Pension Management
15. Februar 2017

Betriebsrentenstärkungsgesetz: Experten sehen Chancen, aber Schwächen in der Ausgestaltung

Viele Fürs und Widers in der Bewertung der Gesetzesinitiative, zahlreiche Debatten auf einer Fachtagung der Pensions-Akademie.

Das für 2018 geplante Betriebsrentenstärkungsgesetz ist eine Chance für die dringend benötigte Weiterentwicklung und stärkere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) in Deutschland. Allerdings gilt es, die Potenziale zu erkennen und zu nutzen. Denn gleichzeitig sind noch viele Punkte des im Dezember 2016 verabschiedeten Gesetzentwurfs verbesserungswürdig beziehungsweise lassen Fragen für die Umsetzung offen. Dies war der Konsens der weiterführenden Fachtagung in Frankfurt am Main vergangene Woche zum Betriebsrentenstärkungsgesetz der Pensions-Akademie, einer laut Selbstbeschreibung Denkfabrik und Plattform der betrieblichen Altersversorgung (bAV).
In deren Rahmen haben über 100 Vertreter von Einrichtungen der bAV, Politik und Wissenschaft die Zukunft der bAV in Deutschland diskutiert. Im Mittelpunkt standen Auswirkungen und Anforderungen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes – einer von der Bundesregierung geplanten Reform der bAV. Damit verbunden sind umfassende Maßnahmen zur weiteren Verbreitung, die sich insbesondere an kleine und mittlere Unternehmen sowie Beschäftigte mit geringem Einkommen richten.
Referent Professor Dr. Oskar Goecke von der Technischen Hochschule Köln zufolge ist der Gesetzentwurf zum Betriebsrentenstärkungsgesetz insgesamt ein „Segen für die bAV“ in Deutschland. „Der Verzicht auf Garantien in der reinen Beitragszusage bietet Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Chance, eine faire und leistungsfähige bAV zu installieren“, so Professor Dr. Goecke in seinem Vortrag auf der Fachtagung der Pensions-Akademie. Auch sei ein kollektiver Risikoausgleich in der Anwartschafts- und Leistungsphase vorgesehen, wodurch die Kapitalanlage bei gleicher Sicherheit stärker renditeorientiert erfolgen könne. Andererseits lasse der Gesetzentwurf aber offen, wie dieser kollektive Risikoausgleich zu erfolgen habe. Goecke fügte hinzu: „Eine mögliche Schwäche ist, dass die geplanten kollektiven Elemente nur in der Gesetzesbegründung explizit genannt werden.“ Die Tarifparteien hätten seiner Ansicht nach deshalb einen großen Gestaltungsspielraum und eine große Verantwortung.
Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge Management GmbH, wies darauf hin, dass das bisherige Modell der bAV, über das viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer versorgt sind, bei allen Herausforderungen des neuen, sozialpartnerschaftlichen Modells nicht vernachlässigt werden dürfe. Eine weite Verbreitung der Betriebsrenten werde es durch eine Koexistenz der bAV-Modelle geben und es wäre kurzsichtig, nur „auf ein Pferd zu setzen“. In Richtung Politik forderte sie eine gesetzliche Senkung der Mindestgarantien auf 80 Prozent, damit auch in bestehenden Systemen wieder am Kapitalmarkt vernünftig angelegt werden könne. 
Kostenbenchmarking berücksichtigen 
Beim Betriebsrentenstärkungsgesetz vermisst Dr. Henriette Meissner einen regulatorischen Rahmen zum Thema „Kostenbenchmarking“. Das sei, wie das Beispiel der Niederlande zeige, Best Practice. Hier würden Möglichkeiten verschenkt, die neuen Sozialpartnermodelle so aufzusetzen, dass die Performance auch von der Kostenseite her verbessert würde. Bisher werde nur einseitig auf die Kapitalanlageseite fokussiert. Für die Gesamtperformance seien aber die Kosten und ein Kostenbenchmarking genauso wichtig. „Leider sind bei den geplanten neuen gesetzlichen Regelungen die positiven Entwicklungen hierzu im europäischen Ausland nicht berücksichtigt worden. Dabei könnte Deutschland beispielsweise wesentlich von den Regelungen in den Niederlanden zum Kostenbenchmarking lernen“, sagte Dr. Meissner. Sie forderte die Sozialpartner im neuen deutschen Modell auf, sich von Beginn an auf freiwilliger Basis des Themas „Kostenbenchmarking“ und dazu notwendiger standardisierter Reportings anzunehmen.
Bei allem Für und Wider in der Bewertung der Gesetzesinitiative seien insgesamt die Chancen für alle Beteiligten „gewaltig“, sagte Dr. Marco Arteaga, Partner der global tätigen Anwaltskanzlei DLA Piper und bAV-Gutachter der Bundesregierung. „Wir dürfen die Reform jetzt nicht zerreden“, fügte er hinzu. Auch aus gewerkschaftlicher Sicht sei das Betriebsrentenstärkungsgesetz – unabhängig von unbefriedigenden Detailregelungen – grundsätzlich zu begrüßen, sagte Michael Mostert von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) und ergänzte: „Es ist der vielleicht vorläufig letzte Versuch, durch Schaffung von Anreizen sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer doch noch auf freiwilliger Grundlage zu einer stärkeren Verbreitung der bAV zu führen.“
Auch wenn das Gesetz Mostert zufolge an vielen Stellen hinter dem „Wünschbaren“ zurückbleibt, biete es zahlreiche Verbesserungen, auch für die bereits bestehende bAV. Allerdings würde die Nutzung der neuen Förderinstrumente, vor allem der reinen Beitragszusage, eine intensive Kommunikation wegen der sich aus Arbeitnehmersicht gegebenenfalls ergebenen Risiken notwendig machen. 
Unterstützung erhielten Dr. Marco Arteaga und Michael Mostert von Frank G. Vogel, Vorstandsvorsitzender der Pensions-Akademie und Geschäftsleiter der deutschen Niederlassung der Kas Bank: „Der Gesetzentwurf liefert klare Impulse, die zu einer Verbreitung und Stärkung der betrieblichen Altersversorgung führen können. Es liegt jetzt an allen Experten und Beteiligten der bAV, diese Veränderungen als positive Entwicklung auch anzunehmen, zu nutzen und den Versorgungsberechtigten einfach und klar darzulegen.“ Bei der praktischen Umsetzung werde es zwar noch viele Stellschrauben geben, räumte Vogel ein. Das Ziel einer stärkeren und transparenten bAV solle dabei aber nicht aus den Augen verloren werden.
Neben den in der Gesetz-Umsetzung zentralen Themen, wie Transparenz und Kommunikation, sieht Vogel steigende Anforderungen in der Regulatorik und Governance und mahnte: „Unsere Tendenz, diese Veränderungen negativ zu bewerten, müssen wir ablegen.“ Deutschlands Nachbarländer, wie zum Beispiel der in Europa am weitesten entwickelte Pensionsmarkt Niederlande, hätten bereits gezeigt, dass auch positive Signale aus diesen Anforderungen resultieren können. 
portfolio institutionell newsflash 15.02.2017/Patrick Eisele
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