Banken
17. Juni 2013

Bund-Renditen im künstlichen Tiefschlaf

Basel III zwingt Banken dazu, mehr Wert auf Assets zu legen, die sich schnell zu Geld machen lassen. Welche ­Papiere das sind und welche Chancen sich in dieser Situation für langfristige Investoren ergeben, ­erörterte Professor Dr. Thomas­ Heidorn von der Frankfurt School of Finance and Management in seinem Vortrag auf dem Fachforum.

Im Rahmen des Fachforums gab Thomas Heidorn einen kurzweiligen Überblick über die regulatorischen Aktivitäten in der Bankenlandschaft im Allgemeinen und schwarze Schwäne im Besonderen. Mit der jüngsten Finanzkrise habe die Inflation eingesetzt – die Inflation an Abkürzungen, flachste der Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management und Leiter des ­Centre for Practical Quantitative Finance. Beispielhaft, etwa für die mit dem ­Bankenregelwerk Basel III einhergehenden Vorgaben, ­nannte er die neuen ­Liquiditätskennzahlen in Form des LCR ­(Liquidity ­Coverage Ratio) und des NSFR (Net Stable Funding Ratio), mit denen die ­Institute für die nächste Krise und damit einhergehende ­Liquiditätsengpässe gewappnet werden sollen. Im ­gleichen Atemzug zitierte er einen Freund mit den Worten: „Wenn wir all das viele Geld, das wir für Basel II ausgegeben haben, in einen Fonds für Bankrisiken investiert hätten, ginge es uns jetzt allen besser.“ Heidorn kritisierte, dass die klügsten Köpfe in den Banken im Hinblick auf Basel III und andere regulatorische Themenfelder inzwischen vor allem damit ­beschäftigt seien, „irgendetwas an die Aufsicht zu melden“, statt sich mit den künftigen Risiken auseinanderzusetzen.

Zunehmende Unberechenbarkeit

Der Bankenexperte hob hervor, dass es durch die krisenbedingten ­Umwälzungen in der Bankenlandschaft auch zu Veränderungen an den Anleihemärkten komme. So seien die Liquiditätseigenschaften von Wertpapieren nach der bisher größten Bankenkrise ­inzwischen in den Vordergrund gerückt. Gleichzeitig würden im ­Bankensektor systematisch­ Transferpreise für Liquidität eingeführt. Für Investoren mache es daher „extrem viel Sinn“, sich dieser ­Thematik zu widmen und die Folgerungen für die Märkte zu ­ergründen, die sich aus dem neuen Bankenumfeld ergeben.

Hybriden Produkten von Banken prognostizierte Heidorn einen starken Nachfragerückgang: „Hybride und nachrangige Anleihen ­werden Banken im Eigenkapitalbereich kaum noch helfen“, erläuterte der Referent die veränderte Finanzierungssituation und ergänzte:
„Solche Produkte werden in Zukunft eher abgebaut.“ Pfandbriefe
mit ­mindestens AA- avancierten indessen zur wesentlichen ­Refinan­zierungsquelle für die Finanzhäuser.

Aufmerksamkeit widmete der Professor für Bankbetriebslehre auch dem Thema „Rating-Agentur-Bashing“, also dem Kritisieren der  Bonitätsforscher, das sich in den vergangenen Jahren krisenbedingt unter vielen Investoren großer Beliebtheit erfreut habe. Gleichwohl könne er nicht nachvollziehen, was falsch an den Ratings gewesen sein soll. So hätten Corporate-Bonds-Ratings und die meisten ­Structured-Finance-Ratings auch in der Finanzkrise funktioniert, ­stellte Heidorn fest. Wie seinen Ausführungen zu entnehmen war, lag das durchschnittliche Rating vor einem Zahlungsausfall über die ­Jahre der jüngsten Finanzkrise hinweg unterhalb des Durchschnitts aller Rating-Einstufungen zwischen 1983 und 2011, was auf eine kritische Grundhaltung hindeute.

Es sei nicht so, dass Ratings nichts taugen, sondern der schwarze Schwan sei passiert, wie Heidorn es formulierte. Dass die großen ­Rating-Agenturen unter Börsianern nicht gut gelitten seien, führte er unter anderem auf die überraschend in die Insolvenz ­gegangene ­Investmentbank Lehman Brothers zurück, die zum Zeitpunkt ihres Untergangs mit einem unkritischen Rating versehen ­gewesen sei. Mit der Aussage: „Lehman Brothers verabschiedete sich an einem Montag mit einem A2. Es war vorher noch nie ein Unternehmen direkt von ­einem A-Rating aus zahlungsunfähig geworden“, unterstrich Heidorn die Unberechenbarkeit solcher Events und räumte ein: „Wir ­alle wussten in unseren Herzen, dass auch Emittenten mit A und AA sofort pleitegehen können. Es war aber noch nie passiert.“ Neu für ­alle ­Kapitalmarktteilnehmer war damals auch die Erkenntnis, dass es ­keinen Interbanken­-Geldmarkt mehr gab, auf dem man Geld für ­wenige Monate verleihen und sicher sein konnte, dieses auch zurückzubekommen.

Heidorn zufolge ist die Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsstörung mit dem damaligen Zusammenbruch des Interbanken-Geldmarktes ­inzwischen auch bei Emittenten mit einem A- oder selbst AA-Rating für einen Ein-Jahres-Zeitraum nicht länger bei null anzusiedeln, wie das vor der Krise angenommen worden sei. Denn die Marktakteure würden sich mit der Erfahrung im Hinterkopf überlegen, wie sie auf ein ­solches Ereignis künftig reagieren könnten. Insofern wird nur bei AAA-Emittenten angenommen, dass bei ihnen ­zumindest im ­ersten Jahr nach dem Rating kein Zahlungsausfall zu erwarten ist.

Schwarze Schwäne antizipieren

Nach Angaben von Heidorn werden aus Bankensicht diejenigen Wertpapiere immer kostbarer, die verpfändbar sind und über den Status der ­Hinterlegbarkeit bei der Europäischen Zentralbank (EZB) verfügen. Repofähige Wertpapiere haben demnach einen Zusatznutzen. Wie der diskussionsfreudige Referent dem Publikum erläuterte, ­zählen aus heutiger Sicht speziell EZB-fähige Anleihen zum sogenannten Liquiditäts­puffer von Banken. Darüber hinaus seien auf­seiten der Banken jene Bonds besonders begehrt, die sich für Repo-­Geschäfte am Interbankenmarkt eignen. Ins liquiditätssichernde ­Portfolio ­gehörten überhaupt ­Anleihen, die grundsätzlich schnell veräußerbar sind. Banken, die diese Aktiva schnell liquidieren können, seien in Stressphasen (schwarze Schwäne) klar im Vorteil. Während Finanz­institute in der Gegenwart und in Zukunft also verstärkt auf ­liquide ­Assets setzen würden, könnten langfristige Anleger von ­Illiquiditätsprämien profitieren, die jenen Anlagen zugeschlagen ­werden, die in kurzer Zeit eben nicht liquidierbar sind.

Lehren aus der Krise

Der Banken­intimus nannte vier ­Lehren aus der jüngsten Krise, die sich Kreditinstitute ­genauso wie ­institutionelle Investoren vor Augen führen sollten. ­Erstens: Die ­Liquiditätseigenschaften eines Finanzproduktes werden in Zukunft systematisch in dessen Bewertung einbezogen. Zweitens: Wert­papiere, die auch in Stresssituationen veräußerbar sind, bekommen einen ­Bonus. Drittens: Wertpapiere die „durch­finanziert werden müssen“, sind mit einem Malus behaftet. Last but not least nimmt die ­Bedeutung von langfristigen Investoren stark zu. Im Hinblick auf die ­Minimierung von liquiditätsbedingten Ausfall­risiken bei Banken zeigte Heidorn die Eigenschaften einer wirksamen Mindestliquiditätsreserve auf. Diese müsse so kalibriert werden, dass sie einer einmonatigen Liquiditätskrise widerstehen kann. Als Auslöser einer solchen Verwerfung nannte der Referent neben unerwartet hohen Bargeldabflüssen auch Margin Calls. Hinsichtlich hypo­thetischer Mittelabflüsse müssten ­daher sowohl die Einlagen der Kunden hinterfragt werden als auch die Kredit- und Liquiditätslinien. Gleiches­ gelte für zusätzliche Sicherheitsforderungen von Handelspartnern, sprich Collateral Calls.

Besonderes Augenmerk sollte auf hochliquide Assets gelegt werden, konkret auf die Wertpapiere der sogenannten ­Liquiditätsreserve Level I. Dazu zählen in Euro denominierte liquide Staatspapiere mit einem Rating von mindestens AA-. Aufgrund der ­Liquidität des ­Marktes sei es allerdings schwierig, Alternativen zu Deutschland zu finden, wie Heidorn zu bedenken gab. Es sei eine ­extrem hohe Nachfrage nach Bundesanleihen zu verzeichnen, die ­wiederum in sehr niedrige Spreads münde. Der Staat habe sich seine Nachfrage ­geschaffen, monierte Heidorn.

Staatsanleihen mit einem Rating bis hinab zur Stufe A- zählen indessen zum Level II der Liquiditätsreserve; ­gleiches gilt für Pfand­briefe und Firmen­anleihen mit einem Rating bis AA-. Um ihrem ­Status als ausgesuchte Liquiditätsreserve gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber ­allerdings einen Haircut von 25 ­Prozent festgelegt. Auf Geheiß der obersten ­Bankenaufseher vom ­Januar dieses Jahres zählen inzwischen aber auch Unternehmensanleihen mit nicht über jeden Zweifel ­erhabenen Bonitätsnoten zwischen A+ und BBB- zum Level II, wobei hier ein Haircut von 50 Prozent unterstellt wird. Außerdem klassifizieren selbst durch Hypotheken besicherte Wert­papiere (RMBS) mit einem Rating bis AA als Bestandteil der Liquiditäts­reserve Level II, wobei ein Haircut von 25 Prozent unterstellt wird.

Regulierung nicht aufzuhalten

Anders als von vielen Bankenvertretern gehofft, denen das neue Regelwerk schwer im Magen liegt, führe die nach hinten ­verschobene schrittweise Umsetzung von Basel III nicht zu ­einer ­Entspannung bei den beteiligten Instituten. Denn Heidorn zufolge üben vor allem ­Analysten mit ihrer zeitlich vorgelagerten ­Kennzahlenanalyse indirekt Druck auf die Finanzhäuser aus, die durch das ­Aufsichtsregime ­geforderten Eigenmittelquoten ­vorzu­halten. Abschließend stellte der Referent fest, dass die Fristentrans­formation im ­Finanzsektor durch Basel III erschwert werde. Seit der Krise zahle ­eine Bank „bei ­gleichem Rating einen höheren Credit Spread als eine Firma.“ Die direkte ­Finanzierung nehme derweil zu, ­Emissionen von ­Corporate Bonds stünden vermehrt auf der ­Tagesordnung. Und: Die nach Rendite ­dürstenden Versicherungen und Pensionsfonds springen angesichts lausiger Bund-­Renditen für die Bankhäuser in die Bresche und ­vergeben ihrerseits Kredite.

portfolio institutionell, Ausgabe 5/2013

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