aus Teilnehmerkreisen zu hören. Offen ist zudem, „ob es dazu einen eigenständigen Gesetzentwurf gibt oder die Ergebnisse eventuell im Rahmen anderer Gesetzentwürfe umgesetzt werden“, so das BMAS auf Nachfrage. Mit neuen Entwicklungen ist wohl ­allenfalls im Spätherbst zu rechnen.

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