Schwarzer Schwan
10. Juli 2020

Blaues Gold, grüner Strom und rotes Tuch

Auf Moses Spuren

Ist Abiy Ahmed Ali die Reinkarnation von Moses? Auf jeden Fall ist er der Ministerpräsident von Äthiopien und als dieser will er mit dem Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm („Gerd“) das Wasser teilen. Zwar nicht das Rote Meer, sondern den Blauen Nil, die Ausmaße von Gerd sind aber auf jeden Fall biblisch. Bis zu 155 Meter hoch soll das Jahrhundertbauwerk werden und einen Stausee bilden, der dreimal so viel Wasser wie der Bodensee fasst. Die Nachbarn stromabwärts aus Ägypten sehen das Projekt sehr kritisch. Denn wenn „Moses“ Abiy das Wasser teilt, befürchten sie, dass auf ihrer Seite viel weniger Wasser sein wird. Schließlich ist Ägypten seit den Zeiten der Pharaonen darauf angewiesen, dass der Nil Wasser bringt und das Agrarland mit Nilschlamm überschwemmt und befruchtet. Und welch großer Eingriff ein Staudamm in die Natur ist, wissen die Ägypter dank des Assuan-Staudamms selbst am besten. Merke: Ein großer Staudamm ersetzt den Klimawandel!

Äthiopien will dagegen mit dem blauem Gold grünen Strom erzeugen. Bislang hat „Gerd“ aber nur politische Spannungen erzeugt. Verhandlungen über Wassermengen verliefen ergebnislos. Nun liegen die Nerven blank. Ägypten sinnierte über einen möglichen Durchbruch bei den Verhandlungen in der Form, dass man den Staudamm mit Gewalt zerstört. Abiy antwortete laut der Schweizer NZZ nur Tage, nachdem ihm 2019 der Friedensnobelpreis verliehen wurde, dass nichts Äthiopien vom Bau des Staudamms abhalten werde: “Wenn es notwendig ist, in den Krieg zu ziehen, können wir Millionen (Soldaten) aufbieten. Wenn die anderen eine Rakete abfeuern, können wir Bomben einsetzen.“ Ein militärischer Konflikt würde auf beiden Seiten jeweils mehr als 100 Millionen Menschen betreffen.

Aufgrund der Streitereien ist es schwierig, wie bei Wikipedia zu lesen ist, internationale Geldgeber von dem Projekt zu überzeugen. Darum beglücken die äthiopischen Regierenden die äthiopischen Regierten mit Staudamm-Anleihen. Verlass ist jedoch auf China. Die Turbinen und die übrige elektrische Ausstattung für etwa 1,8 Milliarden US-Dollar sollen Berichten zufolge von chinesischen Banken finanziert werden. Vielleicht sollte Äthiopien es einmal mit Green Bonds versuchen?

Was das Jahrhundertprojekt eventuell noch verhindern könnte, wäre einmal in Ruhe darüber nachzudenken, mit welchen Großprojekten Staaten in der Neuzeit den Wohlstand der Bevölkerung angehoben haben. Mit Stuttgart 21 oder dem Berliner Flughafen? Trump mit seiner Mexiko-Mauer? Oder die Deutsche Demokratische Republik mit ihrem antifaschistischen Schutzwall? Sollte „Gerd“ doch gebaut werden, dann geben zumindest die deutschen Bauten die Hoffnung, dass der Staudamm entweder nie fertig oder nicht für die Ewigkeit Bestand haben wird.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen Ihre Redaktion von portfolio institutionell!

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Eine Antwort zu „Blaues Gold, grüner Strom und rotes Tuch

  1. Das Thema ist etwas zu ernst für dieses Genre. Sie sollten berücksichtigen, dass es hier um die Zukunft von 115 Millionen Menschen in einem der ärmsten Länder der Welt geht. Sie möchten so viele Menschen nicht an ihrer Grenze haben.
    Bitte lesen Sie eine Studie des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zu dem Thema:
    https://www.bundestag.de/resource/blob/691208/4055cb090414c5f997e66fff804b8b42/WD-2-015-20-pdf-data.pdf

    Außerdem hat die Financial Times einen Artikel verfasst „Ethiopia’s Nile mega-dam is changing dynamics in Horn of Africa“. Bitte googeln Sie den Titel, man kann ihn nicht verlinken.

    Vielen Dank!

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