Pensionsfonds
2. September 2019

Britische Unternehmen bauen Brexit- und Pensionsrisiken ab

Auch wenn die direkten Auswirkungen des Brexits auf britische EbAVs gering sind, sind die Konsequenzen schon allein aufgrund des schwächelnden Pfundes bereits spürbar. Gleichzeitig haben beitragsorientierte Pensionspläne leistungsorientierte Pensionspläne fast vollständig abgelöst. Der Buy-In- und Buy-Out-Markt boomt.

De-Risking durch Buy-In und Buy-Out

Die Kosten für Unternehmen, leistungsorientierte Pensionssysteme zu unterhalten, sind laut dem Beratungsunternehmen Barnett Waddingham massiv angestiegen. Als Gründe nennt das Haus schwache Investmentreturns, steigende Lebenserwartungen sowie zusätzlichen Compliance-Aufwand durch neue regulatorische Regime. Zumindest bezüglich der Lebenserwartung deutet sich ein Wechsel an: Mit knapp 540.000 Menschen starben in England und Wales 2018 so viele wie seit 1999 nicht mehr. Die Lebenserwartung sank sogar leicht, für 65-jährige Männer von 87,8 auf 87,5 Jahre. Insgesamt jedoch wollen immer mehr Unternehmen auch die Risiken der alten Defined-Benefit- Schemes von der Bilanz haben, was sich durch einen boomenden Buy-In- und Buy-Out-Markt zeigt. Dabei handelt es sich um eine teilweise oder vollständige Versicherung oder Übernahme der Pensionsverpflichtungen. Laut dem LCP Pension De-Risking Report aus dem März 2019 wurde 2018 ein Rekordvolumen an Buy Ins und Buy-Outs in Höhe von insgesamt 24,2 Milliarden Pfund verzeichnet. Bei Buy- Ins verbleiben die Pensionsverpflichtungen bei dem Unternehmen, werden aber jedoch teilweise hinsichtlich einer speziellen Versicherung abgesichert. Eine solche Transaktion wurde beispielsweise im Falle der Pensionsverpflichtungen der Fluggesellschaft British Airways getätigt, deren Verpflichtungen in Höhe von 4,4 Milliarden von der Versicherung Legal & General versichert wurden – dies ist der größte bisher verzeichnete Deal.

Im Falle eines Buy-Outs werden die kompletten Verpflichtungen inklusive der Assets auf eine Versicherungsgesellschaft übertragen, wodurch die Verpflichtung des Pensionsfonds erlischt. Insgesamt etablieren sich Buy-Outs als der Standard im Markt, so LCP. Für das Jahr 2019 erwartet LCP auf der Grundlage einer Ausweitung der Nachfrage seitens der Pensionseinrichtungen noch einmal eine Steigerung des gesamten Marktvolumens auf 25 bis 30 Milliarden Pfund. Eine noch jüngere Entwicklung ist die der Superfunds. Die beiden bisherigen Anbieter dieses Segments – The Pension SuperFund sowie Clara-Pensions – poolen Defined-Benefit-Schemes und übernehmen so die Verpflichtungen seitens der sponsorenden Unternehmen. Im Unterschied zu Buy-In und Buy-Out geht dies wohl mit einer geringeren Sicherheit für Pensionsberechtigte einher. Die regulatorischen Rahmenbedingungen stehen jedoch bisher aufgrund der Neuheit des Marktes noch nicht fest. LCP geht dabei von niedrigeren Kapitalpuffern aus, was Superfunds als Low-Cost-Alternative zu einem Buy- Out seitens einer Versicherung etablieren würde.

Für Unternehmen ist das Angebot von beitragsorientierten Plänen sowie der Transfer oder die Versicherung von alten leistungsorientierten Plänen aufgrund deren hohen Unsicherheiten attraktiv. Ob das auch für die Leistungsempfänger gilt, ist heftig umstritten, denn diese tragen so ähnlich wie auch bei der sich in Deutschland rasch verbreitenden fondsgebundenen Lebensversicherung zunehmend allein die Risiken. So bedauerte der Accountant-Spezialist John Stittle von der University of Essex in der Online-Zeitung Independant den Rückgang von Defined Benefit Schemes. Er machte eine Reihe von steuerpolitischen Entscheidungen ebenso wie konservative Accounting- Standards für den Rückgang der leistungsorientierten Pläne verantwortlich. In seinem Beitrag zieht er das Fazit, dass „durch den Wechsel zu beitragsorientierten Systemen Unternehmen ihre Rentenbeiträge senken und höhere Dividenden an die Aktionäre zahlen“  können. „Unternehmen haben sich weitgehend die Hände in Unschuld gewaschen, was die finanzielle Unterstützung der Pensionäre im Ruhestand angeht. Die Arbeitnehmer und ihre Renten werden zunehmend den Finanzmärkten ausgeliefert sein.“

Auch deshalb steht das Verhältnis von Dividendenzahlungen zu den Rentenbeiträgen unter politischer Beobachtung. Laut LCP blieben letztere im Falle der FTSE-100-Unternehmen 2018 konstant bei rund 13 Milliarden Pfund. Gleichzeitig stiegen die Dividendenzahlungen 2018 von rund 80 Milliarden Pfund in 2017 auf rund 90 Milliarden Pfund, was das Verhältnis zuungunsten der Leistungsempfänger verschlechterte. Der LCP-Report weist jedoch darauf hin, dass ein einfacher Vergleich der Komplexität der Pensionsverpflichtungen nicht gerecht wird. Deutlicher sind die Einschätzungen in Bezug auf Managervergütungen über Pensionszusagen oder Cash. Demnach folgen diese Zahlungen an den CEO laut LCP nur bei 15 Prozent der Unternehmen dem gleichen Maßstab wie dem der übrigen Angestellten. Das parlamentarische Business, Energy and Industrial Strategy Committee bezeichnete diese Situation als ein „inakzeptables Beispiel für eine schwache Corporate Governance und die eklatante Missachtung jeglicher Vorstellung von Fairness“. Gut möglich, dass in Zeiten größerer Kapitalmarktturbulenzen und rezessiver Tendenzen – womöglich in Folge eines harten Brexits – dieses Thema noch an politischer Relevanz gewinnen wird.

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